Der Anfang ist gemacht, jetzt soll es weitergehen

„Ich hatte schon länger die Idee, ein kreatives Projekt mit geflüchteten Frauen zu machen“, berichtete Annette Heppel (l.), Kursleiterin des Nähkurses „Kreativcafé Al-Huleh“ heppel_naehgruppe_kreativcafe-al-huleh_neukoellnbei der Abschlusspräsentation ihres Projektes am vergangenen Sonnabend in den Räumen des Wohltätigkeitsvereins Al-Huleh in der Neuköllner Weisestraße.

Fast 10.000 Euro konnte Heppel in Zusammen-arbeit mit Samira Tanana (2. v. r.), der stellver-tretenden Vorsitzenden des palästinensischen Vereins einwerben. Al-Huleh übernahm die Projektträgerschaft des Kreativcafés und stellte die Räume zur Verfügung. „Im Sommer 2016 haben wir den Projektantrag bei der Senatsverwaltung Weiterlesen

Einladung zum Gespräch über Ideen, Vorstellungen und Wünsche für Neukölln

schwarzer_wahlkreisbuero neukoelln„Was denken Sie, mit welchen Problemen die Leute hierher kommen?“, fragt Christina Schwarzer. „Zu 90 Prozent mit Problemen aus dem Kiez, die Null mit dem Bundestag zu tun haben“, gibt die vor 39 Jahren am Mariendorfer Weg in Neukölln Geborene selber die Antwort. Seit September 2013 ist sie für die CDU im Bundestag und hält seitdem einmal monatlich in buergerdialog christina schwarzer_neukoellnihrem Wahlkreisbüro in Britz eine Bürgersprech-stunde ab: Neuerdings steht diese unter dem Motto „Schwarzer, wir müs-sen reden“, wird als „neue Reihe des Bürgerdialogs in Neukölln“ proklamiert, ist aber im Kern nichts wirklich Neues, weil die Einladung zum Weiterlesen

Ganz die Mutter

Zieht man die Österreicher und Schweizer ab, bleiben rund 135.700 Menschen aus clipart wortwolke willkommen144 Nationen, die in Neukölln wohnen und nicht mit der Muttersprache Deutsch aufwuch-sen bzw. bei denen das Familienleben von der Sprache des Herkunftslandes geprägt ist. Dazu kommen Zuzügler aus anderen Bundes-ländern, die muttersprachlich mit dem Dialekt ihrer Heimatregion sozialisiert wurden.

Insgesamt sind es etwa 6.000 Sprachen, die weltweit gesprochen werden. Um den Ge-brauch der Muttersprache, die Sprachen-vielfalt und das Bewusstsein für sprachliche Traditionen zu fördern, rief die UNESCO im Jahr 2000 den Internationalen Tag der Mutter-sprache ins Leben – und der ist heute.

„Nicht aufgeben und mit den Kindern reden, reden, reden!“

piekara_uensal_hoops_daz-fachabend jugend-delinquenz_neuköllnWenn Kinder und Jugendliche straffällig werden, spüren die am Strafverfahren beteiligten Fach-kräfte von Justiz, Polizei und Jugendhilfe immer wieder, wie wichtig das familiäre Umfeld ist. Welche Rolle spielt aber tatsächlich die Familie bei der Straffälligkeit? Wie gehen Eltern mit dem delinquenten Verhalten ihrer Kinder um? Gibt es Unterschiede bei Familien mit Migra-tionsgeschichte? Über diese Fragen tauschten sich am vergangenen Mittwoch beim Fachabend „(Mit)Schuldige oder Ressource – Familien- und Angehörigenarbeit bei straffälligen Jugendlichen“ gut 60 Gäste im Deutsch-Arabischen Zentrum in Neukölln aus. Eingeleitet wurde Weiterlesen

Auch sie sind Neukölln!

Eine Ausstellung, die in mehrfacher Hinsicht eine besondere ist, zeigt derzeit das Rathaus Neukölln: Zum einen war ihre Eröffnung die letzte Amtshandlung von Bil- dungsstadträtin Franziska Giffey (r., neben  Ausstellungsinitiatorin Annette  Wallentin),

ausstellung wir in neukölln_rathaus neukoelln vernissage wir in neukölln_rathaus neukölln

zum anderen portraitiert „Wir sind Neukölln!“ Menschen, die einem tagtäglich im Be- zirk über den Weg laufen können. Oder fahren, wie im Fall von Aydin Akin, der mit Tril- lerpfeife, Lautsprecher und Plakaten omnipräsent für das kommunale Weiterlesen

Wo kämen sie auch hin?

„Zustände wie in Neukölln, die wollen wir nicht“, ist nur eines der Statements, die gestern bei der Pegida-Pressekonferenz in Dresden fielen. Angesichts der  Warnhin-

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weise, die in Neukölln an etlichen Laternenpfählen und Ampelmasten kleben, ist dieses Ressentiment durchaus nachvollziehbar.

„Ich wollte nicht, dass die Leute denken, ich hätte als Jude jetzt Angst in Neukölln rumzulaufen“

(v. l.: Hannah Tzuberi, Shahak Shapira, Sultan Doughan und Armin Langer)

(v. l.: Hannah Tzuberi, Shahak Shapira, Sultan Doughan und Armin Langer)

Zu einer Gesprächsrunde über das Span- nungsverhältnis von Antisemitismus und Islamophobie, hatte gestern die Salaam-Schalom Initiative zusammen mit der Bür- gerstiftung Neukölln in den Neuköllner Leuchtturm eingeladen. „Wie wird Anti- semitismus (nicht) instrumentalisiert?“, fragten die Veranstalter und fanden damit so viel Publikumsinteresse, dass kein Stuhl des Ausstellungs- und Begegnungs-zentrums im tiefsten Nord-Neukölln leer blieb. Eine eindeutige Antwort gab es an diesem Abend nicht. Dafür aber einen umfassenden Einblick, was Berliner Juden, die nicht meinen, dass Neukölln wegen gewaltbereiter Moslems eine Weiterlesen

Geschichte auf der Bühne: Heimathafen Neukölln plant Stück über Verfolgte im Nationalsozialismus und hofft auf das Mitwirken vieler Neuköllner

heimathafen neukölln_saalbau neukölln„In Neukölln lagerten die ‚Judenmöbel‘ im städtischen Saalbau.“ Es war dieser Satz auf Seite 457 des Buches „Zehn Brüder waren wir gewesen …“, der Julia von Schacky und Stefanie Aehnelt wieder an eine Idee erinnerte. „Wir wollten schon lange ein Stück machen, das sich mit dem Nationalsozialismus im Bezirk beschäftigt“, sagt letztere, die zu den Gründerinnen des Heimathafens Neukölln gehört und dessen Geschäfts-führung übernommen hat. Aus zeitlichen Gründen seien großer saal_saalbau neuköllnsie jedoch bisher nicht dazu gekommen. „Von der Saalbau-Vergangenheit in der Nazi-Zeit ist ja leider nicht viel bekannt“, er- gänzt von Schacky, Regis-seurin im Heimathafen-Team. „Deshalb war uns klar, dass ein so extrem retroperspektiver Ansatz sehr aufwändig werden würde. Und was dabei rauskommt, ist völlig unklar.“ Zumal es den Frauen vom Weiterlesen

Aus aller Welt gekommen, als Deutsche gegangen: Etwa 1.000 Menschen werden jährlich in Neukölln eingebürgert

deutschland-fahne_bezirkswappen_rathaus neukölln„In meinem Alltag ändert sich bestimmt nichts. Ich werde ja durch den deutschen Pass kein anderer Mensch“, ist sie überzeugt, als sie den BVV-Saal des Neuköllner Rathauses betritt. In ihrer Hand: die italienische Carta d’Identita, ein DIN A4-Bogen mit den Noten und dem Text der deutschen Nationalhymne sowie der Pro- grammzettel für den  „Festakt anlässlich der Übergabe von Einbürgerungsurkunden“.  An- dere, die ebenfalls an diesem Nachmittag zu Deutschen ernannt werden, sehen es ähnlich. Das Reisen und formelle Ange- legenheiten würden mit dem neuen Pass leichter, und dass er künftig bei Wahlen seine Stimme abgeben dürfe, sei auch ein Privileg, meint ein Weiterlesen

Irgendwer jubelt immer

Gestern begann, was erst heute in einem Monat wieder enden wird: die 20. Fußball-Weltmeisterschaft. Teams aus 32 Ländern spielen in Brasilien um die begehrteste Kicker-Trophäe, die zuletzt von den Spaniern gewonnen wurde. Ob sie den Titel vertei- digen können, wird sich zeigen. Ebenso, wie weit  Deutschland und Gastgeber Brasi-

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lien beim FIFA World Cup kommen. Schon jetzt ist indes sicher: In Neukölln kann nach jedem Spiel gefeiert werden, das nicht unentschieden endet, weil Menschen aller WM-Teilnehmernationen hier leben. Manchmal sind es nur Weiterlesen

Neue Deutsche in Neukölln

Hinter mir sitzen die vermutlich jüngsten Besucher des Abends, zwei Mädels Anfang 20; das Durchschnittsalter der anderen liegt in etwa bei 40 Jahren. Zu meinem Leidwesen fängt die Buchpremiere für „Wir neuen Deutschen“ von Özlem Topçu, Alice Bota und Khuê Pham mit viertelstündiger Verspätung an. So komme ich in den buchpremiere "wir neuen deutschen", heimathafen neukölln, özlem topcu, alice bota, khue pham, foto: anna sinnlosausgiebigen Genuss zwei- felhafter intellektueller Er- güsse der beiden Jüngs- ten.

Ich hoffe, dass sich solche Gespräche nicht durch den Abend ziehen und habe erstmal Glück: Eine Drei- viertelstunde lang lesen die drei Autorinnen im Saal des Heimathafen Neukölln aus ihrem absolut empfehlenswerten Buch. Alle drei sind Redakteurinnen bei der „Zeit“, alle drei im Bereich Politik, aber um diese geht es eben nicht in ihrem Buch.

Alle drei waren Kinder und sind nun Erwachsene, alle drei um die 30, mit Migrationshintergrund. Keine „echten“ Deutschen, aber auch keine Türken, Polen oder Vietnamesen. Irgendwas dazwischen eben. Und sie erzählen von den Immigrationsversuchen ihrer Eltern, ihren Bemühungen und Wünschen dazu zu gehören und den Vorurteilen der Menschen, in dem Land, in dem sie teilweise auch geboren wurden. Natürlich geht es auch um die Länder, aus denen ihre Eltern stammen. Auf äußerst angenehme Weise sind sie dabei nicht vorwurfs- sondern khue pham, buchpremiere "wir neuen deutschen", heimathafen neukölln, foto: anna sinnlossehr humorvoll.

Absolutes Schweigen herrscht im großen Saal, während die drei lesen. Alle sind mitgerissen von der Ankunft eines 19-jährigen, unterernährten vietnamesischen Mädchens, das in einem Seidenkleid und Sandalen im tiefsten Winter vor den verschlossenen Türen des Münchner Goethe-Institutes steht und zum ersten Mal Schnee sieht. Es ist Sonntag – und alice bota, buchpremiere "wir neuen deutschen", heimathafen neukölln, foto: anna sinnlosniemand wird Khuê Phams Mutter öffnen. Es wird gelacht, weil der polnische Papa von Alice Bota immer noch Wannebade und Kammerspeise sagt und Loriots Sketche auswendig kann. Und weil Özlem özlem topcu, buchpremiere "wir neuen deutschen", heimathafen neukölln, foto: anna sinnlosTopçus türki- sche Mutter vor der Karstadt-Fleischtheke steht und gackert, weil sie das deutsche Wort Hühnchen nicht kennt.

Im Grunde hätte mir der Abend so schon gereicht, weil die drei Autorinnen sehr herzergreifend aus ihrem Buch vorlesen und wohl allen klar wird: Hier wird nicht verurteilt und abgerechnet, sondern hier geht es wirklich um drei Menschen, die den Zusatz „mit Migrationshintergrund“ einfach nicht mehr wollen, weil sie schlicht und einfach Teil unserer Gesellschaft sein wollen. Da die Gesellschaft sie so aber nicht anerkennt, werden sie zu den „neuen Deutschen“ und schaffen sich ihren eigenen Platz, zwischen „Bio- deutschen“ und Migranten.

Ein leider etwas fade wirkender Moderator, der mit der Schlagfertigkeit der Autorinnen nicht annähernd mithalten kann, stellt gezielte Fragen zu den im Buch angesprochenen Themen. Teilweise wirken sie schlicht überflüssig. Da profitiert das Publikum umso mehr von der  Argumentation  und dem  Humor  der drei Frauen.

Am Ende dürfen auch Fragen gestellt werden, das Bedürfnis haben allerdings nur wenige. Ob es in dem Buch auch um Rassismus ginge, will eine Fragenstellerin wissen, die dann so dermaßen selbstherrlich in ihrem eigenen pseudointellektuellen Geschwafel erblüht, dass das Publikum sie unfreundlich ausbremst. Da vermutlich niemand – inklusive der Frau selbst – die Frage verstanden hat, muss diese unbeantwortet bleiben. Meine anfänglichen Befürchtungen bewahrheiten sich also nicht wirklich. Es geht wenig um Rassismus, denn das Anliegen des Buches ist ein anderes. Es geht nicht um Mitleidheischerei, sondern ums Erzählen, ums Auf- buchpremiere "wir neuen deutschen", heimathafen neuköllnmerksammachen und darum eine Brücke zu schlagen.

Und ich finde, Özlem Topçu, Alice Bota und Khuê Pham ist es ausgesprochen gut gelungen auf ihr Thema aufmerksam zu machen. Ich kann nur jedem empfehlen, dieses Buch zu lesen, es sich zu Herzen zu nehmen und selber einmal zu schauen, ob man nicht auch das Gegenüber irgendwie ausgrenzt, weil man betont langsam und deutlich spricht, nur weil die Hautfarbe des anderen so anders ist.

Das beim Rowohlt Verlag erschienene Buch „Wir neuen Deutschen“ hat 176 Seiten und kostet 14,95 €.

=Anna Sinnlos=

Die Fußball-EM wirft ihre Schatten voraus

neukölln, fußball-em 2012, balkon-flagge deutschlandNoch zehn Tage, dann beginnt die Fußball-EM 2012, und mit jedem Tag, den sie näher rückt, wird es in Neukölln bunter. Denn außer 186.665 potenziel- len Deutschland-Fans,  sprich: Neuköllnern ohne Migrations- hintergrund, sind Menschen aus allen 16 Ländern, die an der EURO 2012 teilnehmen, mehr oder weniger reichlich im neukölln, fußball-em 2012, balkon-flagge portugalBezirk vertreten: 5.747 stammen aus Polen, 1.207 aus Griechen- land, 583 aus Russland, 126 aus Tschechien, 386 aus den Niederlanden, 232 aus Däne- mark, 263 aus Portugal, 863 aus Spanien, 1.846 aus Italien, 155 aus Irland, 1.501 aus Kroatien, 466 aus der Ukraine, 337 aus Schweden, 873 aus England und 1.172 aus Frank- reich (Stand: 30.6.2011). Für Fanartikel-Hersteller bieten sich folglich paradiesische Zustände und ein breitgefächerter Absatz- markt.

Inzwischen dürfte die Zahl der Einwohner Neuköllns, die vor knapp einem Jahr bei 309.682 (Stichtag in 2010: 305.230) lag, sogar noch um einiges ange- wachsen sein, und gefühlt hat sich der Anteil der Spanier deutlich erhöht. Die Fans wel- cher Mannschaft am längsten und lautesten jubeln dürfen, wird sich zeigen. Auch, ob in zehn Tagen statt Decken, Kis- sen und Teppichen nur noch Flaggen gelüftet werden.

Neue Heimat Böhmisch-Rixdorf

Heute, wirklich genau heute vor 275 Jahren, am 25. März 1737, erreichten die ersten böhmischen Zuwanderer Berlin. Sie wurden in der südlichen Friedrichsstadt und in Rixdorf untergebracht. Eingeladen waren sie vom preußischen König Friedrich Wilhelm I. höchstpersönlich.

Was war geschehen? Auf der einen Seite hatte sich in weiten Landstrichen Preußens die Bevölkerung vom Aderlass des 30-jährigen Krieges noch nicht erholt, als sie von der Pest weiterhin zahlenmäßig reduziert wurde. Auf der anderen Seite gab es nach der gewaltsamen Rekatholisierung in Böhmen in den nördlich angren- zenden Gebieten Hunderte von Glaubenflüchtlingen: Manch Böhme ward – das ist bekannt – dem Kelch zuliebe Exulant.

So war es weniger ein Akt der Huma- nität als vielmehr ein wirtschaftliches Kalkül, das den Soldatenkönig bewog, in Rixdorf neun Doppelhäuser für je zwei Familien und neun Scheunen mit Kammern für sogenannte Einlieger errichten zu lassen. Dazu erhielt jeder Ackerwirt zwei Pferde, zwei Kühe und das nötige Ackergerät.

Das Leben der Parallelgesellschaft in Böhmisch-Rixdorf begann, und die Ureinwohner in nunmehr Deutsch-Rixdorf waren über diese Entwicklung herzlich wenig begeistert. Die „Neuen“ – sie stammten übrigens fast alle aus Böhmisch-Rothwasser – wurden argwöhnisch beäugt, sprachen sie doch eine fremde Sprache (Tschechisch), brachten ihre Musik und Trachten mit und hatten auch sonst ganz andere Sitten und Gebräuche. Und sie dachten nicht im Traum daran, sich zu integrieren oder gar zu assimilieren.

Ihre Gottesdienste – es gab die der Evangelisch-reformierten Bethlehemsgemeinde, der Evangelisch-böhmisch-lutherischen Bethlehemsgemeinde und der Evangelischen (Herrnhuter) Brüdergemeine – wurden bis zum ersten Weltkrieg in ihrer Muttersprache gehalten. Jede der drei Gemeinden hatte ihre eigene böhmischer gottesacker, neuköllnKirche, bzw. ihren eigenen Betsaal. Sie hatten auch einen (dreigeteilten) eigenen Friedhof, den Böhmischen Gottesacker. Hier wurden die Grabsteine immerhin bis 1820 zweisprachig, danach erst in Deutsch beschriftet. Das Grundstück für den Friedhof wurde ihnen übrigens 1751 von den deutschstämmigen Rixdorfern zugewiesen, weil diese es für nicht „anständig“ hielten, dass auf dem ihrigen weiterhin die Fremden bestattet wurden.

Ein weiteres Sprachrelikt ist auf dem Straßenschild der Kirchgasse zu finden. Ein Zusatzhinweis soll belegen, dass diese Gasse bis 1909 Mala ulicka, also Enge Gasse hieß.

Wurde auch lange Zeit der Entscheid des Hohenzollern von den Deutsch-Rixdorfern missbilligt, so schmückt sich Neukölln inzwi- schen mit seinem Böhmischen Dorf, ge- rade weil sich hier viel von dem Besonderen der ehemaligen Exu- lanten erhalten hat und gepflegt wird. Auch das im September 2005 eröffnete Museum im Böhmischen Dorf ist aus dem Bezirk längst nicht mehr wegzudenken.

Anlässlich des heutigen Jubiläums findet um 11 Uhr in der Französischen Friedrichstadtkirche am Gendarmenmarkt ein Gottesdienst (u. a. mit Pfarrer Bernd Krebs von der Ev.-ref. Bethlehemsgemeinde) zum Gedenken an die böhmische Einwanderung statt. Teile davon werden in tschechischer Sprache gehalten.

=kiezkieker=

Platt in Neukölln

Neukölln hat nun seinen eigenen Begegnungsort für gestrandete Nordlichter: Die Muschelschubser haben  vor einigen Tagen spontan bei Facebook eine Gruppe gegründet und auch schon ein erstes Treffen in der realen statt der vir- tuellen Welt abgehalten.

Zusammen kam die Gruppe aus ein und demselben Grund. Sie wollen ihre Kultur hochhalten und Platt in Neukölln schnacken. Natürlich sind auch Kohlfahrten mit Boßeln und Köm geplant.

Viele der Mitglieder bekannten sich dazu, dass sie der plattdütschen Sprache nicht ganz mächtig sind. Verstehen ist nicht das Problem, beim Schnacken stoßen die meisten aber noch an ihre Grenzen. Dies soll mit viel Fleiß und Spaß in den nächsten Wochen und Monaten geändert werden.

Da das erste Treffen im „Ungeheuer“ im Körnerkiez sehr spontan war, konnten leider nur zwei Nordlichter teilnehmen, die platt in neukölln, stammtisch für norddeutsche, plattdeutsch lernenan- deren waren per Facebook zugeschaltet. Lustig ging es trotzdem zu. Bei einer ostfriesische Teezeremonie wurden die Lehrbücher ausgewählt und die ersten Ideen für zukünftige Treffen skizziert.

Die Treffen sollen alle 14 Tage statt- finden – öffentlich im „Ungeheuer“ und fürs harte Büffeln und die ersten Sprach- versuche in den Räumlichkeiten der aus Bremen stammenden Heilpraktikerin Kena Maier im Neuköllner Leuchtturm.

Wer sich angesprochen fühlt, aus Norddeutschland kommt, Platt lernen oder schnacken möchte, der ist herzlichst eingeladen und kann auch telefonisch Kontakt zu den Muschelschubsern aufnehmen: 030 – 303 467 11

=kena=

Die Ostfriesen erobern Neukölln

Schlimme Zustände stehen Neukölln bevor, wenn erst die Schwaben – auf direktem Wege oder nach einem Zwischenstop in Prenzlauer Berg – invasionsartig in den Bezirk einfallen und ihn mit Traditionellem wie Spätzle und Kehrwoche beglücken: Davor wird immer wieder gewarnt.

Vor Migranten aus dem Norden Deutschlands, beziehungsweise speziell aus Ostfriesland, warnt niemand. Gut möglich, dass noch weitgehend unerforscht ist, welche Auswir- kungen eine wachsen- de Durchmischung Neuköllns mit Water- kantlern hätte. Dabei ist für jeden, der ge- nauer hinguckt, im öffentlichen Raum er- sichtlich, dass die längst begonnen hat.

Ein Teebeutel, der an einer Hauswand klebt: Ganz klar, hier hat jemand eine spontane Trainingseinheit des ostfriesischen Nationalsports Tee- beutelweitwurf eingelegt. Es wird nur noch eine Frage der Zeit sein, bis auf dem Tempelhofer Feld tideunabhängige Wattwanderungen angeboten und auf den Lan- debahnen Wettkämpfe im Boßeln durchgeführt werden. Und wer glaubt denn ernsthaft, dass die Nachfrage nach Gummistiefeln für Erwachsene, die in diesem Jahr auch in Neukölln sprunghaft gestiegen ist, einzig aus dem Wetter  resultiert? Trainingsgeräte sind das – für die in Ostfriesland ebenfalls sehr beliebte Sportart Gummistiefelweitwurf. Elk sien pläseer!

=ensa=

Glückliches Moldawien

Der European Song Contest-Drops ist gelutscht und es waren weder Lena, noch der im Vorfeld hoch gehandelte französische Tenor, die richtig viel davon abbekommen haben. Stattdessen gab es für Ell/Nikki aus Aserbaidschan, Raphael  Gualazzi, den Überraschungs-Zweiten aus Italien, und den Schweden Eric Saade reichlich Punkte-Futter.

Fast genau zwischen Deutschland und Frankreich, nämlich auf dem 12. Rang, reihte sich bei den Platzierungen die Band Zdob și Zdub ein, die für Moldawien antrat. Eine von Rumänien und der Ukraine umgebene Republik, die insgesamt nur rund 100.000 Einwohner mehr als Berlin hat und am Stichtag 30.6.2010 mit gerade mal 49 Leuten in Neukölln vertreten war.

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=ensa=

Griechisches Leben in Neukölln

„Etwa 2000 Griechen leben aktuell in Neukölln“, schätzt Niki Reister vom Vorstand griechisches leben in neukölln, to spiti e.v.,interkulturelles  zentrum genezareth,apostolos mavrogiorgosdes Vereins To Spiti, der in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen feiert und damit das älteste interkulturelle Zentrum Neuköllns ist.

Zum Geburtstag hat sich der Verein eine sehenswerte Ausstellung geschenkt: Sie heißt „Griechisches Leben in Neukölln“ und lädt ein, zehn Menschen mit griechischen Wurzeln kennen zu lernen, etwas über deren Lebenswege und Ansichten zu erfahren.

Dimitris Voulgarakis ist mit 36 Jahren der jüngste Portraitierte, Theophilos Spiropoulos mit 85 Jahren der älteste. Ersterer wurde in Neukölln geboren, wuchs gemeinsam mit seinem Bruder Markos im Bezirk auf und lebt heute in Charlottenburg: Griechenland sei die Heimat ihrer Eltern, sagen die Brüder. Ganz anders sieht die Migrationsgeschichte des Seniors der Ausstellung aus. Er kam in Mazedonien zur Welt und erst vor 37 Jahren mit seiner Frau Anastasia nach Neukölln. 1977 unternahmen sie einen Versuch, wieder in Griechenland Fuß zu fassen, kamen jedoch bald wieder nach griechisches leben in neukölln, to spiti e.v.,interkulturelles zentrum genezareth,theophilos spiropoulos,anastasia spiropoulouNeukölln, das sie als „zweite Heimat“ bezeichnen, zurück. Hier möchten sie auch irgendwann begraben werden – „neben den Freunden auf dem Fried- hof am Hermannplatz“.

So weit denkt Apostolos Mavro- giorgos (Foto oben) noch nicht, doch es gibt eine andere Parallele zur Biographie von Theophilos Spiro- poulos: Auch der heute 39-Jährige, der in Berlin geboren wurde, migrierte kurzfristig von Deutschland nach Griechenland. Nach dem Realschulabschluss stellte er bei der Suche nach griechisches leben in neukölln, to spiti e.v.,interkulturelles zentrum genezaretheinem Ausbildungsplatz als Kfz-Mechaniker bei deutschen Autowerkstätten fest, dass es schon ob des Namens Aner- kennungsprobleme gebe. Das gelte noch heu- te, sagt er. Die Lehre machte er schließlich bei den US-Streitkräften. Weil seine deutschen Zeugnisse und Zertifikate jedoch in Grie- chenland nicht akzeptiert wurden und er keine Arbeit fand, brach er das Experiment, in der Heimat der Eltern zu leben, ab und kehrte nach Neukölln zurück, wo er noch heute mit seiner Frau und den drei Kindern lebt.

Die bilinguale Ausstellung „Griechisches Leben in Neukölln“ ist noch bis zum 26. November im Interkulturellen Zentrum Genezareth zu sehen (Öffnungszeiten: Mo. 8 – 14 Uhr, Di. – Fr. 8 – 18 Uhr, Sa. 11 – 17 Uhr).

Am 19. November  um 17 Uhr findet dort ein Erzählcafé mit Portraitierten der Ausstellung statt; zur Finissage gibt es ab 18 Uhr einen Vortrag von Prof. Thomas Eppenstein zum Thema „Interkulturelle Heimatfindung“.

=ensa=