Verschwörungstheorien des Jahres im Heimathafen Neukölln ausgezeichnet

heimathafen neukölln_saalbau neukölln„Nüscht jenauet weeß man nich“, lautet ein Spruch in Berlin. Die humoristische Aufklärungskampagne „Der goldene Aluhut“, die vorgestern im vollbesetzten Heimat-hafen Neukölln ihre Preise für die Verschwörungstheo-rien des Jahres in fünf Kategorien vergab, will den Menschen im Alltag mehr wissenschaftlich fundiertes Wissen vermitteln, ihnen aber nicht unbedingt das Zweifeln austreiben.

Preisträger waren für die Genres Verschwörungstheorien allgemein, Blogs & Medien, Politik, Medizin und Wissen-schaft sowie Esoterik gesucht und gefunden worden. Zu denen, die mit dem Negativ-Award 2016 bedacht wurden, gehören u. a. das Compact Magazin in der Kategorie Medien & Blogs, Neonazi-Agitator Dennis Ingo Schulz (The auktion-der-goldene-aluhut_heimathafen-neukoellnTrue Association) sowie „Der Honigmann“ Ernst Köwing.

„Wir leben in Zeiten, in denen die Leute glauben, die Erde sei flach!“, empörte sich die Kampagnen-Initiatorin Giulia Silberberger nach der Preisverlei-hung. Diese und viele weitere Theorien, die wissenschaftlich unhaltbarer seien, würden sich zunehmend nicht nur im Internet großer Beliebtheit erfreuen: „Was anfänglich lustig und verrückt klingt, gipfelt viel zu oft in missbräuchlichen Strukturen und sektenähnlichem Verhalten.“ Dem FACETTEN-Magazin offenbarte Giulia die-partei-alt-treptow-neukoellnSilberberger: „Ich bin Schatzmeisterin der Partei in Charlottenburg-Wilmersdorf. Auch aus anderen Bezirken sind viele Parteikollegen hier.“

Das Programm der Preisverleihung wurde mit Redebei-trägen zu Esoterik, Physik sowie Politik, Rechtsextremismus und Antisemitismus abgerundet. Tobias Geisler warnte vor dem Unfug um die angeblich geheime Kraft der Orgoniten. Physiker Hans Pfeufer erklärte, warum Freie Energie nicht möglich ist. Jörn Beckmann informierte ausführlich über das verschwurbelte Weltbild der sogenannten Reichsbürger.

Obwohl alle Preisträger eingeladen waren, ihre Negativ-Auszeichnungen persönlich entgegen zunehmen, war keiner mit Ausnahme des Neo-Nazi-Agitators Schulz zum Heimathafen Neukölln gekommen. Schulz hatte aber lautstark angekündigt, auf der Bühne den Hitler-Gruß zu zeigen und den Holocaust zu leugnen. Da beides nach deutschem Recht strafbar ist, wurde Schulz vom Veranstalter vorsorglich ein Hausverbot erteilt. Nur seinen zweifelhaften Preis durfte der Neo-Nazi mitnehmen. Alle anderen Anti-Preise wurden am Ende der Veranstaltung – als sich die Reihen negativ-award_der-goldene-aluhut_heimathafen-neukoellnschon sichtbar gelichtet hatten – zusammen mit einer Akasha-Säule, die das Jugendkulturcafé in Troisdorf zur Verfügung stellte, versteigert.

Im Mai 2017 wird das zwölfköpfige Aluhut-Team wieder mit einer Show im Heimathafen Neukölln zu sehen sein; der nächste Goldene Aluhut wird dann hier im Oktober 2017 verliehen. Ein gelungener Abend im Heimathafen. Lautet ein weiterer Spruch, den Kurt Tucholsky im Berliner Tageblatt 1919 in seinem lesenswerten Artikel unter dem Pseudonym Ignaz Wrobel schrieb, doch: „Was darf Satire? Alles.“

=Christian Kölling=