Nahost in Neukölln: Wie verändert der Krieg in Gaza das Leben im Bezirk?

Clara Debour (l.), Lehrerin und Leiterin eines Projektkurses Nahost auf dem Neuköllner Campus Rütli, Imam Ender Çetin (r.), Mitglied des jüdisch-muslimisch-christlichen Projektes Meet2respect, sowie Josefin Prescher (2.v.l.), Projektleiterin von Shalom Rollberg, kamen am vergangenen Donnerstagabend, 25.4., im Nachbarschaftshaus am Körnerpark für ein Podiumsgespräch zusammen.“Wie hat sich ihre Arbeit seit dem Angriff der Hamas auf Israel und dem darauf folgenden israelischen Einmarsch in Gaza verändert?“, wollte die Bürgerstiftung Neukölln von den drei Protagonisten wissen, die sich kontinuierlich in Deutschlands bekanntestem Problembezirk durch Begegnung und Dialog mit ihren Projekten sowohl gegen Antisemitismus und als auch gegen antimuslimischen Rassismus engagieren. Lissy Eichert (2.v.r.) und Kalle Lenz (M.) aus der katholischen Kirchengemeinde St. Christophorus im Norden Neuköllns hatten die Moderation des heiklen Themas übernommen. „Brücken zu bauen ist Teil unserer DNA“, sagte Jean-Philippe Laville, der von Anfang an im Vorstand der 2005 gegründeten Stiftung ist, zur Begrüßung. „Neukölln ist seit Jahrhunderten ein Ort der Zuwanderung und der Zuflucht“, heißt es in der Präambel der Satzung. Die Bürgerstiftung will das Potenzial an Zukunftsfähigkeit, das sie dieser Verbindung von Buntheit, Kreativität und zugleich Beständigkeit erkennt, für den Lebens-, Wohn- und Arbeitsort transparent und produktiv machen, wie sie in dem Dokument schreibt. Keine einfache Aufgabe, die seit dem 7. Oktober in Neukölln, wo es viele familiäre oder freundschaftliche Verbindungen in alle Richtungen zu Menschen in Gaza und in Israel gibt, nicht leichter geworden ist.

„Mich bewegt und besorgt hier allerhand. Es gibt Orte, da gehe ich nicht mehr hin“, sagte Prescher und wies ausdrücklich auf einen zunehmenden Antisemitismus von links hin, dessen Ende nicht absehbar sei. Der 7. Oktober sei für sie ein „absoluter Bruch“ gewesen und es sei bedauerlich, dass Projekte immer erst dann gefördert würden, wenn es zu spät sei, kritisierte sie die fehlende Präventionsarbeit. „Es gibt bei den Jugendlichen sehr viel Wut und Trauer“, berichtete Debour aus ihrer Arbeit mit arabischstämmigen Schülerinnen und Schülern. „Was Politik und Gesellschaft versäumen, müssen wir ausbaden“, beklagte die Lehrerin und forderte unter anderem eine Anpassung der schulischen Rahmenpläne. Grundsätzlich arbeite sie beispielsweise in ihrem Projektkurs nicht mit Schulbüchern, sondern stelle besser geeignete Materialien lieber selbst zusammen.“Wir müssen die Rabbiner fragen, wenn wir mehr über die Juden wissen wollen“, fasste Çetin den Kerndanken des Projektes Meet2respect zusammen, bei dem er gemeinsam mit einem Rabbiner Schulklassen besucht. Persönliche, niederschwellige Kontakte seien immer wichtig, um gegenseitige Vorurteile abzubauen, waren sich Çetin und die anderen Diskussionsteilnehmern einig. Das Fehlen palästinensischer Stimmen auf dem Podium erklärte der Imam damit, dass in der Community Angst vor freier Meinungsäußerung herrsche und sich niemand leichtfertig dem Vorwurf des Antisemitismus aussetzen wolle. Gleich zu Beginn des konstruktiven Gespräches griff Moderatorin Teichert (l.) symbolträchtig ein kleines rotes Konfetti-Herz auf, das sie auf ihrem Platz gefunden hatte, um anschaulich für gegenseitiges Verständnis und das Schulfach „Herzensbildung“ zu werben. Mein Fazit einer gelungenen Veranstaltung: So unzählbar und hartnäckig wie Konfetti, das sich in allen Ecken und Winkeln festsetzt, müssen wohl auch die Bemühungen sein, um eine friedliche und dauerhafte Lösung des Nahost-Konfliktes zu finden.

=Christian Kölling=