Auch der Neukölln-Hype braucht mal Urlaub

Arme Berlin-Touristen. Da reisen sie zum Jahreswechsel in die Hauptstadt, besu- chen bei der Gelegenheit auch den zuvor gemiedenen Bezirk Neukölln, um dessen medial weithin kolportierten Boom nebst der blühenden Gastronomie- und Kreativ-Landschaft selber zu erleben – und dann das: Überall geschlossene Türen und Roll-

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läden, egal durch welches Viertel man sich bewegt. Im Richardkiez herrscht dörfliche Ruhe. In den Straßen des Schiller- und Körnerkiezes sind wesentlich weniger Dialekte und Sprachen als sonst zu hören. Im Reuterkiez können Geschäftsleute, die keine Weihnachtsferien einlegen, ihren Kunden berechtigte Hoffnungen auf einen Parkplatz direkt vor dem Laden machen. Normalerweise ein Ding der relativen Un- möglichkeit in dem Quartier, das in Reiseführern als Kreuzkölln vorgestellt wird.

Wer jetzt im nördlichen Neukölln ist und das auch schon vor dem großen Hype war, fühlt sich um Jahre zurückgeworfen. In die Zeit, als Nachmieter für Wohnungen ver- zweifelt gesucht wurden, reihenweise Läden leer standen, alle in den Bezirk Prenz- lauer Berg wollten und Kreuzkölln noch nicht erfunden war. Gefrühstückt wurde damals – mangels gewerblicher Alternativen – zuhause. Wer nach einem Ort fürs Sonntags-Brunch in Neukölln fragte, wurde einhellig auf das Café Rix verwiesen, die Kneipen-Szene war von Eckpinten geprägt, und für ein Abendessen im Restaurant fuhren Neuköllner nach Kreuzberg oder noch weiter.

Das hat sich mittlerweile grundlegend geändert. Der Norden des Bezirks hat einen Aufschwung vom gastronomischen und kulturellen Entwicklungsland zur Boom- town vollführt. Läden, die lange leer standen, wurden als Galerien, Start-Up-Schmie- den, Cafés, Bars oder  Restaurants  wiedereröffnet. In  einst  verschnarchten Straßen

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pulsiert nun fast rund um die Uhr das Leben. Im Sommer zwingen Stühle und Tische auf den Bürgersteigen zum Slalomlauf, und der Weg zum nächsten Café, zur Eisdiele oder Trattoria scheint oftmals kürzer und bequemer zu sein als der zur eigenen Kaffeemaschine oder zum Gefrierfach. Jetzt erlebt das Do-It-Yourself ein Revival, denn der Neukölln-Hype hat sich samt seiner Mitwirkenden in die Weihnachtsferien verzogen und wird meist erst im neuen Jahr zurück erwartet – wenn die Berliner-Silvester-Touristen wieder weg sind.

=ensa/kiezkieker=

Das FACETTEN-Magazin Neukölln wünscht einen guten Rutsch vom alten ins neue Jahr und ein prächtiges 2014!