Nicht nur im Böhmischen Dorf haben gestern viele Hausbesitzer zur Besichtigung ihrer Gärten eingeladen. Auch in der Hufeisensiedlung in Britz listete das Programm des Tages der offenen Gärten eine Adresse
auf: Hüsung 8. Wer vor dem roten Reihenhaus stand, erfuhr von einer Skizze den Weg ins Grüne der Kaisers, die seit 12 Jahren hier leben.
Ihr Garten ist zugegebener-maßen ein typischer Reihenhausgarten einer Familie: schmal, gepflegt und mit viel Rasen, der von Sträuchern, Beeten mit Kräutern, Nutzstauden und Blumen umrandet wird. Besonders ist, was sich inmitten der Idylle entdecken lässt, denn Angela Kaiser ist Künstlerin und als Sandmalerin weit über die Nachbarschaft hinaus bekannt. In ihr Atelier geht es über eine steile Treppe, die wiederum typisch für die Häuser in der Hufeisensiedlung ist, die seit 2008 zu den UNESCO-Weltkulturerbe-Stätten zählt, ebenso wie z. B. der Kölner Dom, das Wattenmeer, die Grube Messel und die Berliner
Museumsinsel.
Schon Jahre vorher hatte Angela Kaiser (l.) begonnen, sich in einem neuen künstlerischen Metier zu versuchen. Den Impuls, erzählt sie, habe ein Palazzo gegeben, den sie bei einer Italien-Reise entdeckte: „Bei dem Motiv sah ich vor allem Sand und Lehm, also fing ich an zu überlegen, wie sich diese Naturstoffe in der Malerei einsetzen lassen.“ Bis dahin hatte sie größtenteils mit Aquarell- und Acrylfarben gearbeitet. Mit Sand zu arbeiten, war eine neue Heraus-forderung. Wie verhält sich das Material in Verbindung mit anderen? Was ist beim Einfärben zu beachten? Wie erhält man beim Einsatz von Sand dessen Struktur?
„Die Technik ist sehr aufwän-dig“, stellte Angela Kaiser schnell fest. Und ebenso, dass Sand nicht Sand ist, schon haptisch nicht, unter dem Mikroskop würden die Unter-schiede aber noch deutlicher. Anfangs, erzählt sie, habe sie alles nur noch „durch die Sandbrille gesehen“ und von jedem Spaziergang durch die Nachbarschaft sowie von Urlaubsreisen tütenweise Sand mitgebracht: pudrig feinen bis groben, fast weißen bis fast schwarzen. Außerdem wurde sie von Freunden, die in der Welt unterwegs waren, mit Nachschub versorgt: „Das ist auch heute noch so und verläuft gerade bei Flugreisen nicht immer ohne Schwierigkeiten.“ Mal kratzen die Souvenirs an der
Grenze zum Übergepäck oder überspringen sie, mal werden die harmlosen Mineralkörner für etwas Gefähr-liches gehalten. „Inzwischen gibt es Sand aber auch in großer Auswahl im Zoofachhandel, der auf Aquarien- und Terrarienbedarf spezialisiert ist“, verrät die Sandmalerin, die nach einem Design-Studium lange eine Werbeagentur betrieb.
Über 50 Natursandsorten verarbeitet sie in ihren Bildern, die Landschaften, Mystisches oder auch Motive wiedergeben, die Angela Kaiser in Träumen oder Meditationen begegnet sind. „Energiebilder“ nennt die Künstlerin ihre Werke, bei denen der Sand meist für auf der Grundlage von Leim entstehende Reliefs genutzt wird: „Sie dürfen auch gerne angefasst werden, um die Verschie-denartigkeit der Sandstrukturen zu ertasten.“ Oft stoßen die Fingerspitzen dabei zudem auf
Baum-rinden oder winzige Edelsteine.
Längst gibt die Mittfünf-zigerin, die schon als Kind begeistert malte, ihr Wissen um die künstlerische Verwendung des Materials auch an andere weiter. „Bei den Workshops geht es aber um mehr als das Erlernen der Technik. Sandmalerei ist außer-ordentlich meditativ“, so ihre Erfahrung. „Dadurch ergibt es sich meist, dass der Austausch über Erlebtes bei den Workshop-Teilnehmern im Vordergrund steht.“ Bei schö-nem Wetter lernen die angehenden Sandmaler darüber hinaus den Garten der Kaisers kennen.
Die nächsten Wochenend-Workshops im Sandmalerei-Atelier in der Hufeisensiedlung in Britz finden am 18. und 19. Juni sowie 2. und 3. Juli (jeweils von 13 – 16 Uhr) statt. Weitere Informationen: Tel. 030 – 606 82 82 oder ak[at]sandmalerin.de
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