Zerstörtes und Verstörendes in einer neuen Ausstellung

Es sind nur wenige Exponate in der Ausstellung „Constructing the Earthquake“. Doch so aufwändig wie deren Aufbau war bisher keiner in der Galerie im Körnerpark. „Vier Tonnen Asphalt, der von Berliner Straßen abge-tragen wurde, mussten von der Sammelstelle im Westhafen per LKW hergebracht werden“, berichtet Kuratorin Dorothee Bienert am Rande der Vernissage am vergangenen Freitag. Ein Radlader habe schließlich die Brocken in die Galerie transportiert und in einen 15 Quadratmeter großen Behälter geschüttet.

Folke Köbberlings Installation „Testphase #3“ ist das Kernstück der Ausstellung, die „Erdbeben als Metapher für gesellschaftliche und emotionale Erschütterungen“ nutzt. Auch sie ist nur ein Sinnbild, veranschaulicht aber zugleich, was ein Big Bang aus Straßen macht. „Jede Viertelstunde wird in Deutschland Natur und Landschaft in der Größe eines Fußballfeldes durch den Bau von Wohnhäusern, Straßen und Gewerbegebieten unwiderruflich zerstört“, so die Künstlerin, die mit dem Exponat auf die Schwierigkeiten einer Rückgewinnung versiegelter Flächen aufmerksam machen will. Dass Galerie-besucher das Werk per Hammer bearbeiten, sei zwar „nicht erwünscht, aber erlaubt“, räumt Dorothee Bienert (l.) ein.

Um rein visuelle Effekte geht es hingegen bei zwei weiteren Bei-trägen von Folke Köbberling (r., neben Sharon Paz und Chryssa Tsampazi) zur Ausstellung: Die 14-minütige, im Loop präsentierte Dokumentation „Automanic“ zeigt die Zerstörungskraft eines ferngesteuerten Mercedes‘, während bei „Crushed Autogeddon“ die in Echtzeit zwei Wochen dauernde manuelle Zerlegung eines Autos in seine Einzelteile dokumentiert wird. Mit ihren künstlerischen Aktionen wolle sie „an eingefahrenen Denkmustern über so alltägliche Dinge wie den Autoverkehr rütteln“.

Alltägliche Momente stellen auch die Video-Installationen von Sharon Paz in den Fokus, allerdings mit einer existenziellen Note. Die Verunsicherung von Menschen, die flüchten müssen oder sich als Migranten eine neue Heimat suchen, wird von der aus Israel stammenden Künstlerin in Bildsequenzen thematisiert, die zugleich Zugehörigkeit wie das Ausgeschlossen-Sein verdeut-lichen. Während jedoch „Watch Out“ dazu auffordert, mit dem eigenen Schatten die Grenze zwischen Innen und Außen zu überwinden,  steht vor „Moving Boxes“ am Ende der Galerie ein Schild, das das Betreten der Installation verbietet.

Neuköllns Kulturstadtrat Jan-Christopher Rämer (l.), der die Ausstellung eröffnete, leitete mit dem Wort Erdbeben zunächst auf eine ideelle und dann auf eine politische Ebene über. Typisch für Naturgewalten sei, dass ihnen eine Stille folge und aus der Kraft des Zerstörerischen durchaus etwas Neues wachsen könne. „Bei der Wahl im September wünsche ich mir aber trotzdem kein Erdbeben“, betonte Rämer und lud dazu ein, bei einer Sitzung im Rathaus mitzuerleben, welche destruktiven Auswirkungen der neue rechte Flügel der Bezirksverordnetenversamm-lung auf die Arbeit der Kommunalpolitiker habe.

Die Ausstellung „Constructing the Earthquake“ wird bis zum 19. Juli in der Galerie im Körnerpark (Schierker Str. 8) gezeigt; Öffnungszeiten: täglich von 10 bis 20 Uhr.

Im Begleitprogramm findet am 17. Mai um 19 Uhr ein Gespräch zum Thema „Kultur auf Linie?“ statt: Övül O. Durmusoglu und Katharzyna Wielga-Skolimowska sprechen über die Erschütterungen in den kulturellen Landschaften in der Türkei und in Polen. Wie nimmt die Politik Einfluss auf Kultur und Medien und warum? Was sind die Folgen? (Moderation: Matthias Reichelt). Am 24. Juni lädt die Galerie um 17 Uhr zu Chryssa Tsampazis Performance „Please Turn Out The Light – I Can Only Play in the Dark“ ein, zur Finissage präsentieren Folke Köbberling und Sharon Paz am 19. Juli um 19 Uhr ihre soeben erschienenen Monografien.

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