B wie Buschkowsky … oder Büge

daa neukölln hoffestUm die Chancen für Bildung und Arbeit in Berlin und Neukölln sollte es kürzlich bei einer Podiumsdiskus- sion gehen, die im Rahmen eines Hoffests anlässlich des fünfjahrigen Bestehens der Deutsche Angestellten-Akademie (DAA) in Neukölln stattfand. Außer Gastgeber und Institutsleiter Markus Metke und Moderator Micha- el Strauß nahmen Sebastian Schlüsselburg (Die Linke), Franziska podiumsdiskussion, 5 jahre daa neuköllnEich- städt-Bohlig (MdA, Bünd- nis 90/Die Grünen), Mie- ke Senftleben (MdA, FDP), Neuköllns Schul- stadträtin Franziska Giffey (SPD) und Michael Büge (CDU), der Neuköllner Stadtrat für die Bereiche Sozia- les, Wohnen und Umwelt, im Schatten unter dem Dach der kleinen Bühne Platz. Letzterer jedoch weniger als Repräsentant des ak- tuellen Amts, sondern vor allem als Kandidat für den Posten des Bezirksbür- germeisters. Das stellte Michael Büge gleich bei der Vorstellung klar: „Ja“, sagte der 45-jährige Linkshänder, „ich würde gerne Buschkowsky ablösen!“ Wie ernst ihm podiumsdiskussion daa neukölln, sebastian schlüsselburg, franziska eichstädt-bohlig, franziska giffeydas ist, bekam besonders Franziska Giffey (r.) zu spüren.

Stichwort: Kitapflicht. Die sei das einzige Mittel, betonte sie und stieß damit ins Horn des amtierenden Be- zirksbürgermeisters, um eine früh- kindliche Förderung zu erreichen und zu verhindern, dass Kinder bereits mit erheblichen Sprachstands- und Ent- wicklungsdefiziten eingeschult wer- den. Eine konkrete Antwort auf Fran- ziska Eichstädt-Bohligs (M.) Nachfrage, wie die Kitapflicht-Forderung angesichts jetzt schon fehlender Kitaplätze praktisch erfüllt werden soll, blieb Giffey freilich schuldig. Ein völlig anderes Lösungsmodell schwebt dagegen Michael Büge vor, der von einer Kitapflicht gar nichts hält: Die Eltern seien für die Förderung ihrer Kinder verant- wortlich und müssten dabei von entsprechenden Institutionen unterstützt und be- gleitet werden, die wiederum besser als jetzt mit den Schulen vernetzt sein müssen.

Stichwort: Integrierte Sekundarstufe. Die 12  Sekundarschulen in Neukölln würden sehr gut angenommen werden und eine gute Nachfrage verzeichnen, verteidigte Giffey das vor einem Jahr eingeführte zweigliedrige Schulsystem. „Was soll denn angenommen werden, wenn es keine Alternative dazu gibt?“, hakte Michael Büge nach. Im Schulbetrieb kranke es an allen Ecken und Enden, Unterrichtsausfall sei eher Regel als Ausnahme und der Übergang in den Beruf werde Jugendlichen durch eine schlechte Vorbereitung seitens der Schule erschwert. Mit einer viel eng- podiumsdiskussion daa neukölln, michael büge, mieke senftleben, markus metkemaschigeren Vernetzung zwischen Schulen und Wirtschaftsbetrieben könne das wesentlich besser laufen. Deshalb, so Büge (l.), müsse die dringend gefördert werden.

Stichwort: Arbeitslosenquote. „Sind die jetzigen Mittel wie ÖBS-, AGH– und MAE-Stellen zur Reduzierung der Ar- beitslosenquote in Berlin geeignet oder sind die nur Kosmetik für die Statistik?“, wandte sich Moderator Michael Strauß an die Diskutanten. „Unter Harald Wolf sind in der Stadt 112.000 sozialversicherungspflichtige Jobs entstanden“, lobte Sebastian Schlüsselburg zu- erst seinen Parteigenossen, den Berliner Wirtschaftssenator, und dann die Ein- führung des ÖBS: Der leiste sehr viel für die Infrastruktur und den sozialen Zusammenhalt in Berlin. Das sahen Mieke Senftleben und Franziska Eichstädt-Bohlig jedoch entschieden anders. Als Erfolg wollte erstere es nicht sehen, wenn ein 50 Million-Euro-Programm gerade mal 5.600 neue Arbeitsplätze schafft. „Der ÖBS finanziert den Arbeitsplatzabbau vor allem im soziokulturellen Bereich“, setzte Eichstädt-Bohlig nach. Die Kritik des diplomierten Kaufmanns Michael Büge zielte in erster Linie in Richtung der Abteilung Wirtschaftsförderung im Neuköllner Bezirksamt. Er untermauerte sie mit nur einem beispielhaften Gespräch, das er mit einem Neuköllner Geschäftsmann geführt hatte, machte jedoch keinen Hehl daraus, viele andere nennen zu können. Eine Unterstützung der Unternehmen vor Ort, so sein Fazit, sehe anders aus. „Mit mir als Bezirksbürgermeister“, kündigte Büge an, „wird es zwar weniger Talkshow-Auftritte, aber da- für mehr aktives politisches Handeln ge- ben.“

Was außerdem von ihm erwartet werden darf, verriet er mit einigen Schlagwörtern: Der Ansatz der Politik in und für Neukölln müsse ein anderer werden, das Positive im Bezirk eine stärkere Betonung bekom- men. Wichtig sei, die Nähe zu Migranten zu suchen und ihnen als Partner zu begeg- nen, damit ihre Potenziale noch intensiver genutzt werden können. Die durch die Entwicklung im Norden Neuköllns gebotenen Möglichkeiten müssen zum Wohle der Neuköllner bearbeitet werden. Zudem, so der Bürgermeisterkandidat, plädiere er unbedingt dafür, dass Akteure und Anwohner in die Gestaltung der Zukunft des Tempelhofer Feldes eingebunden werden.

Was Michael Büge in Neukölln gestalten darf, entscheiden die Wähler am 18. Sep- tember. Dass der Nachname des nächsten Neuköllner Bezirksbürgermeisters auch wieder mit B beginnt, ist höchstwahrscheinlich.

=ensa=

„Jede Stimme 2011“ bittet an die Wahlurnen

Über 460.000 Berlinern ist die Möglichkeit verwehrt, am 18. September bei der Abge- ordnetenhaus-Wahl ihre Stimme abzuge- ben, weil sie keinen deutschen Pass haben. Das sind rund 13 Prozent aller Menschen, die in Berlin leben. Diejenigen unter ihnen, die keine Staatsbürgerschaft eines EU-Landes besitzen, dürfen nicht mal auf Bezirksebene wählen.

Zur Stärkung der „parlamentarischen De- mokratie und der politischen Partizipation von ausländischen Bürgern in Berlin“ hat nun das Projekt Jede Stimme 2011 eine symbolische Wahl für volljährige Haupt- städter ohne deutschen Pass initiiert. Gestern begann sie, noch bis zum 4. September sind die Wahllokale geöffnet. Ins- gesamt 75 gibt es stadtweit, allein 19 davon – und damit mehr als in jedem anderen Bezirk – sind in Neukölln:

– Mitreden in Neukölln (Glasower Str. 67, 12051 Berlin)
Di + Mi 13 – 17, Do 13 – 17 + 18:30 – 20, So 11 – 14 Uhr

– Diakoniewerk Simeon (Morusstr. 18 a, 12053 Berlin)
Di + Do 9 – 17 Uhr

– Aufbruch Neukölln I (Falkstr. 27, 12053 Berlin)
Mo – Fr 10 – 16 Uhr

– Aufbruch Neukölln II (Uthmannstr. 19, 12043 Berlin)
Mo – Fr 10 – 16 Uhr

– Interkultureller Treffpunkt “ImPULS” (Bat-Yam-Platz 1, 12353 Berlin)
Di + Mi 10 – 19, Do 10 – 16,  Sa 10 – 13 Uhr

– QM Ganghoferstraße (Donaustr. 78, 12043 Berlin)
Mo + Di 10 – 18 Uhr

– Deutsch-Arabische Unabhängige Gemeinde e.V. (Boddinstr. 66, 12053 Berlin)
Mo – Fr 9 – 17 Uhr

– Nachbarschaftsverein Elele e.V. (Hobrechtstr. 55, 12047 Berlin)
Mo – Do 15 – 18, Fr 10 – 18 Uhr

– Kiezladen Groopies (Feuchtwangerweg 1, 12353 Berlin)
Mo + Mi 13 – 15, Do 13:30 – 15, Fr 12 – 15 Uhr

– Nachbarschaftshaus Sonnenblick/kubus gGmbH (Sonnenallee 273, 12057 Berlin)
Di – Fr 10 – 16 Uhr

– Das Waschhauscafé/kubus gGmbH (Eugen-Bolz-Kehre 12, 12351 Berlin)
Di – Fr 10 – 16 Uhr

– OWEN e.V.  (Nogatstr. 21, 12051 Berlin)
Do – Sa 10 – 16 Uhr

– Türkisch-Deutsches Zentrum I (Karl-Marx-Str. 44, 12043 Berlin)
Mo 9 – 16, Mi 9 – 14 Uhr

– Türkisch-Deutsches Zentrum II (Silbersteinstr. 78, 12051 Berlin)
Mo 9 – 16, Mi 9 – 14 Uhr

– Türkisch-Deutsches Zentrum III (Mobiles Wahllokal auf dem Platz der Stadt Hof)
Fr 16 – 20, Sa 11 – 20 Uhr

– dtz-bildung & qualifizierung gGmbH (Karl-Marx-Str. 84, 12043 Berlin)
Mo 9 – 16, Mi 9 – 14 Uhr

– Lesen und Schreiben e.V. (Herrnhuter Weg 16, 12043 Berlin)
Fr 13 – 16, Sa 12 – 16 Uhr

– Mutter-Kind Treff Shehrazad (Roseggerstr. 9, 12043 Berlin)
Mi + Do 12:30 – 17:30 Uhr

– Kirchengemeinde “St. Christophorus” (Nansenstraße 4-7, 12047 Berlin)
Mo 9 – 16, Di 11 – 13 + 14 – 17, Mi 11 – 13 + 15 – 16:30, Do 11 – 13 + 15 – 16:30, Fr 9 – 14, So 11 – 13 Uhr)

Lediglich ein Nachweis über den Wohnsitz in Berlin sei von denen mitzubringen, die symbolisch wählen wollen, teilen die Veranstalter mit. Die Daten würden nicht dokumentiert werden, zudem sei die Wahl selbstverständlich anonym.

Begrünte Quadratmeter

Gärtnern bedeutet gemeinhin, dass man auf Knien durch Beete kriecht oder in nicht eben rückenfreundlicher Haltung  Pflanzen setzt und Unkraut jätet. Ganz anders ge- staltet sich diese Tätigkeit für manche Kleingärtner im Neuköllner Richardkiez:  Die müssen – außer Gießkanne und anderen Utensilien – eine Leiter mitnehmen, um sich  um ihre  Botanik  zu kümmern.  Denn dort  gibt  es  noch Telefonzellen,  die nicht

durch -säulen ersetzt wurden und nun Platz fürs Urban Gardening auf kleinstem Raum bieten.

=ensa=

Rot gesehen

Rot dominierte gestern an der Hermannstraße auf dem Bürgersteig zwischen dem Eingang zum Kindl Boulevard und der Roll- bergstraße. Wer aus Rich- tung Hermannplatz kam, musste zuerst am SPD– Pavillon (weiße Schrift auf rotem Grund) vorbei: In ei- nem Atemzug mit der Fra- ge „Darf ich Ihnen unse- ren Kandidaten vorstel- len?“ erhielt man die Par- tei-Gazette „Berliner Stadtblatt“, einen Promo-Flyer des Kandidaten und eine Tüte mit einem Weißmehl-Brötchen in die Hand gedrückt. Erol Özkaraca, eben jener Kandidat, hätte sich auch höchstselbst vorstellen können, zog es aber vor, sich im Hintergrund zu halten und die rote Schrift auf der Tüte nebst der drögen Schrippe sprechen zu lassen.

Nur wenige Schritte weiter hatte Die Linke ein Tisch- chen samt Schirm mit identischer Farbkombination aufgebaut. Für das leibliche Wohl der Passanten hatten die beiden freundlich-zurückhaltenden Wahl- kämpfer nichts parat. Auch darauf, einen Kandidaten vorgestellt zu kriegen, musste man hier verzichten. Dafür kamen Papierfetischisten auf ihre Kosten.

Mit selbem farblichem Corporate Design aber einer vergleichsweise großen An- gebotspalette wartete dagegen KIK auf. Hier, an der Ecke Rollbergstraße, wurde der Schlusspunkt hinter die rote Dominanz gesetzt. Auf dem Wahlzettel wird man die drei Buchstaben links der Mitte des Alphabets aber vergeblich suchen.

=ensa=

Musterung in Neukölln abgesagt!

fernheizwerk neuköllnDa  Frau Sonne und Herr Blauhimmel es als wichtigste Mitwirkende vorziehen andernorts aufzutreten, muss heute leider auf  den Anblick dieses pittoresken Schattenspiels am Turm des Fernheizwerks Neukölln verzichtet werden. Wann sie sich wieder zu einem ihrer bejubelten Gastspiele in Berlin blicken lassen wird, steht noch nicht fest.

Rätselhaftes Wrack am Straßenrand

innsbrucker platz, berlin-schöneberg, foto: reinhold steinleNeuköllns prominentester Stadtführer Reinhold Steinle ist nicht nur häufig in den Neuköllner Kiezen unterwegs (z. B. morgen ab 15 Uhr in der Gegend rund um den Richardplatz). Auch in an- deren Berliner Bezirken kann man ihm oft begegnen. Dort hat er allerdings nie sein Erkennungszeichen, die Gerbera, dabei, meis- innsbrucker platz, berlin-schöneberg, foto: reinhold steinletens aber seine Digitalkamera.

Mit der machte er vor drei Tagen in Schöneberg am Innsbrucker Platz diese Bilder, die er dem FACETTEN-Magazin zumailte. Welcher Umstand zur weitgehenden Zer- störung des Fahrrads führte, ist Reinhold Steinle ein Rätsel. Möglich, dass es sich um einen Kollateralschaden der in Berlin wütenden Autoabfackler handelt oder hier Trittbrettfahrer an einem unmotorisierten Zweirad für das große Inferno geübt haben.

Sicher ist Steinle jedoch: „Von allein brennt kein Fahrrad! Zum einen ist die Hitze hier nicht stark genug und zum anderen regnet es dann gleich wieder.“

=ensa=

Der kleine Unterschied

„Die Spielhallen sind in Neukölln nicht das Problem“, davon ist Anja Stein, die stellvertretende Leiterin des Neuköllner Ordnungsamts, überzeugt. „Unser Pro- blem“, so Stein weiter, „sind die er- laubnisfreien Cafés und Lokale.“ Für die nämlich gelte das neue Berliner Spielhallengesetz nicht.

Außenwerbung, Sperrzeiten, die Entfernung zum nächsten Euro-Grab oder zu Ein- richtungen für Kinder und Jugendliche – all diese seit Juni gesetzlich geregelten Parameter haben keinerlei Relevanz für die, die weniger als vier Glücksspiel- automaten in ihren Gaststätten aufstellen, um Verführbaren das Geld aus der Tasche zu ziehen. Folglich ist völlig gesetzeskonform, dass jüngst nur rund 200 Meter von der Hermann-Boddin-Grundschule entfernt eine Lokalität mit Geldspielgeräten er- öffnet werden durfte. „Uns wäre es auch lieber“, so Anja Stein kurz nach Inkrafttreten des Spielhallengesetzes, „wenn sich das Gesetz nicht auf Spielhallen beschränken würde.“

Zumal die Unterscheidung, was eine Spiel- halle und was ein erlaubnisfreies Café ist, auch bei genauerem Hinsehen oft schwierig ist, da in der Vergangenheit in Neukölln häufig die Gelegenheit genutzt wurde, fließende Grenzen zu schaffen. Pro 12 Quadratmeter Fläche, erklärt Anja Stein, dürfe nach Vorschrift des Bezirks ein Geldspielgerät aufgestellt werden. Um als erlaubnisfreies Café – gerne auch mit der plakativeren Bezeichnung „Casino“ versehen – durchzugehen, müsse folglich die Lokalität nur 36 Quadratmeter groß sein: „An diesem Punkt sind wir früher völlig ausgetrickst worden.“ Da seien kurzum aus einer 120 Quadratmeter großen Gaststätte mit Untermietverträgen und Zwischenwänden in Leichtbauweise drei Spielcafés gemacht worden, in denen dann insgesamt völlig legal neun Automaten stehen durften. Ein Trick, der erst vor zwei Jahren beim Ordnungsamt bekannt wurde. Seitdem würde selbstverständlich darauf geachtet werden, um wenigstens ein weiteres Grassieren dieser Vorgehensweise eindämmen zu können.

=ensa=

VIP-Gäste als Frühstücksboten für Neuköllner Erstklässler

Über 26.600 Mädchen und Jungen machten sich in Berlin letzten Samstag mit Ranzen auf dem Rücken, Schultüte im Arm und ihren Familien im Schlepptau auf den Weg zum so genannten Ernst des Lebens. Für 64 Neuköllner Erstklässler findet der nun in der Konrad-Agahd-Schule statt.

Vom normalen Schulalltag war dort Montag für sie aber noch wenig zu spüren: Die schwarze Dienstkarosse von Bezirksbürgermeister Buschkowsky parkte auf dem Pausenhof, überall liefen Leute herum, die die Kinder vielleicht schon mal im Fernsehen gesehen hatten – wahrscheinlich aber nicht. Welche Fünf- und Sechsjährigen interessieren sich schließlich für Lokalpolitisches, Senabio-brotbox, konrad-agahd-schule neukölln, hilde fauland-weckmann, bertil wewer, franziska giffey, heinz buschkowsky, dietmar bärtorinnen und Staatssekretärin- nen oder gucken den „Tatort“ aus Köln? Ergo waren der Schauspieler Dietmar Bär, Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher, Staatssekretärin Claudia Zinke, Heinz Buschkowsky, Bezirksstadträtin Franziska Giffey und all die anderen schlichtweg dieje- nigen, die das Frühstück bringen.

Etwa 53.000 Portionen für alle Ber- liner und Brandenburger Schulanfän- ger waren am Vortag von knapp 500 Helfern in der Halle der Neuköllner Firma Terra Naturkosthandel in gelbe Plastikdosen sortiert worden: die  Bio-Brotboxen. Aber bevor die neuen Konrad-Agahd-Schüler sie bekamen, wurde ihnen von den Mädchen und Jungen höherer Jahrgänge  ein kleines Showprogramm mit  Liedern und Tänzen

bio-brotbox, schulleiterin simone schützmann, konrad-agahd-schule neukölln

serviert. Ihre Schule, erklärte Schulleiterin Simone Schützmann, sei zwar in erster Linie eine Modellschule für Computer- und Online-Kompetenz, doch es werde auch großes Augenmerk auf die Gesundheitserziehung gelegt: „Deshalb sind wir wirklich stolz, dass wir zum 10-jährigen Jubiläum der Bio-Brotboxen heute zur VIP-Schule ernannt wurden und die Verteilaktion der Boxen groß feiern können.“ Angesichts der anwesenden Polit-Prominenz ließ Schützmann es sich aber auch nicht nehmen, auf einen Wunsch in eigener Sache hinzuweisen: Das Schulhaus sei recht beengt, verfüge jedoch über eine Hausmeisterwohnung, die bereits seit einem Dreivierteljahr leer stehe. „Wenn sich Geld für einen Umbau auftreiben ließe“, so die Schulleiterin, „könnte man die wunderbar als Speisesaal für das warme Mittagessen, das wir anbieten, und Schulbibliothek herrichten.“

Auch das gemeinsame Frühstück vor der ersten großen Pause ist für die Klassen ein fester Programmpunkt im Schulalltag. Insbesondere Kinder ohne Kita-Erfahrung, erzählt eine Lehrerin, würden oft erst nach der Einschulung das regelmäßige bewusste Frühstücken am Tisch, den Umgang mit Lebensmitteln oder auch das Handhaben eines Messers lernen: „Zuhause haben viele einfach nicht die Chance, bio-brotbox, schauspieler dietmar bär, konrad-agahd-schule neuköllnes zu lernen, weil kein Wert darauf gelegt wird.“ Da kamen zugewandte Macher wie Diet- mar Bär oder auch Hans-F. Selle vom Bio-Brotbox-Sponsor Biokorntakt gerade recht.

Letzterer erklärte und zeigte den Erstklässlern am Frühstücks- tisch geduldig, wie man das Messer hält, um Möhren zu schaben und in mundgerechte Stücke zu schneiden. Die Kinder machten es ihm begeistert nach. Bio-Brotbox-Pate Dietmar Bär hatte bereits vor der Verteilung der gelben, mit qualitativ hochwertigen Dingen gefüllten Schachteln kein Geheimnis daraus gemacht, wie wichtig ihm die Förderung des Bewusstseins für bio-brotbox, biokorntakt gmbh hans-f. selle, konrad-agahd-schule neuköllngesundes Essen bei Kindern ist. „Bittet eure Eltern, die Box an jeden Schultag mit gutem Brot und Obst zu füllen“, riet er den Kleinen. „Und fragt eure Lehrer, wo die Sachen her- kommen, die ihr esst. Fischstäb- chen“, verriet er ihnen, „schwimmen nicht im Meer.“ Einige Tipps, wie sich vegetarische Brotaufstriche und Streichkäse mit Gemüsescheiben optisch aufpeppen lassen, hatte der Schauspieler außerdem parat. Ginge es nach den Kindern der Konrad-Agahd-Schule, dürfte er sicher gerne öfter mal zum Frühstück kommen.

=ensa=

Da kriegt man sooo ’nen Hals!

Wer das in Neukölln zu hören bekommt, muss es nicht zwangsläufig mit jemandem zu tun haben, der gerade vor Wut brodelt. Es könnte auch ein Shopping-Tipp sein.

Auf die wilde Tour

Die Quartiersmanager vom QM Schillerpromenade machten keinen Hehl daraus, dass man not amused sei. Alle Plakate für die Ankündigung des Kiezfestes seien überplakatiert worden, erklärten sie dieser Tage den Mitgliedern des Quartiersrats bei deren Sitzung. Wo die Vierfarbposter angebracht wurden, würden nun Hinweise auf die zeitgleich stattfindende Mietenstopp-Demo kleben. Folglich müsse man nun die Bequit-Mitarbeiter, die das Plakatie- ren für das QM bzw. die StadtMuster GbR als beauftragten Kiezfest-Träger übernehmen,  abermals auf eine Kleis- tertour schicken. Denn die Anwohner sollen natürlich vom Kiezfest am 3. Sep- tember erfahren – und es besuchen.

Inzwischen scheint die Ankündigung der Quartiersmanager in die Tat umgesetzt worden zu sein: Auf zahlreichen Ver- teilerkästen im Schillerkiez kleben wie- der Plakate, die auf das Kiezfest hin- weisen. Wer nah genug ran geht, kann sogar das farblich nur schwach kontras- tierende Kleingedruckte lesen.

Was auch aus größerer Entfernung zu erkennen ist, ist, dass sich das QM er- neut unter die Wildplakatierer begeben hat und damit selber zur siffigen Optik des Kiezes beiträgt. Darüber wiederum ist manches Quartiersrat-Mitglied not amused.

=ensa=

Die Tücken des Timings

Es  gibt Dinge, die  unvereinbar  sind: So  wird  sich beispielsweise denen, die immer

erst zum Sonnenunterganggucken auf dem Tempelhofer Feld einfallen, nie er- schließen, was es mit dem Zelt auf sich hat, das nahe dem Eingang am Columbiadamm aufgebaut wurde. Weil das nur täglich von 12 bis 19 Uhr geöffnet ist.

Ein Besuch lohnt sich aber vor allem an Werktagen ab 16 und an Wochenenden ab 14 Uhr. Denn nur dann sind Mitarbei- ter des Tem- pelhofer Freiheit-Teams vor Ort, die die im Zelt aushängenden Informationstafeln mit den Planungen für das Tempelhofer Feld erklären. Und das tun sie nicht nur kom- petent, sondern auch mit erfrischend kri- tischen und sogar  selbstkritischen  Zwi- schentönen.

Bis Mitte Oktober soll im Zelt noch infor- miert und der Dialog mit den Berlinern gesucht werden. Dann ist es auch mit der Unvereinbarkeit vorbei, weil die Sonne schon zwei Stunden früher als heute hinter dem Tempelhofer Feld untergeht.

=ensa=

Landpartie in den Neuköllner Süden

Knapp 10 Kilometer sind es vom Maybachufer am nördlichsten Zipfel Neuköllns bis zum südlichsten Ende von Buckow. Dort, wo Berlin auf Brandenburg trifft, ist man immer noch in Neukölln, aber hier zeigt sich der Bezirk ländlich statt urban. Eine Facette, die viele Nord- Neuköllner nie sehen, einige aber wenigstens einmal im Jahr – wenn Bauer Mette auf seinem Feld an der Kreuzung Buckower Damm/Gerlinger Straße zum Buckower Strohballen- fest einlädt.

An diesem Wochenende ist es wieder soweit. Noch heute (ab 13 Uhr) und morgen (ab 10 Uhr) präsentiert sich die 16. Auflage des Strohballenfestes mit einer Mischung aus Rummel, musikalischem Bühnenprogramm und bäuerlichem Ambiente mit Kutsch- und Treckerfahrten, Westernreiten und Lassokünstlern. Gestern Nachmittag nach der Eröffnung des Festes war von letzte- rem allerdings noch nicht allzu viel zu se- hen: ein paar wenige Stände mit landwirt- schaftlichen Erzeug- nissen, Strohballen in Rollen und Quadern auf Anhängern, einige Ziegen zum Streicheln und vom strammen Westwind, der über das Feld blies, zerzauste Hühner.

Mehr als den Tieren machte die steife Brise jedoch denen zu schaffen, die Stellplätze für Marktstände und Zelte gemietet hatten, um dort  ihre Produkte zu verkaufen, Speis‘

und Trank anzubieten oder bei kleineren Verletzungen und Unpässlichkeiten Erste Hilfe leisten zu können. „Wir hatten gerade alles dekoriert, als ein paar kräftige Böe kamen und alles wieder wegrissen“, erzählt eine Frau, die vor dem Gerippe ihres Marktstandes steht, an dem Silberschmuck verkauft werden sollte. Die Nachbarstände, die dem Wind ebenfalls zuviel Angriffsfläche geboten hatten, sehen nicht anders aus. „Wenn die uns keinen anderen Platz geben“, sagt sie enttäuscht, „können wir das hier total vergessen. Alles wieder aufzubauen, hat bei den Windverhältnissen überhaupt keinen Sinn.“ Ein paar Meter weiter versuchen einige Leute verzweifelt, ein stabiles Zelt am Abheben zu hindern. Die aufblasbare Rutsche schräg gegenüber liegt aus Sicherheitsgründen platt am Boden, die auf den Tischen ausgelegten Getränkekarten flattern über den stoppeligen Acker, die Sitze des Kettenkarussells rumpeln gegeneinander, wenn es nicht gerade seine Runden dreht.

Der Besucher- strom hält sich am ersten Nachmittag des diesjährigen Stroh- ballenfestes (nicht zu verwechseln mit Popráci, dem Rixdorfer Strohballenrollen!) in Grenzen. „Viel Spaß macht’s ja auch nicht, wenn man immer Angst haben muss, dass einem was um die Ohren fliegt“, bedauert ein Fried- richshainer, der samt Familie zum x-ten Mal das Fest besucht. Bleibt die Hoffnung, dass heute und morgen mehr Menschen den Weg nach Buckow aufs Feld von Werner Mette finden – und dass der Wind nachlässt.

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Betteln zwecklos!

hundesalon exquisit, christel balfanz, maybachufer neuköllnZweifelsohne – im Neu- köllner Reuterkiez hat sich in den letzten Jahren vieles verändert, mehr als in allen anderen Gegenden im Bezirk.  Doch davon, dass dort  nichts mehr so ist, wie es früher einmal war, kann trotzdem nicht die Rede sein – auch dank Christel Balfanz.

Der Hundesalon Exquisit am Maybachufer, den sie 1971 übernahm, ist seit eh und je die Adresse für bellende Vierbeiner, die die Haare schön haben wollen. Waschen, bürs- ten, schneiden, trimmen, fönen. Bei Christel Bal- fanz kriegt jeder Hund das gewünschte Styling. Wer es jedoch auf die Hartplastik-Hunde im Schaufenster abgesehen hat, ist bei ihr an der falschen Adresse: Die sind UNVERKÄUFLICH!, teilt ein Schild in der Auslage unmissverständlich mit. Auch daran hat sich nichts geändert.

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Die Tage sind gezählt

Seit 117 Jahren gibt es am Richardplatz, der nun auch wieder Bänke hat, das Fuhrunter- nehmen Kutschen-Schöne, das damit zu den ältesten Betrieben Neuköllns gehört und aus dem Bezirk kaum mehr wegzudenken ist.

Schräg gegen- über, am Richard- platz 7, läuft derzeit der Countdown für den Sertac Market. Seit Jahr und Tag wurden dort Obst, Ge- müse und diverse andere Lebensmittel verkauft. Damit ist nun am Monatsende Schluss. „Der Mietvertrag wurde nicht ver- längert“, erzählt der Besitzer des Ladens.

Montag hat er mit dem Räumungsverkauf begonnen: 20 Prozent Preisnachlass gewährt er auf alles, was noch in den Regalen steht. „War eine schöne Zeit“, sagt er, und dass er die gerne noch ein paar Jahre gehabt hätte. Er hätte ja gar nicht auf insgesamt 117 kommen wollen.

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Neuköllner Schätze (3)

Auch beim heutigen dritten Teil unserer Sommer-Serie Neuköllner Schätze ermög- lichen wir wieder intime Einblicke  in etwas, das sonst weitgehend verborgen bleibt. Denn obwohl Balkone zwar der mit Abstand öffentlichste Teil einer Wohnung sind, ist für Passanten meist nur Grünendes oder Blühendes sichtbar – nicht aber:

die Bestie der Weserstraße. „Die hat mein Freund mir nach unserem ersten gemeinsamen Urlaub in Ägypten geschenkt, sozusagen als Therapie-Fisch, weil ich beim Schwimmen im Meer dauernd Haie gesehen habe, die natürlich gar nicht da waren“, erklärt die Halterin des Tiers. „Er meinte, dass so was wie ein Gewöh- nungseffekt eintritt, wenn der Hai ständig um meine Füße kreist, wenn ich ein Fußbad auf dem Balkon nehme.“ Leider, meint sie, sei das Bedürfnis, die Füße zum Hai in die Plastikwanne zu stecken, in diesem Sommer aber bisher eher mäßig.

neuköllner schätze, hai

Die Ostfriesen erobern Neukölln

Schlimme Zustände stehen Neukölln bevor, wenn erst die Schwaben – auf direktem Wege oder nach einem Zwischenstop in Prenzlauer Berg – invasionsartig in den Bezirk einfallen und ihn mit Traditionellem wie Spätzle und Kehrwoche beglücken: Davor wird immer wieder gewarnt.

Vor Migranten aus dem Norden Deutschlands, beziehungsweise speziell aus Ostfriesland, warnt niemand. Gut möglich, dass noch weitgehend unerforscht ist, welche Auswir- kungen eine wachsen- de Durchmischung Neuköllns mit Water- kantlern hätte. Dabei ist für jeden, der ge- nauer hinguckt, im öffentlichen Raum er- sichtlich, dass die längst begonnen hat.

Ein Teebeutel, der an einer Hauswand klebt: Ganz klar, hier hat jemand eine spontane Trainingseinheit des ostfriesischen Nationalsports Tee- beutelweitwurf eingelegt. Es wird nur noch eine Frage der Zeit sein, bis auf dem Tempelhofer Feld tideunabhängige Wattwanderungen angeboten und auf den Lan- debahnen Wettkämpfe im Boßeln durchgeführt werden. Und wer glaubt denn ernsthaft, dass die Nachfrage nach Gummistiefeln für Erwachsene, die in diesem Jahr auch in Neukölln sprunghaft gestiegen ist, einzig aus dem Wetter  resultiert? Trainingsgeräte sind das – für die in Ostfriesland ebenfalls sehr beliebte Sportart Gummistiefelweitwurf. Elk sien pläseer!

=ensa=

Wähler fragen, Neuköllns Politiker antworten

Noch fünf Wochen, dann sind die Wahlen fürs Ber- liner Abgeordnetenhaus und die Bezirksverordne- tenversammlungen gelau- fen. Genau ein Tag we- niger bleibt für die Ent- scheidung, wo man die Kreuze auf dem Wahlzettel machen will. Um die zu er- leichtern, gibt es beispiels- weise abgeordneten- watch.de, eine Internet- plattform, auf der Wähler Fragen an die Kandidierenden richten können.

50 Kandidaten der sechs Neuköllner Wahlkreise sind auf dem Portal vertreten – mit oder ohne Foto, mit Informationen zur Person oder der deutlich dokumentierten Ambition, ihre Privatsphäre wahren zu wollen.

Spitzenreiter in Sachen Quantität ist derzeit mit acht Fragen, von denen bereits sieben sehr zeitnah beantwortet wurden, Joschka Langenbrinck (SPD). Auch Ehssan Khazaeli (DIE FREIHEIT) und Florian Kluckert (FDP) liegen mit jeweils fünf Fragen und fünf Antworten ganz weit vorne. An 20 Kandidaten wurden indes noch gar keine Fragen gerichtet. Semih Kasap, Benjamin Meyer und Anne Helm, die alle für die  angeblich so internetaffine PIRATENPARTEI antreten,  gehören nicht zu den Un- befragten. Mit Semih Kasap haben sie dennoch ein Schlusslicht in ihren Reihen: Seit nunmehr 11 Tagen lässt der Kandidat einen potenziellen Wähler mit seiner Frage zum Bildungssystem im Regen stehen. Aber keine Antwort ist ja manchmal auch eine Antwort, aus der sich Schlüsse ziehen lassen.

=ensa=

Neuköllner Schätze (2)

Heute geht es mit unserer Sommer-Serie Neuköllner Schätze weiter. In der zeigen wir in lockerer Reihenfolge Dekoratives, Nützliches oder auch Skurriles, das sonst weitgehend verborgen bleibt. Denn obwohl Balkone zwar der mit Abstand öffent- lichste Teil einer Wohnung sind, ist für Passanten meist nur Grünendes oder Blühendes sichtbar – nicht aber:

der Gute-Laune-Frosch. Seine Besitzerin bekam ihn von einer sehr guten Freundin geschenkt, als es ihr ziemlich schlecht ging. Das ist schon eine Weile her, doch von seiner Wirkung hat der Frosch, der vor einigen Monaten von der Küche auf den Balkon umgezogen wurde, nichts verloren: „Wenn ich den anguck, muss ich immer grinsen.“

Die Mauer in Neukölln

„Wo stand denn die Mauer?“ Das fragen sich vor allem Berlin-Touristen, aber auch viele Berliner, die zu jung sind, um sie miterlebt zu haben, oder erst nach dem Fall der innerstädtischen Grenze zu Berlinern wurden. Diejenigen hingegen, die vis-à-vis mit der Berliner Mauer gelebt haben, tragen ihren Anblick im Gedächtnis mit sich herum wie die Erinnerung an die erste Liebe, den Tod enger Familienangehöriger, 9/11 oder das erste eigene Auto. „Hier stand das Monstrum, direkt vor unserer Nase!“, sagt ein Neuköllner, der seit eh und je in der Hei- delberger Straße wohnt.

Eine doppelte Pflastersteinreihe erinnert an den Wall, der die Straße von 1961 bis 1989 in West und Ost teilte. An der Ecke wur- de eine Gedenktafel für Heinz Jercha aufgestellt, der 25 Menschen durch einen der vielen Fluchttunnel unter der Sektorengrenze in der Heidelberger Straße in die Freiheit führte und am 27. März 1962 an dieser Stelle erschossen wurde. Insgesamt mindestens 136 Menschen Weiterlesen

Sonderbehandlung für den Neuköllner Schillerkiez

Rund 21.000 Menschen leben im Neuköllner Schillerkiez. Damit liegt das Quartier zwischen Hermann- und Oderstraße einwohnermäßig zwischen einer Klein- und einer Großstadt. Für die Discounter-Kette LIDL hat der Kiez jedoch derzeit den Charakter eines Dorfes. Dafür spricht jedenfalls der Bus-Shuttle, der während der Komplettsanierung der Filiale in der Hermannstraße kostenlos für die Kunden bereitgestellt wird. „In Städten ist das schon etwas sehr Seltenes“, sagt Petra Trabert von der Pressestelle des Unternehmens. „Normaler- weise bieten wir so einen Service nur in länd- lichen Gebieten an.“

Noch bis morgen pendelt der komfortable, weiße 25-Sitzer zwischen der Hermannstraße und der einen Kilometer entfernten LIDL-Filiale in der Donaustraße: Vier Jungs sichern sich eilig vier Doppelsitze.  „When The Rain Begins To Fall“ von Jermaine Jackson und Pia Zadora dringt aus dem Lautsprecher des Radios im Bus, draußen scheint gerade mal die Sonne.  Der Fahrer biegt an der Kienitzer Straße in den Schil- lerkiez ein, fährt auf der Weise- bis zur Herrfurthstraße. Die meisten Anwohner scheinen sich mittlerweile an den Anblick des Klein- busses gewöhnt zu haben. Anfangs vermuteten man- che, dass Touristen in ihm unterwegs sind, die eine Stadtrundfahrt machen. Auf der Werbellinstraße geht es hinunter, immer geradeaus, bis der Bus am Stadtbad links in die Donaustraße abbiegt. „Da sind sie!“, schreit einer der Jungs. Am Einkaufen ist das Quartett offenbar nicht interessiert: Der Bus ist für sie eine kostenlose Ferien- attraktion. Ein mobiler Ort, an dem man sich mit Kumpels trifft, die ebenfalls nicht verreist sind. Vorher, sagen sie, seien sie noch nie in dieser Straße gewesen. Sie steigen aus und begrüßen ihre drei Freunde, die an der improvisierten Haltestelle vor der LIDL-Filiale zwischen Sonnenallee und Karl-Marx-Straße gewartet hatten.

Zwei Frauen mit diversen prallvollen Plas- tiktüten und insgesamt sechs Kindern stei- gen ein. Wenn es diesen Bus nicht gäbe, hätten wir wirklich ein Problem, geben sie zu. Ein Paar im Seniorenalter nimmt in der ersten Sitzreihe auf der rechten Seite Platz: „Wir könnten ja auch gratis mit der BVG zum Einkaufen fahren, aber so ist es schon bequemer.“ Der Busfahrer ist an der hin- teren Tür damit beschäftigt, einen Ju- gendlichen im Rollstuhl in den Bus zu schieben. Dessen Mutter wuchtet ihren schweren Einkaufskorb auf einen Sitz. Die Fahrgäste dieser Tour sind repräsentativ für das, was Petra Trabert sagt und letztlich zur Einrichtung des Bus-Shuttles veranlasste: „Das Klientel  von unserer Filiale in der Hermannstraße ist zumeist fußläufig.“

Als der Fahrer sich wieder auf seinen Sitz fallen lassen hat und gerade die Türen schließen will, steigt noch eine Frau zu. Nichts deutet darauf hin, dass sie einen Einkauf hinter sich hat. Sie fahre eine Freundin besuchen, die in der Herrfurthstraße wohne, sagt sie schmun- zelnd. Dicke graue Wol- ken haben sich über dem Zentrum Neuköllns zu- sammengebraut, „Sun- shine Reggae“ von Laid Back schallt durch den Bus. Nach wenigen Minuten ist das Ziel in der Her- mannstraße erreicht. Noch steht ein Bauzaun vor der LIDL-Filiale. Spätestens Montag wird der weg sein, denn um 8 Uhr soll der in neuem Glanz erstrahlende Discounter wiedereröffnet werden.

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