Vom Bundeskanzleramt nach Neukölln

husten wir haben ein problem_feinstaubdemo netzwerk fahrradfreundliches neukoellnMit dem Anspruch, die sozialen und gesundheitlichen Belastungen des Bezirkes zu dokumentrieren, stellte Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU) im Februar seinen Sozialbericht Neukölln der Öffentlichkeit vor.

Auf die miserablen Umweltbedingungen im ehemaligen hermannplatz_feinstaubdemo netzwerk fahrradfreundliches neukoellnArbeiterbezirk, die der Bericht bisher nicht angemessen berücksichtigt, wies am ver-gangenen Freitag das Netz-werk Fahrradfreundliches Neukölln mit einer Demon-stration unter dem Motto „Husten, wir haben ein Problem!“ hin. Im Mittelpunkt des Interesses stand – wie schon bei einer ersten Demo der Initiative – erneut die Station des BLUME-Messnetzes an der Ecke Karl-Marx-/Flughafenstraße. Hier werden regelmäßig deutschlandweit mit die höchsten Feinstaub- und Stickoxid-Belastungen gemessen, ebenso im BLUME-Häuschen auf rathaus neukoelln_feinstaubdemo netzwerk fahrradfreundliches neukoellnder Silbersteinstraße.

Während die Demo im Januar einmal rund ums Rathaus führte, begann der Protestzug diesmal am Hermannplatz und ging durch die Karl-Marx-Straße bis zum Amtssitz der Bezirksbürgermeisterin Dr. Franziska stoessenreuther_feinstaubdemo netzwerk fahrradfreundliches neukoellnGiffey, wo bereits unüber-sehbar ein Diesel-Rußer der Deutschen Umwelthilfe wartete.

„Achtung, Achtung: Hier spricht die Feinstaub-Polizei“, rief Heinrich Stößenreuther, Initiator des derzeit vieldisku-tierten Volksentscheids Fahrrad, umgeben von zwei Lastenrädern immer wieder in sein Mikrofon: „Abgase töten. Feinstaub reizt die Schleimhäute, führt zu Husten, verschlimmert Asthma und kann Krebs verursachen.“ TBOA7403_EUAQDEM Feinstaubdemo Netzwerk Fahrradfreundliches NeukoellnBegleitet wurde er von einer fiktiven Einheit der EU Air Quality Directive Enforcement Mission (EUAQDEM), die auf ihren emissionsfreien Cargobikes zuvor bereits beim Bundeskanzleramt vorgefahren war. Ernster Hintergrund des satirischen Protestes: Sofern Deutschland seinen Verpflichtungen zur Luftrein-haltung und Lärmminderung nicht nachkommt, müssen irgendwann Strafzahlungen an die EU gezahlt werden. Sollte ausgerechnet Neukölln, das in großem Umfang von Geldern aus Brüssel profitiert, für diese Strafzahlungen mit verantwortlich sein, weil feinstaub-warnung_feinstaubdemo netzwerk fahrradfreundliches neukoellndie Bezirkspolitik den Kfz-Verkehr nicht zugunsten des Umweltverbundes bändigen kann?

In einem Interview, das Saskia Ellenbeck kürzlich für das Netzwerk Fahrradfreundliches Neukölln mit der Stadtplanerin Dr. Cordelia Polinna führte, wird die Möglichkeit stärkerer Einschränkungen des Autoverkehrs erörtert. Ein Verkehrssystem, das weniger Emissionen verursache, müsse radi-kal auf den Fuß- und Radverkehr sowie den öffentlichen Nahverkehr ausgerichtet werden. „Das geht, wenn man die verkehrspolitischen Prioritäten deutlich verändert, insbesondere zugunsten des Radverkehrs“, sagte die Neuköllner Stadtplanerin Dr. Polinnna: „Natürlich wäre ein solcher Prozess mit viel Gegenwind verbunden. Umso wichtiger ist es, jetzt schon sehr schnell mit guten Beispielprojekten zu zeigen, dass nachhaltige Mobilität gut funktionieren kann, die Lebensqualität erhöht und auch für Einzelhändler und Gewerbetreibende Lösungen für Liefer- und Kundenverkehr gefunden werden können.“ Als positives Beispiel führte Dr. Polinna die inter-disziplinäre Zusammenarbeit von „Design for London“ an, bei der Stadtplaner, Landschaftsarchitekten, Verkehrsplaner sowie die Wirtschaftsförderung über mehrere Jahre gemeinsam in einer Abteilung der Verwaltung zusammengearbeitet fahrrad-parkplatznot_u8 leinestraße_neuköllnund Projekte im Bereich der nachhaltigen Mobilität realisiert hätten.

Mit dem Einwohner*innen-Antrag „Fahrradfreundlicher Bezirk Neukölln“ könnten diese Umbauwünsche, die aus dem Transitraum Straße einen Aufenthaltsraum für Menschen machen sollen, unterstützt werden: „Die Bezirksverwaltung wird gebeten, den Radverkehr vermehrt zu fördern, d. h. die Wege-Infrastruktur zu verbessern und auszubauen, ausreichende und sichere Abstellmög-lichkeiten zu schaffen, verkehrsberuhigende Maßnahmen umzusetzen und Fahrradwege freizuhalten“, heißt es in dem Antrag, der noch bis zum Ende dieses Monats unterzeichnet werden kann. Begleitend sind die Parkraum-bewirtschaftung und verkehrsberuhigende Maßnahmen einzuführen. Neben der Stärkung der Personal- und Fachkompetenz in Politik und Verwaltung, sollen finanzielle Mittel bereitgestellt und eingeworben werden. Auch der bezirkliche FahrRat soll als regelmäßiger Beirat wieder eingerichtet werden und mindestens dreimal im Jahr öffentlich tagen. „Bis Ende 2017 soll das Gremium einen Maßnahmenkatalog vorlegen, der zusätzliche Maßnahmen in allen Teilen Neuköllns auflistet, die das Radfahren sicherer, schneller und attraktiver machen“, fordern die Initiatoren des Einwohnerantrags.

Der Einwohner*innenantrag kann hier als pdf-Datei heruntergeladen und bis zum 30. Juni bei Moghul Rikschas (Elbestr. 1) oder bei den Netzwerktreffen abgegeben werden. Unterschriftsberechtigt ist, wer am Tag der Unter-zeichnung mindestens 16 Jahre alt und im Bezirk Neukölln mit alleiniger Wohnung oder mit Hauptwohnung im Melderegister verzeichnet ist.

=Christian Kölling=