Zusammengerauft

Glaubt man dem, was Statistiken besagen, dürfte es Claudia und Wolfgang eigentlich gar nicht geben. Jedenfalls nicht als Paar, denn Wolfgang ist ein Ost-Mann und  Claudia eine dieser bei Ost-Männern an- geblich so unbeliebten West-Frauen.

„Ich lieb sie trotzdem“, sagt er, der zu allem Überfluss auch noch drei Jahre jünger ist als sie. Das gemeinsame Torpedieren von Klischees schweißt offenbar zusammen, selbst wenn die im Alltag ziemlich unbe- deutend sind. „Wolle ist ’ne faule Socke, deshalb war’s ihm nie wichtig Karriere zu machen, obwohl er das Zeug dazu gehabt hätte“, beschreibt Claudia ihn. Er nickt zustimmend, grinst als er sich anhören muss, dass sie seine Bequemlichkeit, die sie anfangs fast wahnsinnig gemacht habe, mittlerweile sehr zu schätzen weiß: „Mit ihm kann man prima abschalten und den Stress im Job vergessen.“

Als am 9. November 1989 die Mauer fiel, lebte Wolfgang im Berliner Bezirk Treptow, die damals 22-jährige Claudia nur zwei S-Bahnstationen von ihm entfernt in Neukölln. „So sehr’s mich für die DDR-Leute gefreut hat, dass sie endlich raus konnten, so sehr hat mich ihre Invasion am Anfang genervt“, erinnert sich die gelernte Altenpflegerin, die seit einer Weiterbildung zur Pflegedienstleiterin als PDL in einem Seniorenwohnheim arbeitet. Einen persönlichen Bezug zu dem Trubel bekam sie erst, als sich der schon gelegt hatte: „Dadurch, dass Wolle vor mir stand.“ Im Sommer 1991 war es, weil im Altenheim, in dem Claudia tätig war, etwas repariert werden musste – von Wolfgang, dem Elektriker, und einem seiner Kollegen.

„Unser Tag der deutschen Einheit“, finden beide, „ist der 27. August.“ In diesem Jahr begingen sie ihn zum 19. Mal, die kurze Trennungs-Auszeit zwischendurch zählt nicht, haben sie beschlossen. Der 3. Oktober ist aus einem anderen Grunde für Claudia und Wolfgang wichtig: Es ist der Geburtstag ihrer Tochter, die heute 14 wird, nicht Anna, Jacqueline, Marie oder Jennifer heißt und erstmals mit verheirateten Eltern feiern kann.

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