Gut gemeint, ungut gemacht

Eigentlich ist die Idee nicht schlecht: Seit rund zwei Monaten können Eltern über die Online-Datenbank Kitafinder einen Überblick über die Neuköllner Kindergärten kita karlsgartenstraße, neukölln, kitafinder neuköllnbekommen.

„Hier informieren wir aktuell über die Angebote der Neuköllner Kindertages- stätten. Eltern haben die Möglichkeit, über die Suchmaske dieses Portals freie Kita-Plätze in der gewünschten Umge- bung zu finden“, preist die gemeinnützige Bildungseinrichtung DAA Deutsche An- gestellten-Akademie auf ihrer Homepage den von ihr herausgegebenen Kitafinder an.

Die virtuelle Realität sieht jedoch anders aus: Die Aktualität hinkt bei den meisten Kitas über ein Vierteljahr hinterher. Und auch die vollmundige Ansage, dass man über die Suchmaske freie Kita-Plätze finden könne, verfehlt die Wirklichkeit durch den inflationären Gebrauch der Angabe „auf Anfrage“ mit einem komfortablen Si- cherheitsabstand.

Dass eine Datenbank gepflegt werden muss und wie man das macht, steht offenbar erst für später auf dem DAA-Lehrplan.

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Praktisch für Mitteilungsbedürftige

Leo Murray ist es zu verdanken, dass der Richardkiez seit einigen Wochen eine öffentliche Pinnwand hat: Am Trafohäuschen auf dem Böhmischen Platz kann nun jeder kundtun, was er (ver)kaufen, verschenken oder tauschen möchte, was er denkt oder die Nachbarschaft wissen lassen öffentliche pinnwand böhmischer platz,neuköllnwill. Die Quartiersfonds 1-Jury des dortigen Quartiersmanagements fand die Idee so gut, dass sie sie mit 220 Euro aus dem „Soziale Stadt“-Säckel unter- stützte.

Auch Hanni und Jenna setzen sich sehr für das Ausleben des Mittei- lungsbedürfnisses ein. Da sie keine Förderung aus öffentlichen Geldern erhalten, die durch Kiezgrenzen reg- lementiert werden, steht über ihrem Projekt deshalb auch gleich das Motto „Pinnwände für alle“. Und obwohl bei ihnen niemand nach Nachhaltigkeit fragt, werden sie sich schon darum kümmern, dass kompetente Kolleginnen ihr Projekt fortführen.

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Neuköllner Nostalgie

Nostalgie am Richardplatz, so charakte- risiert das Bezirksamt Neukölln den Alt- Rixdorfer Weihnachtsmarkt, der in diesem Jahr zum 38. Mal stattfindet: nämlich am nächsten Wochenende.

Ein Faible fürs Nostalgische lässt die Behörde, die Veranstalter des tradi- tionsreichen Weihnachtsmarktes ist, auch bei den Plakaten erkennen, die ihn an- kündigen. Sie sehen seit eh und je so aus. Nur die Ordnungszahl wird Jahr für Jahr geändert. Ebenso das Datum, was sich jedoch erübrigen würde, wenn dort „von Freitag bis Sonntag am 2. Advents- wochenende“ stünde. Aber so leicht will man’s dem Layouter dann vielleicht doch nicht machen.

Der wäre allerdings gut beraten gewesen, wenn er auch den letzten beiden Fußzeilen des Plakats ein wenig Aufmerksamkeit geschenkt hätte. Denn in denen wird es so richtig nostalgisch – massiv zu Ungunsten des Informationsgehalts: Den 141er-Bus gibt es schon lange nicht mehr, die Linie 241 heißt seit fast sechs Jahren M41 und die alte 6809-Rufnummer für das Rathaus wurde bereits vor knapp zehn Monaten abgeschaltet. Um den Weihnachtsmarkt-Sachbearbeiter zu erreichen, muss man seitdem vor der Durchwahl die Ziffern 90239 ins Telefon tippen – so es keine nostalgische Wählscheibe hat.

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Die Qual der Wahl

Eigentlich ist heute Buy Nothing Day / Kauf- Nix-Tag. Doch bei diesem Angebot, mit dem ein Neuköllner Geschäftsmann aufwartet, dürfte der 24-stündige Konsumverzicht nicht allen leichtfallen.

Kinder für 5 Euro und Herren zum selben Preis, wenn man sich mit dem Basismodell begnügen will –  das sind doch wirklich echte Schnäppchen.

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Der Umgang mit der Endlichkeit

das leben lassen,galerie im körnerpark,neuköllnSie sehen aus wie überdimensionale Teebeutel, die mit Laub und Zweigen gefüllten Kleidersäcke, die zurzeit an der Decke der Galerie im Körnerpark in Neukölln hängen. Vor knapp zwei Wochen hat dort die Ausstellung „das Leben lassen“ Einzug gehalten, die Ergebnisse einer künstlerischen Aus- einandersetzung mit Vergänglich- keit, Sterben, Tod und Abschied zeigt.

Zwölf Künstler haben sich daran beteiligt: Thomas Kleinschmidt mit der Installation „Das Spielzeuggrab“ und Rico Federle mit der Mausefallen-Collage „Gillette: das leben lassen,galerie im körnerpark,neukölln,spielzeuggrab,thomas kleinschmidt das leben lassen,galerie im körnerpark,neukölln,gillette: laborversuche, rico federleLaborversuche“; andere sind mit Grafiken, Malerei und Fotos dabei, die einen Bogen vom Skurrilen bis zum Unverständlichen schlagen.

Durchweg konkret sind dagegen die im Vorfeld der Ausstellung in das leben lassen,galerie im körnerpark,neukölln,peter-petersen-grundschule,was tröstetWorkshops mit Schülern entstandenen Werke. Mit Filzstiften haben Kinder der Peter-Petersen-Grundschule auf Leinwand geschrieben und gemalt, welche Dinge und das leben lassen,galerie im körnerpark,neuköllnGedanken trösten kön- nen. Von Kindern er- lebte Be- gegnungen mit dem Tod sind zentrales Thema beim augenfälligsten Objekt in der Galerie: Auf den Segeln kleiner Holzboote bringen sie auf berührende Art und Weise die Traurigkeit über den Abschied von Verwandten oder das leben lassen,galerie im körnerpark,neukölln,unvergessen-installationverunfallten Haustieren zum Ausdruck.

Das können auch die Besucher der perfekt zur trüben Jahreszeit passenden Ausstellung tun – und sie machen es reichlich: „Unvergessen“ steht auf den Vorderseiten der Klappkarten, die bereitliegen, um Verstorbene posthum zu würdigen oder ihnen persönliche Botschaften zu hinterlassen. Langsam wird der Platz an den Fenstern knapp.

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Neuköllner Bauernregel

straßenmüll neuköllnstraßenmüll neukölln

Liegen in Neukölln viele Regenschirme auf den Bürgersteigen, wird sich der Himmel am nächsten Tag in strahlendem Blau zeigen.

Stimmt!

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Viel für wenig

Aktivieren, durchführen, schaffen, dokumentieren, präsentieren, kooperieren – die Erwartungen an den künftigen Träger des Projekts „Aktive Seniorinnen und Senioren im Reuterkiez“ sind hoch.

Im krassen Gegensatz dazu steht jedoch, was dafür locker gemacht wird: Maximal 3.000 Euro sind als Fördersumme aus dem „Soziale Stadt“-Quartiers- fonds 2-Topf für den Projektzeitraum vom 15.1. bis 31.12.2011 vorgesehen. Eine Summe, die auf eine jüngere Zielgruppe gemünzte Projekte monatlich einstreichen und die so die Zynismus-Hürde lässig überspringt. Wer sich trotzdem bewerben will, hat dafür noch knapp drei Wochen Zeit.

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Theorie und Praxis

„Integration“, heißt es im Lexikon des Bundesministeriums des Innern, „ist ein langfristiger Prozess, der zum Ziel hat, alle Menschen, die dauerhaft und rechtmäßig in Deutschland leben, in die Gesellschaft einzubeziehen. Ziel der staatlichen Integrationspolitik ist, den Zuwanderern die gleichen Chancen auf Teilhabe in wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Bereich wie der einheimischen Bevölkerung zu ermöglichen. Zuwanderer haben die Pflicht, die deutsche Sprache zu erlernen sowie die Verfassung und die Gesetze zu kennen, zu respektieren und zu befolgen. Gleichzeitig muss den Zuwanderern ein gleichberechtigter Zugang möglichst zu allen gesellschaftlichen Bereichen ermöglicht werden.“

Das zur Theorie. Wie die praktische Seite von Integration in Berlin und Brandenburg aussieht und aussehen könnte oder sollte, lässt der rbb heute bei seinem Thementag „Integration“ sehen und hören. Mit da- bei sind auch die Altioks aus Neukölln. Für die TV- Reportage „7 Tage – Wir tauschen unser Leben“  (12.30 Uhr) zog die Familie für eine Woche nach Lübbenau in den Spreewald und übernahm den Alltag der Schwerdtners, die sich dafür in das Abenteuer Neukölln stürzte.

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Angekommen

richardplatz neuköllnNun also auch in Neukölln: Gestern Nachmittag, be- richtet die B.Z., habe ein zunächst als verdächtig erachteter und dann für harmlos befundener Koffer einen Polizeieinsatz aus- gelöst. Ausgerechnet am für viel Geld verunschönten Richardplatz, auf dem es ja – wenn nicht gerade Alt-Rixdorfer Weihnachts- markt, 48 Stunden Neukölln oder Popráci ist – vor Menschen nur so wimmelt.

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Gut zu wissen

Wikipedia weiß ja wirklich vieles über den heutigen 325. Tag des Gregorianischen Kalenders: Dass am 21. November 1789 North Carolina der 12. Bundesstaat der USA wurde. Dass der Rundfunksender RIAS am 21. November 1945 seine Geburtsstunde erlebte. Dass Silvio Meier, dem man gestern in Berlin mit einer Demo gedachte, am 21. November 1992 im U-Bahnhof Samariterstraße in Friedrichshain von Neonazis erstochen wurde. Dass am 21. November 1997 die legendäre Pressekonferenz der Mädchenband Tic Tac Toe stattfand, die zum Anfang vom Ende des Trios wurde, und dass der 21. November der Welttag des Fernsehens ist.

Was Wikipedia aber nicht weiß (oder anscheinend nicht für wichtig genug hält): Am 21. november 2008, schnee in neukölln21. November 2005 wurde die Bürgerstiftung Neu- kölln durch die Berliner Senatsverwaltung für Jus- tiz als rechtsfähig aner- kannt und somit gegrün- det. Über 70.000 Euro brachten 102 Gründungs- stifter zusammen, um dem Neugeborenen auf die Sprünge zu helfen. Und darüber, dass drei Jahre nach dem N+-Geburtstag, am 21. November 2008, die ersten Schneeflocken der Wintersaison 2008/09 aus dem Himmel über Neukölln fielen, erfährt man bei Wikipedia natürlich auch nichts. Aber hier.

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Geschlossen und verkündet

hollywood neukölln

Deutlicher kann der Hinweis kaum ausfallen: (Ein Hauch von) Hollywood hat in Neukölln nichts zu suchen.

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Mannomann!

Australien, Dänemark, Ghana, Indien, Irland, Jamaika, Kanada, Malta, Singapur, Südafrika, Tobago, Trinidad, Ungarn und USA – überall dort wird immer am 19. No- vember und so auch heute der Internationale Männertag begangen. Er wurde 1999 eingeführt, um auf die Benachteiligung von Jungen und Männern in vielerlei Be- reichen aufmerksam zu machen. Aus der Tatsache, dass es ihn in Deutschland nicht gibt, abzuleiten, dass hier auch keine  Nachteile für sie gibt, wäre allerdings ein  detlef pech, 3. berliner fachtag jungenarbeitTrugschluss.

Schon in der Schule wür- den für Jungen die fal- schen Wegweiser aufge- stellt werden, kritisierte der Erziehungs- und Sozial- wissenschaftler Prof. Dr. Detlef Pech beim 3. Ber- liner Fachtag Jungen- arbeit im Guttempler-Haus Neukölln vor Pädagogen aus Kitas, Schulen und Projekten. „Sehen Sie sich doch nur mal die Illustrationen in aktuellen Unterrichtsmaterialien für Grundschulklassen an!“, mahnte er. Wie eh und je würden dort „stereotype Vorstellungen, wie Jungen und Mädchen sich zu verhalten haben“, dargestellt werden.  Jungen seien einem Naturgesetz gleich diejenigen, die Regeln brechen, Mädchen die, die nicht auffallen. Pechs Zwischenfazit: „Die Jungen-Bilder, denen Jungen begegnen, führen geradewegs in eine verbarrikadierte Identitätsfindung.“

Und das setze sich beim Schulsport fort. Immer wieder sei Schulsport für Jungen gleichbedeutend mit Fußball. „Aber“, so der bekennende Werder Bremen-Fan Detlef Pech, „Fußball ist Schwachsinn.“ Nach einem Beispiel, das die Hartnäckigkeit von Geschlechterstereotypen ähnlich eindrucksvoll untermauert, müsse man lange suchen. Während die Erfolge kickender Frauen in der Sportwelt zusehends Anerkennung finden, heiße es im Alltag von Kindern nach wie vor „Aber die ist ja auch kein richtiges Mädchen!“, wenn eine Sophie,  Nele oder Ayse Talent beim Umgang mit dem runden Leder offenbart.

Um die Verfestigung von Klischees auszubremsen, Jungen aus dem „Dilemma zwischen Selbstinszenierung und Pädagogisierung“ zu holen und ihnen neue Perspektiven aufzuzeigen, bedürfe es eines verstärkten Engagements im bislang weitestgehend unerforschten Feld der Jungenarbeit, forderte Detlef Pech in seinem Vortrag. Alles andere führe dazu, dass sich die auch durch die PISA-Studie belegte Benachteiligung von Jungs tradiert: „Dabei sind schlechtere schulische Leistungen de facto nichts Neues. Bildungsverlierer sind aber nicht die Jungen per se, sondern es ist eine bestimmte Gruppe von Jungen.“ Die Krux sei jedoch, dass die sich ob ihrer Orientierung an herrschenden Bilder nicht als Verlierer fühlen (dürfen), und das führe wiederum zu anderen Problemen. „Würden Jungen eine größere Viel- schichtigkeit von Männlichkeit erfahren und individueller auf dem Weg zum eigenen Leben gefördert werden, gäbe es die nicht“, ist der Wissenschaftler überzeugt.

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Gewollt und nicht gekonnt

Vielleicht lag es am Termin, vielleicht am Thema, vielleicht an der Bewerbung der Veranstaltung, vielleicht aber auch am Ort, wo sie stattfand: Im Rahmen der Tage des interkulturellen Dialogs rathaus neukölln, rathausturm neuköllnhatte die Lokale Agenda 21 Neukölln Freitagnachmittag zu einem Gespräch über Werte ins Puschkin-Zimmer des Neuköllner Rathauses eingeladen. Doch Protagonisten für das, was  landläufig als „interkulturell“ bezeichnet wird, blieben der Diskussion in Berlins 160-Nationen-Bezirk fern. Aus dem Dialog zwischen der Minder- und Mehrheitsgesellschaft, den die 2003 gestartete Veranstaltungsreihe anzukurbeln versucht, wurde nichts. Aufschlussreich und konstruktiv war er trotzdem – gewissermaßen auch interkulturell, vor allem aber intergenerativ.

Vier Frauen und zwei Männer aus drei Generationen saßen zusammen, um darüber zu reden, welche Werte ihnen wichtig sind, welche für das gesellschaftliche Miteinander wichtig erscheinen und wie diese bewahrt werden können.

Zur Eröffnung der Diskussion brachte Moderator Christian Kölling das Grundrecht der freien Meinungsäußerung ins Spiel. Das sei ein enorm wichtiger Wert, sagte er und erntete dafür Zustimmung. „Ich empfinde aber schon ein gewisses Unbehagen“, schränkte eine Frau ein, die sich als Neuköllnerin mit bayrischem Migrations- hintergrund vorgestellt hatte,  „dass bestimmte Dinge nicht angesprochen werden können, ohne in eine bestimmte Ecke geschoben zu werden.“ Auch darüber hätte sie gerne mit Menschen geredet, die ihre Wurzeln außerhalb Deutschlands – und Bayerns – haben.

Die Frage, ob in anderen Ländern und Kulturen völlig andere Werte wichtig sind und vermittelt werden, macht sich im Puschkin-Zimmer breit – ebenso die Unlust, darüber zu spekulieren. „Der Wert, Teil der Gesellschaft zu sein, ist jedenfalls bei vielen nicht so ausgeprägt“, weiß eine Sozialarbeiterin, die auch beruflich ständig mit der Heraus- forderung konfrontiert ist, Migranten zur gesellschaftlichen Teilhabe zu bewegen. „Ob das klappt oder nicht“, so ihre Erfahrung, „ist vorrangig bildungsabhängig.“ Viele, und das beträfe Deutsche ebenso, seien von der Komplexität überfordert.

Bildung ist ein Wert, sind sich die Diskutanten einig. Plötzlich ist das Wort Hu- mankapital da, und mit ihm die Überlegung, ob der Wert des Menschen nicht viel zu sehr an Bildung festgemacht werde. Wieder fehlt jemand, der den Aspekt aus dem Dunstkreis des hiesigen Werteschemas hieven kann. Der vielleicht sogar noch etwas dazu sagen kann, wie es um universale Werte und ihre unterschiedliche Ausprägung bestellt ist. Wie es sich beispielsweise in anderen Kulturkreisen mit Rücksichtnahme und Respekt verhält. Früher, erinnert sich die Frau mit dem bayrischen Zungenschlag, habe es ständig „Das macht man nicht!“ geheißen. Heute habe sie dagegen das Gefühl, dass jeder macht, was er will. „Diese laute Telefoniererei in der U-Bahn ist zum Beispiel völlig selbstverständlich geworden“, moniert sie. „Ob ich mir die Intimitäten aus dem Leben anderer anhören will, interessiert niemanden.“ Inzwischen sei sie froh, wenn diese Gespräche in einer für sie unverständlichen Sprache stattfinden: „Das stört mich dann wenigstens nicht beim Lesen.“

„Werte“, schlägt einer aus der Runde vor, „müssen besser kommuniziert werden. Vielleicht brauchen wir aber auch eine stärkere Normierung von Werten.“ Das könnte das Miteinander verbessern und gäbe zugleich Kindern und Jugendlichen etwas, woran sie sich erst orientieren und später reiben können.

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Zurück in die 80er

Wer bei diesem Anblick nicht an Frl. Menke denken muss …

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Die Tücken der Inszenierung

Sie könnte so schön sein heute, die Weisestraße. Der Müll, der vor Tagen oder gar Wochen auf dem Bürgersteig abgeladen wurde, könnte weg sein, abgeholt von der Berliner Stadtreinigung (BSR). Dann hätte die rbb-Abendschau-Redaktion allerdings zugeben müssen, dass gar nicht aller Sperrmüll, den sie für ihren Beitrag über die dreckige  Okerstraße in  Szene  gesetzt  hat, in  der  Okerstraße entdeckt und gefilmt

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entmüllte okerstraße, rbb-abendschau-beitrag okerstraßewurde. Die Hälfte des zum Okerstraße-Bashing in- strumentalisierten Gerüm- pels steht nämlich in der Weisestraße – auch heute noch.

Entmüllt ist dagegen die Okerstraße. Frühmorgens sei, wie zu erfahren war, die BSR gekommen, um die Sperrmüll-Haufen und solitären Stillleben auf dem Bürgersteig zu beseitigen. Etwas verwundert dürften die Müllmänner schon gewesen sein, dass das Ausmaß der Vermüllung deutlich hinter den durch den rbb geschürten Erwartungen zurücklag. Hätten sie noch einen Abstecher in die Weisestraße gemacht, wären die erfüllt worden. Aber von der war ja im Abendschau-Beitrag nicht die Rede.

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Neuköllner Eigenart?

tannenzweige kiloweise, neukölln

Oder werden Tannenzweige woanders auch kiloweise verkauft? Wird’s in Neukölln demnächst Baumkuchen meterweise und Glühwein in Kanistern geben?

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Das Beste zum Schluss: Wowereit kommt nach Neukölln

Übermorgen beendet Berlins Regierender Bürgermeister seine im Frühjahr expedition neuköllnbegonnene Tour durch die Bezirke in Neukölln. Schwerpunktaspekt der knapp achtstündigen Stippvisite in sechs Etappen wird das Thema Integration sein.

Eine bessere Integration von Radfahrern in den Straßenverkehr hat Klaus Wowereit dabei allerdings offenbar weniger im Auge: Er zieht bei seinem Programm den  Besuch von drei (!) Schulen, einer Wäscherei, dem JobCenter Neukölln sowie des Quar- tiersmanagements in der High-Deck-Siedlung einer Radtour mit creezy vor. Schade.

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Vergleichsweise: Kreuzberg und Neukölln

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Was man den Kreuzbergern neidlos oder -voll lassen muss: Ihnen gehört eindeutig das sonnigere, idyllischere Ufer des Landwehrkanals.

weigandufer neuköllnDafür hat Neukölln aber dort, wo die Was- serstraße nicht mehr Landwehr- sondern Neuköllner Schiffahrtskanal heißt, den we- sentlich matschigeren, für Kinderwagen- schieber, Rollatornutzer und Rollstuhlfahrer unbenutzbareren Uferweg. Der Neid der Kreuzberger dürfte sich in Grenzen halten.

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Nur ein Maschendrahtzaun zwischen Leben und Tod

jerusalems-friedhof hermannstraße neuköllnjerusalems-friedhof hermannstraße neuköllnHeute ist Volkstrauertag und die Chancen stehen gut, dass man in Berlin ohne Schal und Hand- schuhe der Kriegstoten und Opfer von Ge- waltherrschaft gedenken kann, denn es soll bis zu 18 ° warm werden. Ergo: Optimale Bedingungen, um beispielsweise den Friedhof V der Jerusa- lems- und Neuen Kirche zu erkunden, der 1872 an der Hermannstraße in Neukölln angelegt wurde – 20 Jahre nachdem Friedhof IV an der Kreuzberger Bergmannstraße eingeweiht worden war.

Fast bis ans Tempelhofer Feld zieht sich die hunderte Meter lange Allee zwischen den Grabfeldern. Einzig ein neo-gotisches, back- steinernes Kirchengebäude, das seit 2003 von der Bulgarischen Orthodoxen Kirche Berlin genutzt wird, jerusalems-friedhof 5 hermannstraße neuköllnhindert am Durchblick bis zum Horizont. Was der Fried- hof an Länge reichlich hat, fehlt ihm jedoch in der Breite: In nördlicher Richtung begrenzt ihn eine hohe Mauer vom Grünen Weg, in jerusalems-kirchhof 5 hermannstraße neuköllnsüd- licher stößt er an die Hinterhäuser  und -gärten der War- thestraße. Nur durch luftige Maschendrahtzäune sind Leben und Tod voneinander getrennt. Aber Anzeichen dafür, dass letzterer sich immer weiter zurückzieht und weitaus weniger Platz benötigt als das früher der Fall war,  sind hier allgegenwärtig: Die Zeiten, als sich eine Grabstelle an die nächste reihte, sind vorbei.  In  äußerst drastischer  Form zeigt sich das am  Ende des Grund-

jerusalems-friedhof hermannstraße neuköllnjerusalems-friedhof hermannstraße neuköllnjerusalems-friedhof hermannstraße neukölln

stücks, wo die Zeugnisse des Friedhofssterbens hüfthohe, makaber-pittoreske Wälle jerusalems-friedhof 5 hermannstraße neukölln,gedenkort zwangsarbeiterlagerbilden. Nur wenige Schritte von einer Gedenktafel an das Ba- rackenlager kirchlicher Zwangs- arbeiter, das ab August 1942 existierte und im April 1945 von der Roten Armee befreit wurde.

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Bleibt alles anders

endstation musikcafe flughafenstraße, neuköllnWer heute beim Durchschmökern der Berliner Tageszeitungen oder der lokalen Boulevard-Gazetten bei den Neukölln-Beiträgen landet und dann von einem bewaffneten Streit verfeindeter Familien- clans, einem Rockerkrieg in Neukölln oder einer Blut-Nacht im Ghetto liest, könnte sich fragen:

Hat sich seit dem „Endstation Neukölln“- Beitrag von Peter Wensierski, der vor über 13 Jahren (!) im Spiegel erschien, denn gar nichts geändert? Waren der Neukölln-Hype und das Gentrifizierungs-Gerede nur Saisonartikel? Ist der Bezirk wieder in der Vergangenheit angekommen?

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