Protest gegen Mini-Apartments in Rixdorf: „Wir brauchen langfristig bezahlbaren sozialen Wohnraum“

Die Quadratmeterpreise für neuvermietete Wohnungen kletterten im Ortsteil Neukölln, der den Norden des gleichnamigen Bezirks umfasst, in der Dekade zwischen 2007 und 2018 von 4,86 Euro auf 11,88 Euro: Das ist ein Anstieg um 146 Prozent und in ganz Berlin der unangefochtene Spitzenwert! „Unter dem Strich ist eine Wohnung in Neukölln heute in etwa so teuer wie eine vergleichbare im noblen Dahlem. Dort kostete die Wohnungsmiete pro Quadratmeter in 2018 durchschnittlich 11,78 Euro“, urteilte deshalb der Tagesspiegel im Mai 2019 in seinem Bericht über eine Langzeitstudie zum Berliner Mietenmarkt.

Aber nicht nur die Entwicklung der Mieten in Neukölln, eine der ärmsten Gegenden der Stadt, führt bei Mieterinnen und Mietern zu Existenzängsten und politischem Widerstand. Auch der weiterhin boomende Immobilienmarkt und die ungehemmte Bodenspekulation bereiten Sorgen: Letztes Jahr wurde die Brache an der Braunschweiger-/ Niemetzstraße von der Kiezinitiative DaWoEdekaMaWa besetzt, um als Nachbarschaftsgarten und sozialer Treffpunkt genutzt zu werden. Damals plante die Sanus AG auf dem Gelände, wo früher ein Edeka-Supermarkt stand, den Bau von Mikro-Apartments zum Weiterverkauf als Einzeleigentum. Im Neubau waren 138 Wohneinheiten auf knapp 6.100 Quadratmetern vorgesehen. Die Größe der Wohnungen sollte zwischen 26 und 52 Quadratmetern variieren.

Das Baugrundstück wurde im Januar 2020 an Cresco Real Estate verkauft. Über den Preis vereinbarte man Stillschweigen. Unter dem Namen „Rix“ soll nun nicht weit vom Böhmischen Platz eine Studierenden-Unterkunft mit 275 modern ausgestattete Mini-Apartments auf sieben Geschossen enstehen, inklusive Lernräumen, Lobby und einigen weiteren Serviceangeboten. „Das Rix wird als Gentrifizierungsmarker die Mieten in den Nachbarschaften unweigerlich weiter steigen lassen. Damit werden weitere Menschen aus ihren angestammten Kiezen verdrängt“, warnte die Initiative DaWoEdekaMaWa am vergangenen Dienstagnachmittag bei einer Kundgebung unter dem Motto „Kein Cash mit dem Kiez“ vor dem Bauzaun. Cresco betreibe bereits unter dem Label Neon Wood zwei Unterkünfte für Studierende an der Warschauer- und der Brunnenstraße, erläuterte eine Rednerin der Initiative. „Satte 630 Euro Warmmiete für knappe 17 Quadratmeter müssen in der günstigsten Kategorie bei Neon Wood bereits bezahlt werden. Das sind 37 Euro pro Quadratmeter!“, empörte sie sich und folgerte: „Diese Luxuspreise dürften auch im Fall der Wohnungen des Rix abgerufen werden.“

DaWoEdekaMaWa spricht sich gegen Mini-Apartments zu Maxipreisen im Kiez aus. Stattdessen fordert die Initiative entweder die Bebauung der Fläche mit preiswerten Wohnungen oder die Nutzung des Geländes als Freifläche für nachbarschaftliche Projekte. Stadtentwicklungsstadtrat Jochen Biedermann bearbeitet gerade einen Bauantrag der Cresco Real Estate. In diesem Zusammenhang wird auch geprüft, ob das Neuköllner Modell bei dem Bauprojekt angewendet werden kann. Der Investor wäre dann gezwungen, für einen gewissen Anteil preiswerten Wohnraums zu sorgen.

Eine kleine Aufführung mit Happy-End präsentierte vor dem Bauzaun schließlich Artur Albrecht, Chef des Kaspertheaters am Böhmischen Platz. Zwar lässt sich der behäbige Kasper im Stück zunächst vom cleveren Immobilienmakler überreden, eine Mikro-Apartment-Etage zu kaufen, tritt aber rasch wieder vom Kauf zurück, nachdem er von der Schädlichkeit des Projektes überzeugt worden ist.

Nach der Aufführung zogen knapp 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kundgebung zum Böhmischen Platz, wo es Filme und Gelegenheit gab, sich kennenzulernen und Informationen auszutauschen. Für den morgigen Mittwoch ist ab 19 Uhr wieder ein offenes Treffen der Initiative gegen Mini-Unterkünfte zu Luxuspreisen auf dem Böhmischen Platz angesetzt.

=Christian Kölling=