Mut zu neuen Wegen: Ausschuss befürwortet eine Fahrradstraße am Weigandufer

radfahren bei schnee_weigandufer_elsensteg neukoelln„Es kommt schon mal vor, dass die Bezirksverord-netenversammlung einen Antrag von der Konsensliste nimmt, um ihn im Ausschuss noch einmal zu beraten“, erklärte der SPD-Bezirksverordnete Marko Preuß vorgestern vor der 31. Sitzung des Ausschus-ses für Verkehr und Tiefbau im Rathaus Neukölln. Jüngstes Beispiel für dieses ungewöhnliche, aber immer mal wieder übliche Verfahren im Neuköllner Bezirksparlament ist der Antrag „Mut zu neuen Wegen – Weigandufer als Fahrradstraße“, den die Fraktion der Piraten im August 2013 in die BVV eingebracht hatte:

Im November 2014 wurde er zuerst im Ausschuss für Wirtschaft abgelehnt, dann folgte im September 2015 die Ablehnung im Ausschuss für Verkehr und Tiefbau. Dass der Antrag der Piraten für die Einrichtung einer Fahrradstraße am Ufer des Neuköllner Schiffahrtkanals von der Treptower Brücke bis zum Weichselplatz trotzdem nicht routinemäßig in der BVV-Sitzung vom 11. November abgewiesen wurde, ist wohl zu einem nicht unerheblichen Teil der guten und kontinuierlichen Lobbyarbeit des Netzwerkes Fahrradfreundliches Neukölln verdanken. Das Netzwerk hatte sich zuletzt mit einem offenen Brief an alle Bezirksverordneten gewandt und darum gebeten, die Empfehlungen der Ausschüsse für Wirtschaft sowie für Verkehr und Tiefbau zu überdenken, um mit der Einrichtung einer Fahrradstraße am Weigandufer „ein Zeichen für Familien, Umwelt und Lebensqualität zu setzen“. Zuvor konnten die Netzwerker bereits die Neuköllner Ortsgruppe des ADFC auf ihre Seite ziehen. Sie unterstützt die Fahrradstraße nach anfänglichen Zweifeln inzwischen vorbehaltlos. Auch die Bezirksverordneten hatten ein Einsehen und radparken im winter_neukoellnüberwiesen den Antrag zurück. Gestern wurde nun einstimmig – ohne Enthaltung oder Gegen-stimme – im Ausschuss Verkehr und Tiefbau die Annahme des Antrags durch die BVV empfohlen.

„Läuft, sagt man heute“, kommentierte Jan Michael Ihl, der mit seinem Netzwerk-Kollegen Peter Feldkamp und einigen Anwohnern vom Weigand-ufer in die Ausschuss-Sitzung gekommen war, den Sinneswandel der Bezirkspolitik. Nach der Entscheidung der BVV sei der letzte Schritt die Prüfung durch das Ordnungsamt. „Ich gehe davon aus, dass es positiv entscheiden wird, weil das Radverkehrsaufkommen am Weigandufer schon lange sehr hoch ist und für die Einrichtung der Fahrradstraße baulich nichts getan werden muss“, schätzt Ihl die Lage ein. Steffen Burger, Vorsitzender der Neuköllner Piraten-Fraktion, hatte zuvor im Ausschuss an die ursprüngliche Begründung des Antrags erinnert: „Das Weigandufer ist besonders geeignet als Fahrradstraße, da es aufgrund des Kanals nur wenige Kreuzungen aufweist. Die postrad_wildenbruchstr neukoellnStraße ist bereits asphaltiert und weil das Ufer parallel zur stark befahrenen Sonnenallee läuft, ist es ein guter Alternativweg durch Neukölln. Vom Aufstellen der Schilder abgesehen, entstehen keine zusätzlichen Kosten.“

Sofern das Weigandufer tatsächlich zur Fahrradstraße wird, worüber das gesamte Bezirksparlament noch endgültig entscheiden muss, genießen Radfahrende hier in Zukunft mehr Schutz. Urs Richter, Anwohner des Weigandufers, der mit seinen beiden dreijährigen Kindern ins Rathaus gekommen war, sagte: „Wenn meine Kinder zehn Jahre alt sind, müssen sie nach dem Gesetz auf der Fahrbahn fahren. Deshalb freue ich mich über die Fahrradstraße besonders!“ Straßen, die nach der Straßenverkehrsordnung als Fahrradstraße gekennzeichnet sind, dürfen von Kraftfahrzeugen nämlich nur benutzt werden, soweit dies durch das Zusatzschild Anlieger frei zugelassen ist. Autos und Lastkraftwagen haben sich dann dem Radverkehr unterzuordnen. Insbesondere dürfen Radfahrerinnen und Radfahrer nebeneinander fahren, was im Allgemeinen Straßennetz nur weigandufer_elbestr neukoellnerlaubt ist, wenn sie den Kfz-Verkehr nicht behindern. Weiterhin gelten Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit und die allgemeinen Vorfahrtsregeln.

Dass das Fahrrad selbst bei winterlichen Temperaturen längst ein ernstzunehmendes Verkehrsmittel geworden ist und die Fahrrad-straße deshalb eine sinnvolle Förderung des rollenden Radverkehrs sein kann, war gestern am Weigandufer und in den benachbarten Straßen zu beobachten. Ob für den ruhenden Radverkehr – beispielsweise in der Karl-Marx-Straße vor den Neukölln Arcaden – ebenfalls eine akzeptable Lösung in Sicht ist, muss sich im kommenden Frühjahr und Sommer erweisen. Auf der Tagesordnung der Bezirkspolitik ist das Thema jedenfalls bereits.

=Christian Kölling=

2 Antworten

  1. Nein, da bin ich falsch zitiert worden. Korrekt: „Läuft, sagt man heute.“ („Geil“ ist doch voll Achtziger und abgesehen davon vulgär …) 😉

    Inhaltlich noch eine Präzisierung: Leider verlangt der Antrag, der nun angenommen wurde, die Fahrradstraße solle „frei für Kraftfahrzeuge“ sein, also ohne Einschränkung auf Anlieger („Anlieger frei“). Wenn das so von BVV beschlossen und von Ordnungsamt angeordnet wird, ist die Fahrradstraße also nur eine kleine Veränderung. Aber immerhin eine gewisse Verbesserung für den Radverkehr in Neukölln.

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