Über den Versuch, einen verdienten Neuköllner Bürger zu ehren – und Bürgerbeteiligung auszuhebeln

wappen stadt hof_platz der stadt hof_neuköllnFünf  Vorschläge, wie der Platz der Stadt Hof nach seiner Erweiterung umbenannt werden könnte, unterbreitete die [Aktion! Karl-Marx-Straße] als zivilgesellschaftliche Initiative im Sommer der Öffentlichkeit. Die Vorschläge, die aus insgesamt 160  Bei- trägen ausgewählt wurden, lauteten: Platz der Vielfalt, Platz der Kulturen, Platz der Toleranz, Neuköllner Stern und Rio Reiser Platz. Der Namenswettbewerb war als krö- nender Abschluss einer partizipativen Bürgerbeteiligung für die Neugestaltung des Platzes angekündigt. Gemeinsam mit Bewohnern Neuköllns hatten die  Künstlerin Nadia Kaabi-Linke und die Gruppe el:ch Landschaftsarchitekten bereits im vorletzten Jahr  in mehreren Meinstein-Workshops  ein demografisches Pflaster entworfen, das demographisches pflaster meinstein_platz der stadt hof_neuköllnzur Zeit auf dem Platz am unteren Ende der Werbellinstraße verlegt wird.

Inzwischen hat  das politische Neukölln auf den nicht unumstrittenen – weil, so Hofs Alt-Oberbürgermeister Dr. Hans Heun, „oh- ne Not ausgerufenen“ – Namenswettbe- werb der [Aktion! Karl-Marx-Straße] reagiert: Für die Platzumbenennung  legte die CDU- Fraktion der Neuköllner Bezirksverordne- tenversammlung (BVV) den Antrag „Verdienten Stadtvater im Straßenbild wür- digen“ vor. Er wurde am letzten Mittwoch auf der 18. öffentlichen Sitzung des Aus- schusses für Verkehr und Tiefbau beraten und abgestimmt. Auf Vorschlag der CDU soll der Ort zwischen Rathaus und Passage  künftig Alfred-Scholz-Platz  heißen. Die bisherige Bürgerbeteiligung, so die Argumentation, habe „kein einheitliches Bild für einen neuen Namen“ gebracht. Zudem gäbe es im Neuköllner Stadtbild keinen Platz, der  Alfred Scholz würdige, hieß es weiter.

Alfred Scholz, da sind sich alle in der  BVV einig, hat eine Würdigung verdient, denn er war Bürgermeister bzw. Bezirksbürgermeister in Neukölln seit 1919 bis zu seiner widerrechtlichen Absetzung durch die Nazis im Jahr 1933. Ob allerdings die Initiative im Bezirksparlament für die eigentlich längst überfällige Ehrung hilfreich war? Die Meinungen  darüber gingen in der einstündigen Ausschuss-Diskussion zwischen  der SPD/CDU-Zählgemeinschaft einerseits und der Opposition von Grünen, Linken sowie Piraten weit auseinander. Der Bezirksverordnete Bertil Wewer (Die Grünen) kommentierte  die gemeinsame Initiative der Zählgemeinschaft kritisch: „Ich finde es ein wenig holprig, jetzt einen neuen Namen aus dem Hut zu zaubern.“ Marlis Fuhrmann, Bezirksverordnete der Linken, warnt davor, „mit dem neuen Namens- spatenstich_umgestaltung platz der stadt hof_neuköllnvorschlag gleichzeitig Hofer Bürger und die an der Umgestaltung beteiligten Neuköll- ner zu brüskieren“.

Klaus-Peter Mahlo (CDU) und der Aus- schussvorsitzende Peter Scharmberg (SPD) sind sich dagegen einig, dass der bisherige Name des Platzes unzeitgemäß sei. „Die Beziehungen zwischen Hof und Neukölln“, bemerkte Mahlo, „sind heute nicht mehr so gut wie Ende der 1980er Jahre.“ Der Platz der Stadt Hof sei zuletzt nur noch „ein Sorgenkind“ und „kein  Aushängeschild mehr“ gewesen, ergänzte Scharmberg.  Mit der Neugestaltung würde das „Filetstück im Neuköllner Norden“ aber wieder erkennbar zum Zentrum des Bezirkes werden.

Ausdrückliche Kritik am Namenswettbewerb der [Aktion! Karl-Marx-Straße] übte die SPD-Bezirksverordnete Almuth Draeger: „Bürgerbeteiligung war das nicht“, stellte sie fest, denn sie habe „eine klare Forderung der Initiative erwartet, nicht aber fünf gleichwertige Vorschläge“. Ganz im Gegensatz dazu findet der für die Piratenpartei im Ausschuss sitzende Semih Kasap gerade gut, dass die Initiative fünf verschiedene Vorschläge gemacht habe, über die die Öffentlichkeit und die Bezirksverordne- tenversammlung nun diskutieren könnten. Mit beharrlichem Nachfragen erreichte er so wenigstens ein Meinungsbild der Ausschussmitglieder zu den Vorschlägen der [Aktion! Karl-Marx-Straße]. Am Ende wurde der Antrag „Verdienten Stadtvater im Stra- ßenbild würdigen“ mit den Stimmen von SPD, CDU und Piraten bei Enthaltung der Linken und Gegenstimme der Grünen vom Ausschuss zur Beschließung an die Bezirksverordnetenversammlung überwiesen.

Der seit dem ersten Spatenstich auf dem Platz der Stadt Hof am 17. August letzten Jahres  ausgebrochene Namensstreit ist damit jedoch längst nicht beigelegt. Dieter Herrmann, Vorsitzender des Städtepartnerschaftsvereins Freunde Neuköllns, fragt in einem offenen Brief an die Neuköllner CDU-Fraktion: „Warum soll der ehemalige Bürgermeister der Stadt und spätere Bezirksbürgermeister des Bezirks Neukölln, Herr Alfred Scholz, nicht in unmittelbarer Nähe des Rathauses geehrt werden?“ vorplatz rathaus neuköllnDas böte sicher oft die Möglichkeit, auf Alfred Scholz und seine Ver- dienste hinzuweisen. Desweiteren hebt Herrmann den geschichtlichen Bezug der Namensgebung hervor: In Neukölln wiesen der Streifen aus Pflastersteinen und verschiedene Er- innerungsorte auf die Geschichte der Berliner Mauer hin. Der Platz der Stadt Hof erinnere daran, dass für die West-Berliner in der Zeit des kalten Krieges der Frankenwald ein Naherholungsgebiet und „Hof ein Vorort Berlins“ waren. Nicht zuletzt sei damals – entgegen der üblichen Verfahrensweise – der Platz mit Beteiligung der Namensgeberin benannt worden: Am 6. Juli 1985 weihten Bezirks- bürgermeister Arnulf Kriedner (CDU) und der Hofer Oberbürgermeister Dr. Hans Heun (CSU) den Platz feierlich ein. Herrmanns klare Forderung: „Der Platz der Stadt Hof wurde auf Wunsch der Stadt Hof so benannt. Man sollte ihn also auch nur auf Bitten der Stadt Hof umbenennen“. Obgleich es nie zu einer offiziellen Partnerschaft zwischen Hof und Neukölln kam, sind persönliche und gesellschaftliche Bezie- hungen zwischen Hofern und Berlinern besser als bei vielen förmlichen Städ- teverbindungen. Auch beim Bund der Berliner und Freunde Berlins in Hof herrscht Unmut. „Ich bin wütend, wie hier das ehrenamtliche Engagement und das per- sönliche Eintreten Hofer und Berliner Bürger für eine Freundschaft mit Füßen getreten wird“, beschwert sich ein Vereinsmitglied.

Die Idee, Alfred Scholz mit einem Platz  zu würdigen ist nicht neu. Auf Anregung des Bündnis Neukölln: Miteinander für Demokratie, Respekt und Vielfalt reichte die Neu- köllner Links-Fraktion bereits im Juni 2012 den Antrag „Rathausvorplatz in Alfred-Scholz-Platz“ umzubenennen in der BVV ein. Er wurde jedoch wieder zurückgezogen.

=Christian Kölling=