Weit unten und weit oben: Neue Farbtupfer gegen die Tristesse der Kachelwand

„Zweiter Gang, den Wagen einfach rollen lassen, sechs Stundenkilometer!“ Dr. Christian Hoffmann, Sprecher des Quartiersrates Flughafenstraße und Bezirksverordneter der Grünen im Rathaus Neukölln wurde an diesem Vormit-tag nicht müde, Autofah-rerinnen und -fahrer in der Neckarstraße daran zu erinnern, welche Regeln seit acht Mona-ten in der Spielstraße gelten und wie sie fahrtechnisch einzuhalten sind. „Warum ich Ihnen das sage?“, antwortete er auf eine Frage verdutzt: „Damit die Kinder die Spielstraße endlich als Spielstraße erobern können!“ Kinder Weiterlesen

In drei Räumen von Neuköllns Vorzeit bis in die Zukunft

war-ist-wird sein_gegenwart_galerie im saalbau neukoellnMan muss durch die Gegenwart, um in die Vergan-genheit zu kommen. Was macht das Leben in der Karl-Marx-Straße im Jahr 2016 aus? Dieser Frage gehen die Exponate nach, die derzeit im Zentrum der war-ist-wird sein_vergangenheit_galerie im saalbau neukoellnGalerie im Saalbau aus-gestellt werden.

Nur wenige Schritte weiter beginnt, in einem mit schwarzem Stoff verklei-deten Raum, die Historie. Wie lebte es sich im Jahr 1916 in Neukölln, als der erste Weltkrieg auf dem Höhepunkt war und Frauen noch kein Wahlrecht besaßen? Auch diesem Aspekt sind rund 60 Sechstklässler der Hermann-Boddin- und Richard-Schule gemeinsam mit Künstlern, Weiterlesen

Dabei sein ist alles

flughafenkiez-olympiade_tempelhofer feldBis zum Beginn der Olympischen Spiele in Rio sind es noch drei Wochen und drei Tage, aber auf dem Tempelhofer Feld werden heute schon Medaillen verliehen: Noch bis zum Nachmittag tragen dort, initiiert vom bwgt e. V., Klassen der Neuköllner Hermann-Boddin- und Albert-Schweit-zer-Schule zum fünften Mal die Flughafenkiez-Olympiade aus. Der Wettkampfgedanke ist dabei allerdings zweitrangig. Im Vordergrund steht die Möglichkeit, an diversen, von Vereinen organi-sierten Stationen im Unterrichtsstunden-Takt klassische oder  Weiterlesen

Alter Ort, neuer Spaß

schaukeln_boddin-spielplatz neukoellnDas letzte Dreivierteljahr war hart für Kinder, die rund um den Boddinplatz wohnen. Ihr Spielplatz an der Kreuzung Boddin-/Mainzer Straße hatte seinen Attraktivitätszenit zwar schon lange überschritten, aber einer mit geringem Spaßfaktor ist doch blesing_eroeffnung boddinspielplatz neukoellnbesser als ein gesperrter – und den hatten sie seit Juli. Donnerstag wurde der Boddinspielplatz, wie er im Kiez genannt wird, nach neunmonatiger Umgestaltung endlich von Neuköllns Bau-stadtrat offiziell wiedereröffnet.

In doppeltem Sinne verspätet, räumte Thomas Blesing (l.) ein: Einerseits hätten sich die Bauarbeiten am Spielplatz verzögert und andererseits sei er Weiterlesen

Ein gutes Beispiel – in Neukölln

tag der sinti und roma_wildenbruchbruecke neuköllnGestern, nachmittags gegen 14 Uhr: Rund 80 Menschen haben sich mit bunten Tulpen auf der Wildenbruchbrücke in Neukölln ein- gefunden, um wie überall auf der Welt den Internationalen Tag der Sinti und Roma zu begehen. Einige tragen eine grüne und blaue Flagge mit rotem Chakra. Die Farben der Fahne stehen symbolisch für Himmel und Erde, während das Rad an den gemein- samen indischen Ursprung der Roma und Sinti erinnert. Die Versammelten werden gleich ihre Blumen über die Brüstung ins Wasser werfen, als Erinnerung an die Opfer, die der Porajmos Weiterlesen

Von einem roten Mercedes 300 SL, Kartoffelläden, Trümmerbergen und einer Kindheit und Jugend in der „Topgegend von Neukölln“

schillerpromenade 42_neukölln„Da oben haben wir gewohnt.“ Ralf Lambertz zeigt zur ersten Etage des Hauses Schillerpromenade 42. Wir, das waren die Eltern und seine beiden Schwestern. In einer 2-Raum-Wohnung lebten damals alle. „Aber schon mit schillerpromenade_selchower straße_neuköllnBad!“, fügt er gleich noch dazu. In dieser Wohnung verbrachte der heute 73-Jährige die ersten 22 Jahre seines Lebens. Erst 1963 zog er dort aus: „Meine Eltern waren wohl um 1938 eingezogen und wohnten noch bis zum Jahr 1972 in der Schillerpromenade 42.“ Lambertz schaut sich überrascht um. Seit Jahren war er schon nicht mehr am Ort seiner Kindheit und Jugend. „An der Ecke zur Selchower Straße gab es damals ein Le- bensmittelgeschäft, wo man – wie fast überall – anschrei- ben lassen konnte, und im Parterre unseres Hauseingangs war erst ein Kartoffelladen und dann ein Klempner.“ Heute ist eine Weiterlesen

Auf den Spuren von Hermann Boddin

boddinstr_neuköllnEr hat alles, was auch Neuköllns amtie- render Bürgermeister irgendwann be- kommen könnte. Eine Straße mit seinem Nachnamen, einen Platz, der nach ihm benannt wurde, und eine U-Bahn-Station sowie eine Schule erinnern ebenfalls an den, der heute vor 140 Jahren Erster Amts- und Gemeindevorsteher von Rix- dorf wurde: Hermann Boddin.

Ein Vierteljahr vor seinem 30. Geburtstag übernahm der gebürtige Brandenburger das Regiment über die kurz zuvor vereinigten Orte Deutsch-Rixdorf und Böhmisch-Rixdorf mit ihren insgesamt rund 15.000 Ein- wohnern. 25 Jahre später, als Rixdorf etwa 90.000 Bürger zählte und Weiterlesen

Acht Kilometer zwischen Leid und Freud‘

Anders als Ex-Bundespräsident Christian Wulff werden die Schulleitung, Lehrer und Schüler der Neuköllner Hermann-Boddin-Schule diesen 17. Februar in bester Erin- nerung behalten. Denn es ist der Tag, an dem der Erweiterungsbau der Schule eröffnet und damit eine wichtige Voraussetzung für die praktische Umsetzung des gebundenen Ganz- tagsbetriebs geschaf- fen wurde.

Dank der 3,1 Millionen Euro aus dem Kon- junkturpaket II haben die derzeit 361 Kinder nun eine neue Mensa und weitere Klassen- und Gruppenräume. Für die Lehrer gibt u. a. ein neues Lehrerzimmer und einen Lehrmittelraum. Außerdem fanden Tech- nikräume Platz in dem dreigeschossigen, barrie- refreien Gebäudetrakt, der am Vormittag von Bezirksbürgermeister Heinz Busch- kowsky und Schulstadträtin Franziska Giffey eingeweiht wurde.

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Der kleine Unterschied

„Die Spielhallen sind in Neukölln nicht das Problem“, davon ist Anja Stein, die stellvertretende Leiterin des Neuköllner Ordnungsamts, überzeugt. „Unser Pro- blem“, so Stein weiter, „sind die er- laubnisfreien Cafés und Lokale.“ Für die nämlich gelte das neue Berliner Spielhallengesetz nicht.

Außenwerbung, Sperrzeiten, die Entfernung zum nächsten Euro-Grab oder zu Ein- richtungen für Kinder und Jugendliche – all diese seit Juni gesetzlich geregelten Parameter haben keinerlei Relevanz für die, die weniger als vier Glücksspiel- automaten in ihren Gaststätten aufstellen, um Verführbaren das Geld aus der Tasche zu ziehen. Folglich ist völlig gesetzeskonform, dass jüngst nur rund 200 Meter von der Hermann-Boddin-Grundschule entfernt eine Lokalität mit Geldspielgeräten er- öffnet werden durfte. „Uns wäre es auch lieber“, so Anja Stein kurz nach Inkrafttreten des Spielhallengesetzes, „wenn sich das Gesetz nicht auf Spielhallen beschränken würde.“

Zumal die Unterscheidung, was eine Spiel- halle und was ein erlaubnisfreies Café ist, auch bei genauerem Hinsehen oft schwierig ist, da in der Vergangenheit in Neukölln häufig die Gelegenheit genutzt wurde, fließende Grenzen zu schaffen. Pro 12 Quadratmeter Fläche, erklärt Anja Stein, dürfe nach Vorschrift des Bezirks ein Geldspielgerät aufgestellt werden. Um als erlaubnisfreies Café – gerne auch mit der plakativeren Bezeichnung „Casino“ versehen – durchzugehen, müsse folglich die Lokalität nur 36 Quadratmeter groß sein: „An diesem Punkt sind wir früher völlig ausgetrickst worden.“ Da seien kurzum aus einer 120 Quadratmeter großen Gaststätte mit Untermietverträgen und Zwischenwänden in Leichtbauweise drei Spielcafés gemacht worden, in denen dann insgesamt völlig legal neun Automaten stehen durften. Ein Trick, der erst vor zwei Jahren beim Ordnungsamt bekannt wurde. Seitdem würde selbstverständlich darauf geachtet werden, um wenigstens ein weiteres Grassieren dieser Vorgehensweise eindämmen zu können.

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„brotZeit“ für Schulkinder: ein Projekt aus München ist in Neukölln angekommen

358 Schülerinnen und Schüler mit Wurzeln in mehr als 20 Ländern, 90 % von ihnen von der Zuzahlung für Lernmittel befreit, weil die Familien von staatlichen Transfer- leistungen leben – das ist die Realität an der Neuköllner Hermann-Boddin-Schule.

v. l.: Harald Mosler, Uschi Glas, Dieter Hermann, Franziska Giffey

Neuerdings gehört die Grundschu- le im Flughafenkiez zu den sieben Berliner Schulen, die vom Verein brotZeit betreut werden. Der hat es sich zur Aufgabe gemacht, den traurigen Zustand aufzufangen, dass viele Kinder „unbefrühstückt“, wie Schatzmeister Harald Mosler es nennt, in die Schule geschickt und von knurrenden Mägen daran gehindert werden, die erforderliche Konzentration für die Teilnahme am Unterricht aufzubringen. „Bis zu 30 Prozent leiden während der Schulstunden unter akutem Hunger“, weiß er. Eine Frage des Geldes sei das jedoch nur selten, vielmehr seien verwahrloste Familienstrukturen meist der ausschlaggebende Punkt: Während die Kinder sich selber überlassen morgens in den Tag starten und zur Schule aufbrechen, schliefen viele Eltern aus.

brotzeit-pk, uschi glas, dieter hermann„Das ist in Berlin nicht anders als in München“, sagt Uschi Glas, die zum brotZeit-Vorstand gehört. 20 Münchener Schulen sind derzeit Nutznießer des Engagements des Vereins, können ihren Schülern täglich ein gesundes Frühstück bieten. In Berlin sollen es ebenso viele werden, doch das ist nur ein Etappenziel. „Wir wollen solche Leuchtturmprojekte auch in anderen großen Städten einrichten“, erklärt die Schauspielerin.

Dieter Hermann, seit gut fünf Jahren mit ihr verheiratet und als Vorstandsvorsitzender für  brotZeit aktiv, nickt zustimmend und untermauert die Machbarkeit des Vorhabens mit Zahlen: „Im März 2009 haben wir die ersten Frühstücke ausgegeben,  die für die Schüler natürlich kostenlos sind. Der aktuelle Stand liegt bei 160.000 Frühstücken.“ Der Verein ziehe dabei nur im Hintergrund die Fäden und sei bei Problemen für das Krisenmanagement zuständig. Die entscheidenden Säulen des Projekts seien Senioren, die die Zutaten für die Frühstücksbüffets beim Sponsor Lidl abholen, die Verteilung an die Schulen übernehmen, die Betreuung der Frühstücksrunden gewährleisten und den Schülern außer Brot auch Zeit zukommen lassen.

Fünf Rentnerinnen und Rentner sind es, so die stellvertretende Schulleiterin Birgit Knopf, die die Boddin-Schule bisher für diese Aufgaben gewinnen konnte. Doch damit ende deren Einsatzbereitschaft noch lange nicht: „Zusätzlich betreuen sie AGs in unserer Schule.“ Seit gestern haben sich die Bedingungen für die brotZeit-Einweihung Frühstücksraum Hermann-Boddin-Schule NeuköllnSenioren und auch die Kinder, die die morgendliche Pausen-Verpflegung mit Begeisterung annehmen, erheb- lich verbessert: In der Boddin-Schule ist durch eine „Soziale Stadt“-Finanz- spritze von 23.000 Euro aus einem abgerockten Souterrain-Raum ein freundliches Frühstückszimmer ge- worden, an dessen Eröffnung auch Uschi Glas und ihre brotZeit-Mit- streiter teilnahmen.

Einen Schritt in die richtige Richtung nannte Neuköllns Bildungsstadträtin Franziska Giffey die Initiative. Natürlich, berichtet sie, käme häufig der Einwand „Müssten es denn nicht die Eltern sein, die sich um das Frühstück ihrer Kinder kümmern?“ verbunden mit Bedenken, ob man deren mangelndes Engagement durch ein solches Angebot nicht noch unterstütze. Doch das will Giffey nicht gelten lassen: „Fakt ist, dass viele Eltern sich eben nicht darum kümmern und dieses Projekt ausschließlich den Kindern zugute kommt.“

Dabei entwickelt es häufig auch eine Strahlkraft in die Familien hinein. „In München hat es oft den Effekt“, erzählt Harald Mosler, „dass Kinder, die in der Schule den brotZeit-Service genießen, auch zuhause am Wochenende ein Frühstück fordern und so ihre Eltern erziehen.“

=ensa=