Daran, dass Menschen mit Fotoappa- raten durch die Straßen von Neukölln schlendern, um Augenblicke auf Zel- luloid oder Speicherkarten zu bannen, haben sich die meisten Neuköllner längst gewöhnt. Alles andere als all- täglich ist dagegen das Prozedere, mit dem William Wires aus seinen Neukölln-Eindrücken Bilder macht.
Ein Bürgersteig in der Friedelstraße, mitten im hippen Reuterkiez. Der Landwehrkanal ist gut 100 Meter entfernt, die längst über die Bezirksgrenzen hinaus bekannte Eisdiele Fräulein Frost, mit der sich der Schauspieler Carsten Andörfer ein zweites Standbein aufgebaut hat, auf der
Straßenseite direkt gegenüber. William Wires‘ Galerie braucht nicht viel Platz: Zwei Tafeln, die Werke des Mittfünfzigers im Postkar-tenformat zeigen, lehnen an seinem Fahrrad. Das Atelier ist noch kleiner: Mit einem Qua- dratmeter kommt der Künstler aus, wenn er in aller Öffentlich- keit seine Staffelei aufstellt, um unter freiem Himmel zu arbei- ten. Natürlich könnte er ebenso Fotos seiner Wunschmotive machen und aus diesen Vor- lagen in seinem Kreuzberger Atelier Öl-auf-Leinwand-Werke schaffen, sagt Wires. Aber … Einerseits ist er nicht nur Maler, sondern auch Architekt. Und andererseits: „Eine Kamera sieht viel weniger und ganz anders als die Augen, und ich will malen, was ich sehe.“ Die Farben, die Dreidimensionalität, die Perspektive und die At-
mosphäre – alles solle so authen- tisch wie möglich sein.
Der Aspekt des Miteinanders dieser vier Komponenten ist es auch, der das schmucklose Haus auf der Straßenseite gegenüber für William Wires malenswert macht. Ja, bestä- tigt der Freiluft-Maler, auf den ersten Blick wirke es sehr schlicht und unauffällig, aber die fein abgestimm- ten Farbnuancen seien interessant. Ob ein Geschäft im Haus ist, dessen Inhaber als Käufer des Bildes infrage kommen könnte, ist für den gebürtigen Amerikaner irrelevant. Wirklich groß sei das Interesse bei Berliner Gewerbetreibenden nicht, gemalte Außenansichten in ihren Läden präsentieren zu können. William Wires wird trotzdem weiter mit seinem mobilen Atelier durch die Stadt ziehen, um zu malen, was andere fotografieren.
In der Galerie Rutil (Liegnitzer Straße 34 in Berlin-Kreuzberg) ist noch bis zum 27. Mai die Ausstellung „Confronting Comfort“ mit Werken von William Wires zu sehen. Geöffnet ist donnerstags bis sonntags von 15 – 18 Uhr.
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