Zwischen Baum und Borke (1)

Letzten Freitag vor dem Tor zum Schulhof der Karl-Weise-Schule: Etwa 20 Ju- gendliche sind zum Mitternachtssport gekommen, den der INTEGRA Integrative Sozialarbeit e. V. als Teil des Projekts „Task Force Okerstraße“ seit einiger Zeit jeden Freitag als Alternative zum Herum- lungern anbietet. Doch diesmal bleibt die Gelegenheit zum sozialpädagogisch betreuten Austoben verwehrt. „Unser Schlüssel passt nicht mehr, weil die Schlösser ausgetauscht wurden“, stellt Kazim Yildirim fest. Die Überraschung des Integra-Geschäftsführers hält sich in Grenzen, denn schon vormittags war ihm avisiert worden, dass dem Verein und den Jugendlichen in den nächsten Stunden ein Hausverbot erteilt und der eigentlich bis März gültige Nutzungs- vertrag gekündigt werde. Yildirim zeigt den Umstehenden den Vertrag, unter ihnen einige Frauen und Männer aus dem Quartiersrat Schillerpromenade.

Wenige Stunden zuvor hatten sie noch bei einer seit längerem geplanten Klausurtagung zusammen gesessen. Einen Tag zuvor hatten sie erfahren, dass es in Sachen Integra/Task Force Okerstraße (TFO) brisante Entwicklungen gibt. Nicht das Quartiersmanagement (QM), sondern ein Beiratsmitglied habe eine Presseerklärung von Integra per E-Mail an das Gremium verschickt, die darüber informiert, dass dem Verein die Trägerschaft für das Projekt „Task Force Okerstraße“ gekündigt worden sei. Von einer „Unstimmigkeit, die in der Zusammenarbeit zwischen dem QM Schillerpromenade und Arnold Mengelkoch, Neuköllns Migrationsbeauftragtem, gegenüber der Projektdurchführung“ aufgetreten war, ist in dem Schreiben die Rede. Aber es geht noch tiefer ins Detail: „Wir wurden mehrfach aufgefordert über die von uns betreuten Klienten ausführliche Sozialdaten, die unter Datenschutz fallen, zu übermitteln. (…) Da wir der Aufforderung zur Informationsweitergabe nicht nach- gekommen sind und diese konsequent abgelehnt haben, wurde unserem Träger der Projektauftrag gekündigt.“

Binnen weniger Stunden nachdem die Integra-Presseerklärung die Runde gemacht hatte, habe sich auch das QM  erstmals gegenüber dem Beirat zum Thema geäußert, sagt jemand aus dem Kreis: Per Mail hätten die Quartiersmanager erklärt, dass die schriftlich fixierten Behauptungen jeglicher Grundlage entbehrten und nicht Grund der Kündigung des Vertrags mit dem Träger seien. „Bei unserer Klausurtagung sind sie dann noch näher auf den wahren Kündigungsgrund eingegangen, aber darüber dürfen wir nicht reden“, ist zu hören.

Kazim Yildirim redet jedoch weiter – und verwirrt die anwesenden Beiratsmitglieder mit jedem Wort mehr. Integra habe gegenüber QM und Bezirksamt regelmäßig Informationen über die sozialarbeiterischen Betreuungsleistungen nebst anony- misierten statistischen Daten über die Klienten abgeliefert. Doch die Ansagen der Auftraggeber, dass sie „etwas Handfestes“ bräuchten, sagt er, seien immer drängender geworden. Er erzählt von einem Gespräch zwischen den Parteien, das im Oktober letzten Jahres im Integra-Büro stattgefunden habe. „Ich weiß nun wirklich gar nicht mehr, was und wem ich glauben soll“, resümiert eine Frau aus dem Quar- tiersbeirat. Yildirims Auskunft, dass der Leistungsvertrag bereits am 22. Dezember zum 1. Januar durch das Bezirksamt Neukölln gekündigt worden sei, reißt sie weiter in den Strudel zwischen den beiden Wahrheiten.

„Hätte es die Presseerklärung von Integra nicht gegeben“, vermutet ein Beiratskollege von ihr wenige Tage später, „wüssten wir wahrscheinlich bis heute nichts von der Kündigung. Dabei hätten wir als Gremium, das das Projekt TFO bewilligt hat, umgehend vom QM darüber informiert werden müssen.“ … (Fortsetzung folgt)

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