Neue Bestandsaufnahme des Zusammenlebens in Nord-Neukölln veröffentlicht

heinemann_liecke_yidririm_madonna neuköllnProblem- oder Trendbezirk? Über Neukölln wird in lokalen und bundesweiten Medien viel geschrieben, aber oft werden nur Klischees bedient. Eine fundierte sozialwissenschaft- liche Studie, die die Stimmung der Nord-Neuköllner Einwohnerschaft zusam- menfasst, legte dagegen nun die Camino Werkstatt gGmbH mit der Bestandsauf- nahme „Zusammenleben in Nord-Neukölln“ vor. Ihr Autor Dr. Albrecht Lüter sowie Camino-Geschäftsführerin Dorte Schaffranke stellten die Untersuchung am vergan- genen Mittwoch gemeinsam mit Bezirksstadtrat Falko Liecke (M.), zuständig für die Ressorts Jugend und Gesundheit, und Mitarbeiterinnen des  Weiterlesen

Unsichtbar durch Neuköllns Untergrund

respekt in sicht, unsichtbares theater für toleranz, lokaler aktionsplan nord-neuköllnDie Leute der TheaterZoneNeukölln sind auf das Schlimmste vorbereitet: Beson- ders viele, fürchten sie, werden es wohl nicht sein, die  morgen Abend der Einla- dung zur Abschlusspräsentation ihres Projekts  „Respekt in Sicht“  folgen wol- len. Gar übermächtig erscheint die Kon- kurrenz durch die 9. Sitzung der Neuköll- ner Bezirksverordnetenversammlung EM- Begegnung zwischen Deutschland und den Niederlanden. Ob die  spannend und sehenswert  wird, bleibt abzuwarten – auf die „Respekt in Sicht“-Präsentation wer- den beide Attribute aber definitiv  zutreffen.

Vor allem in den U-Bahnlinien 7 und 8, also tief im Neuköllner Untergrund, waren die Schauspieler in letzten Monaten unterwegs – in so geheimer wie öffentlicher Mission. Ihre Ziele: die  Förderung des Zusammenlebens der Kulturen und der Kommuni- kation. Ihr Mittel: das vom Brasilianer Augusto Boal entwickelte  unsichtbare Theater, bei dem inmitten ahnungsloser Passanten Szenen gespielt werden, die das Pu- respekt in sicht, unsichtbares theater für toleranz, lokaler aktionsplan nord-neuköllnblikum zum Mit-, Nach- oder Um- denken anregen. „Der Trick ist“, sagt Regisseurin Signe Ibbeken (l.), „dass die Leute Theater nicht als Theater sondern als Realität erleben und so – ohne es zu merken – zu aktiven oder passiven Akteuren werden.“

Vorrangig um Fragen wie  „Wie wol- len wir leben? Was wünschen wir uns? Wie sähe ein Miteinander mit Respekt und ohne Vorurteile aus?“ sei es bei den Szenen der bisherigen acht Touren gegangen, erklärt Schauspieler Simon Mayer (r.). Keinesfalls wollten sie durch ihre Impulse jedoch Diskussionen auf  Stammtisch-Niveau auslösen: „Der Ansatz vom Unsichtbaren Theater für Toleranz ist, Sympathie für die Figuren und ihre Themen zu erreichen und die Neugier aufeinander  zu wecken.“ Wunderbare Erlebnisse hätten sie dabei gehabt, schwär- men der Schauspieler und die Regisseurin.

Von denen erzählen sie morgen ab 19 Uhr bei ihrer Projekt- und Video-Präsentation im Familienzentrum Kleiner Fratz in der Glasower Straße 54.

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„Im eigenen Zuhause leben Frauen am gefährlichsten“

Zwei auf einen Schlag – mit diesem Slogan begannen die in der letzten Mai-Woche verschickten Presse-Informationen, die die Doppelveranstaltung am 7. Juni vor dem bzw. im 5. infobörse für frauen in neukölln, rathaus neuköllnRathaus Neukölln ankündigten. Sylvia Edler, die Gleichstellungsbeauftragte des Be- zirks, hatte damit zur  5. Infobörse für Frauen auf dem Rathausvorplatz eingeladen, Jugend- stadtrat Falko Liecke zum Projekttag des Lokalen Aktionsplans Nord-Neukölln  im BVV- Saal. Doch dann kam die Nacht vom 3. auf den 4. Juni, in der im Nachbarbezirk Kreuzberg eine 30-Jährige zum Opfer bestialischster häuslicher Gewalt wurde. Das Wort  „Schlag“ 5. infobörse für frauen in neukölln, rathaus neukölln, anti-gewalt-flaggetrifft – mitten ins Zentrum des Deplatzierten. Ließe es sich doch klammheimlich durch „Streich“ oder etwas ähnlich Unbelastetes ersetzen.

Um die 40 frauenpolitische Projekte, Vereine und Institutionen gehören dem Netzwerk Frauen in Neu- kölln an, das von Sylvia Edler initiiert wurde, jährlich die Infobörse veranstaltet und sich dafür einsetzt, „die  Chancengleichheit für Mädchen und Frauen  Realität werden zu lassen“. Wohlwissend, dass es in diesem Bereich „noch viel Handlungsbedarf“ gibt. Doch Themen wie Bildung, berufliche Orientierung und Qualifizierung rückten bei diesem Aktionstag aus aktuellem Anlass in den Hintergrund.

„Wir sind schockiert“, sagt Sylvia Edler. Ihre Stimme kippt immer wieder, als sie über 5. infobörse für frauen in neukölln, rathaus neukölln, gleichstellungsbeauftragte sylvia edler, stadtrat falko lieckedas grausame Verbrechen an Sema- nur S. spricht. „Gewalt ist nicht hin- nehmbar und sie ist unabhängig von Einkommen, Bildung, Alter und Reli- gion.“ Frauen, berichtet die Neuköll- ner Gleichstellungsbeauftragte, wür- den  im eigenen Zuhause am gefähr- lichsten leben. Jede vierte Frau in Deutschland sei dort bereits Opfer seelischer oder körperlicher Gewalt gewesen, 80 Prozent der Taten wür- den von Männern verübt werden. Vor der Rathaustreppe haben sich einige Mitglieder des „Männer gegen Gewalt“-Projekts versammelt, das von der türkischen Väter- initiative männer gegen gewalt, aufbruch neukölln e.v., kazim erdogan, 5. frauen-infobörse neuköllngruppe des Aufbruch Neukölln e. V. angestoßen wurde. Sylvia Edler begrüßt den Initiator Kazim Er- dogan, betont die Wichtigkeit des Anliegens und des Signals, das durch das Projekt von der Community ausgehe. „Die Kapazitäten der Frauenhäuser sind immer ausgelastet, trotz des Gewaltschutzgesetzes, das viele Möglichkeiten geschaffen hat“, so die Gleich-stellungsbeauftragte. Die adäquateste Maßnahme sei der Platzverweis, der auf der Grundlage  „Wer schlägt, der geht“  fußt.

16.108 Fälle häuslicher Gewalt weise die Kriminalstatistik 2011 für Berlin aus. „Das sind  über 40 Einsätze pro Tag!“, mahnt Edler. Um ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen zu setzen, habe sie heute extra die Terre des Femmes-Fahne hissen lassen, schweigeminute für semanur s., 5. frauen-infobörse neukölln, rathausturm neuköllndie  sonst eigentlich nur am 25. November  über dem Rathaus-Vorplatz flattert. Um zehn nach 12 bittet Sylvia Edler um ein weiteres Zeichen: eine Schweigeminute für die getötete Kreuzbergerin.

„Die Zahl der Fälle häuslicher Gewalt in der Ber- liner Kriminalstatistik steigt eher, als dass sie sinkt“, sagt später ein Polizist vom Info-Stand der Polizei. Daraus dürfe man aber nicht schließen, dass die Gewalt zugenommen hat. Vielmehr sei es so, dass die massive Auf- klärungsarbeit über das Gewaltschutzgesetz Früchte trage und Vorkommnisse häuslicher Gewalt häufiger gemeldet würden.

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