Details aus dem Neuköllner Nord-Süd-Gefälle

obdachlosigkeit neukoelln_foto irenaeus ilnickiWer sich nicht auf eigene Eindrücke verlassen, sondern wissen will, wie es den Neuköllnerin-nen und Neuköllnern geht, wie sie leben und wohnen, kann das seit einigen Tagen in einem neuen Kompendium nachschlagen: dem So-zialbericht Neukölln. „Er beschreibt nicht nur die demographischen, sozialen, kulturellen und gesundheitlichen Besonderheiten unseres bunten Bezirks anhand neuester Zahlen – sondern ermöglicht zudem anschauliche Vergleiche der Neuköllner Kieze untereinander, zu anderen Bezirken Berlins sowie zur Situation der vergangenen Jahre“, informiert Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU) im Vorwort des Nachschlagewerks. Es zeige eindrucksvoll, „dass Bildung, Kindergesundheit und Armutsgefährdung weiterhin zu den wichtigsten Heraus-forderungen des Bezirks gehören“, der zwar bei wachsender Bevölkerungszahl eine positive Gesamtentwicklung verzeichne, zugleich aber Stadtteile mit einer sich sozialbericht neukoelln 2016_bezirksamt neukölln„verschlechternden sozialen Lage“ habe.

Mit einem Altersdurchschnitt von 41,33 Jahren ist Neu-kölln der viertjüngste Bezirk im berlinweiten Vergleich, bei dem er wiederum ganz hinten liegt, was den Anteil 35- bis 65-Jähriger betrifft. Den Spitzenplatz in Berlin hält der Bezirk indes hinsichtlich der Zahl der Einwohner mit Migrationshintergrund und deutscher Staatsange-hörigkeit: 70 Prozent der Neuköllner Kinder stammen aus Familien, deren Wurzeln in einem anderen Land liegen; in Nord-Neukölln bilden Migranten die Hälfte der Bevölkerung.

„Im Jahr 2013 zogen 3.211 mehr Menschen in den Bezirk, als ihn verließen“, weist der Sozialbericht aus, stellt aber auch fest, dass die Zahl im Vorjahr „noch nahezu doppelt so hoch“ gewesen sei. An der sozialen Lage im Bezirk hat sich durch den gesteigerten Zuzug jedoch nichts geändert: Beim Anteil von Einwohnern mit einem niedrigen Bildungsstand ist das Berliner Schlusslicht – jeder Vierte in Neukölln hat maximal einen Haupt- oder Realschulabschluss absolviert, wobei „mit 22 Prozent nahezu doppelt so viele“ biodeutsche Frauen einen niedrigen Bildungsstand als Männer haben. Diese Differenz sei deutlich größer ist als im Berliner Durchschnitt.

Spitze sind die Neuköllner auch in Sachen Erwerbslosigkeit: Auf 13,7 Prozent trifft dieser Status in der Gruppe der Einwohner zwischen 15 und 65 Jahren zu, wie die mit Arbeitsmarktzahlen aus dem Jahr 2014 unterfütterte Auswertung des Sozialberichts belegt.  Ein erhöhter Arbeitslosenanteil zeige sich dabei vor allem in den nördlichen Regionen sowie in der Gropiusstadt, im Neuköllner Süden liege er hingegen „sogar armut neukoelln_foto irenaeus ilnickibis weit unter dem Berliner Durchschnitt“. Ebenfalls ganz vorne behauptet sich der Bezirk im Ranking beim Anteil der Einwohner, die nach SGB II und XII auf staatliche Hilfen zur Existenzsicherung angewiesen sind. Weit vor allen anderen Berliner Bezirken liege Neukölln bei der Zahl der Kinder, die in Armut auf-wachsen, aber auch der Anteil der über 65-Jährigen der Bevölkerung, die nicht ohne Grundsicherungsleis-tungen auskommen, sei in Neukölln mit 8,2 Prozent überdurchschnittlich hoch und „sogar angestiegen“.

Ein zusätzliches Maß zur Beurteilung der Armut inner-halb des Bezirks gebe die Armutsgefährdungsquote an, die den Anteil der Bevölkerung ausweist, deren „Einkommen geringer ist als 60 Prozent des bedarfsgewichteten Pro-Kopf-Einkommens in Berlin“ ausweise. „Da-nach“, so der aktuelle Sozialbericht, „waren im Jahr 2014 in Neukölln 21,5 Prozent der Bevölkerung von Armut bedroht – und damit so viel wie in keinem anderen Bezirk Berlins.“ Davon besonders stark betroffen seien nicht nur Familien mit Migrations-hintergrund, sondern auch die Bevölkerung deutscher Herkunft. So hoch wie nirgendwo anders in Berlin seien zudem „die vorzeitige Sterblichkeit und insbeson-dere die Säuglingssterblichkeit“, was sich in einer vergleichsweise niedrigen mittleren Lebenserwartung ausdrücke.

Als Gegenden mit der größten sozialen Benachteiligung wurden die nördlichen Kieze um den Schulenburgpark, die Treptower Straße Nord, den Körnerpark, die Silber-stein- und Glasower Straße sowie die Rollberg- und Weiße Siedlung ausgemacht. Die geringste soziale und gesundheitliche Last konnte im südlichen Neukölln in Mohriner Allee Nord, Zittauer Straße, Blumenviertel und Waßmannsdorfer Chaus-see festgestellt werden. „Die Vielfalt Neuköllns ist durch große regionale Unterschiede innerhalb des Bezirks gekennzeichnet, welche einer deutlichen Nord-Süd-Verteilung folgen“, manifestiert der Bericht. Dass er nicht etwa – wie zu erwarten wäre – von Bernd Szczepanskis Sozial-Ressort, sondern von Lieckes Abteilung erstellt wurde, liege darin begründet, dass „die Gesundheits- und Sozialbericht-erstattung dort in der Stabsstelle Qualitätsentwicklung, Planung und Koordination gebündelt ist.“

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