Enthüllung einer Botschaft vom gestoppten Wahnsinn

wandbild die axt muss weg_flughafenstr39 neukoellnLangsam, aber sicher greift sie stärker um sich: die Zeit der Entblätterung. Mit ihr zeigt sich – zur Freude von Architektur-Fotografen – vieles wie-der, was in den letzten Monaten verborgen war. So auch die Brandmauer des Hauses in der Flughafenstraße 39, auf der Silvia Götz und Gershom von Schwarze im Jahr 1992 ihr Wand-bild  „Die Axt muss weg!“  vollendeten.

Die Botschaft, erläutert Silvia Götz, beziehe sich auf die Doktrin der Kahlschlagssanierung, wie sie bis in die 1980er Jahre in Berlin und bundesdeutschen Großstädten praktiziert wurde: „Alter, wertvoller Baubestand wurde geopfert um Land für breitere und damit schnellere Autostraßen durch die Städte zu gewinnen.“ Das Wandbild auf der Brandmauer in der Flughafenstraße 39 sei entstanden, weil „dort der Wahnsinn wandbild die axt muss weg_flughafenstr39_neuköllngestoppt wurde“. Westlich davon habe man die Straße rigoros verbreitert und alle Häuser abge-rissen. „Dann muss irgend einem Verantwort-lichen klar geworden sein, dass es so nicht weitergehen kann“, vermutet die Künstlerin. Von weiterem Abriss wurde folglich abgesehen.

„Wir haben eine Perspektive der abgerissenen Häuser, wie sie nach einer sensiblen Sanierung hätten aussehen können, so auf die Brandwand gemalt, dass für die vorbeirasenden Autofahrer, denen man die Intaktheit des Straßenraums geopfert hatte, die Illusion eines sorgfältigen Wiederaufbaus der Abrissbauten entsteht“, beschreibt Silvia Götz das künstlerische Konzept. Durch eine auf einem Schemel liegende Axt haben Gershom von Schwarze und sie bei ihrer Auftragsarbeit mit Acrylfarben zusätzlich eine weithin sichtbare „Makroversion der Botschaft“ geschaffen. Eine dritte Version der Botschaft sei eine türkische Redens-art, wandbild die axt muss weg_flughafenstr39 neuköllndie ins Deutsche übersetzt „Hau mich nicht um!“ heiße: Eine Forderung, die sowohl für die bestehende Bausubstanz, die den Charakter eines Kiezes ausmache, wie auch für die Menschen gelte, denen der Kiez neue Heimat geworden ist.

Bis sich nur noch kahle Äste und Zweige in die Sichtachse auf das Gesamtwerk schieben, wird es noch eine Weile dauern. Um den Schemel mit der Axt, die weg muss, zu sehen, braucht es schon jetzt lediglich die richtige Perspektive.

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