„Die älteste Bewohnerin ist 92 Jahre, die jüngste 17 Tage alt“

einzelzimmer domus-rixdorf_neuköllnEin Glas mit Süßigkeiten steht schon als Willkommensgeschenk bereit, das Zimmer mit Bett, Schrank, Tisch, Stuhl und Kühl- schrank ist picobello geputzt. Heute wird es bezogen. „Dann sind wir komplett belegt“, sagt Susanne Hirse, die das im letzten Monat eröffnete Domus-Rixdorf leitet. Wä- re sie Hoteldirektorin, hätte sie guten Grund, stolz auf diese Auslastung zu sein. Aber das Domus-Rixdorf ist kein Hotel, sondern Neuköllns erstes Wohnheim für obdachlose Frauen. Hier, in der Nähe des Neuköllner Schiffahrtskanals, sollen sie vorübergehend – was durchaus Monate bedeuten kann – ein neues Zuhause haben und mit der gemeinschaftsküche domus-rixdorf_neuköllnUnterstützung von Eingliederungshilfen wieder den Weg in die Selbstständigkeit finden, gegebenenfalls mit einem Umweg über betreutes Einzelwohnen.

Insgesamt stehen auf zwei Etagen 11 Einzel- und 16 Doppelzimmer für Alleinstehende oder -erziehende zur Verfügung: „Unsere älteste Bewohnerin ist 92 Jahre, die jüngste 17 Tage alt.“ Viele der Frauen sind Scheidungs- und Trennungsopfer, wurden zwangsgeräumt oder fanden für sich und ihren Nachwuchs keine bezahlbare Wohnung. Dank der Einrichtung bleibt so derzeit acht Kindern das Leben auf der Straße oder in gemischten Obdachlosen- heimen erspart. „Mit einem Frauenhaus ist das Domus-Rixdorf aber nicht zu vergleichen“, betont Susanne Hirse. Männer seien als Besucher durchaus willkommen, müssen sich allerdings spätesdomus-rixdorf_neuköllntens um 22 Uhr wieder verabschieden. Übernachten wird nicht geduldet.

Darauf, dass diese Regel eingehalten wird und die Zielsetzung, Frauen einen sicheren Raum zu bieten, gewahrt ist, achtet das Personal an der  Rezeption. Sie ist  rund um die Uhr besetzt, nimmt jedem, der als Gast kommt, für die Besuchszeit den Aus- weis oder Pass ab, deponiert die Zimmer- schlüssel außerhäusiger Bewohnerinnen und steht den Frauen bei etlichen Anliegen mit Rat und Tat zur Seite. Die Entscheidung, für die Aufgabe keine Sicherheitsfirma einzusetzen, sei sehr bewusst gefallen, so Susanne Hirse: „Stattdessen wurden Mitarbeiter ausgesucht, die eine motto domus-rixdorf_neuköllnhohe soziale Kom- petenz mitbringen.“

Das wissen die Frauen, die mit ihren Habseligkeiten und von Ex-Partnern, Verwandten oder Behörden zer- schlagenen Lebensläufen in der Teupitzer Straße 38 ankommen, zu schätzen. „Was mich wirklich er- staunt, ist unser verhältnismäßig hoher Anteil jun- ger Frauen mit Kindern“, gibt die Leiterin der vom Vita e. V. betriebenen Einrichtung zu. Aber auch die Vorgeschichte der 92-Jährigen lässt Susanne Hirse trotz aller Professionalität nicht kalt: „Weil die Rente nicht für die Miete reichte, ist sie aus ihrer Woh- nung geflogen und dann bei uns gelandet.“

„Gib niemals auf!“ steht über einer Illustration, die neben allgemeinen Verhaltens- tipps zur Verbesserung des Miteinanders an einer Pinnwand im Flur hängt. Zu- versicht, Zielstrebigkeit und Hilfsangebote sollten letztlich bei allen Bewohnerinnen des Domus-Rixdorf dazu führen, dass sie wieder ein selbstständiges Leben in einer eigenen Wohnung führen können. Bei der „an sich noch recht fitten“ 92-Jährigen ist Susanne Hirse jedoch skeptisch, dass es dazu kommen wird: „Sie wäre bestimmt in einem Seniorenwohnheim am besten aufgehoben.“ Aber auch das ist wieder eine Frage der finanziellen Möglichkeiten.

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