Filmprojekt der Alfred-Nobel-Schule für den Deutschen Jugendfilmpreis nominiert

Eine Filmklasse der Alfred-Nobel-Schule beschäftigte sich von September 2021 bis September 2023 in dem Langzeitprojekt „Manchmal muss man mutig sein …“ mit den Wirkmechanismen von Antisemitismus, Antiziganismus, Rassismus und Verschwörungsideologien. Das zweijährige Projekt in Kooperation mit Young Arts Diversity und der Jugendkunstschule Neukölln wurde künstlerisch und produktionstechnisch von der Filmemacherin Anna Caroline Arndt  und pädagogisch von dem Kunst- und Filmlehrer Christopher Vogl begleitet, der auch Leiter der Jugendkunstschule Neukölln ist. Begünstigt wurde das Projekt durch eine Zusammenarbeit mit dem Alice Kindermuseum im FEZ-Berlin, wo Claudia Lorenz (M.) und Stefan Ostermeyer die Ausstellung „Susi und wir, vom Hingucken und Wegschauen“ zum Thema Antisemitismus zusammenstellten und noch einen geeigneten schulischen Kooperationspartner suchten. Nach einer Filmvorführung am 29. April für Lehrerinnen, Lehrer, Schülerinnen, Schüler und andere Interessierte im FEZ in der Wuhlheide zog das Projekt der Alfred-Nobel-Schule eine positive Bilanz. Größter vorzeigbarer Erfolg: Der von der Filmklasse produzierte, knapp zwanzigminütige Film Muscha wurde für den Deutschen Jugendfilmpreis im Juli 2024 nominiert.

„Uns ist aufgefallen, dass es an der Alfred-Nobel-Schule praktisch keine Auseinandersetzung mit dem Thema Judentum und Antisemitismus gibt. Vermutlich hängt dies mit der Scheu der Lehrkräfte zusammen, sich mit diesem komplexen Thema in einer Schule auseinanderzusetzen, in der immer wieder antisemitische Vorfälle passieren“, erklärte mir Vogl, warum er und Arndt sich für das Projekt entschieden. „Wir denken, dass eine Beschäftigung mit Antisemitismus sehr wichtig ist, es aber ein gut geplantes und gut unterstütztes Projekt sein muss, um eine wirklich nachhaltige Auseinandersetzung mit dem Thema zu erreichen“, so Vogl. Zum einen sollten die Schülerinnen und Schüler die Mechanismen von Hass und Ausgrenzung erkennen und sich aktiv damit auseinandersetzen, indem sie ihre Empathiefähigkeit stärken und zum Perspektivenwechsel befähigt werden. Zum anderen sollten sie durch die öffentliche Präsentation der Arbeiten ihre eigene Selbstwirksamkeit erleben können und ermutigt werden, ihre Komfortzone zu verlassen.

Der Film Muscha basiert auf der authentischen Biografie des Sinto Josef „Muscha“ Müller, der im Jahr 1932 in Bitterfeld geboren wurde und im Alter von 14 Monaten zu Pflegeeltern nach Halle an der Saale kam. Der 12-jährige Muscha wurde 1944 aufgrund der nationalsozialistischen Rassenpolitik zwangssterilisiert. Sozialdemokratische Freunde der Pflegefamilie befreiten Muscha nach der Zwangssterilisation aus dem Krankenhaus, da ihm die Deportation in ein Konzentrationslager drohte, und versteckten ihn bis zum Kriegsende in einer Gartenlaube. Anja Tuckermanns Roman Muscha, erschienen im Klak Verlag von Jörg Becken (3.v.l.), diente als Vorlage für das Drehbuch. Im Mittelpunkt des Films stehen die Anfeindungen und Ausgrenzungen durch Mitschüler und Erwachsene, die Muscha im nationalsozialistischen Deutschland bis hin zu seiner Zwangssterilisation erdulden muss. Erst nach dem Ende des Krieges wagen es Muschas Pflegeeltern, ihn über seine Adoption und seine Herkunft aufzuklären.

Die Filmemacherin Anna Caroline Arndt (l.), die zusammen mit Christopher Vogl seit acht Jahre die Filmwahlpflichtkurse an der Alfred-Nobel-Schule betreut, möchte den Jugendlichen nicht nur beibringen, wie Filme gemacht werden, sondern sie vor allem dabei unterstützen, ihre eigenen Ideen bei den Dreharbeiten umzusetzen. Besonders talentiert zeigten sich Aycha (r.), die das Drehbuch schrieb und Regie führte, sowie Achilleas an der Kamera. Intensiv bereiteten die Schülerinnen und Schüler sich auf die Produktion des Films Muscha vor. Sie machten im Alice Kindermuseum einen Workshop, lasen im Unterricht Texte zum Thema, wie die Nürnberger Rassengesetze, und sahen sich Filme wie Schindlers Liste von Steven Spielberg und Die Welle von Dennis Gansel kritisch an. Schließlich galt es. auf der Suche nach Darstellern Jugendliche und Erwachsene in der Schule anzusprechen und geeignete Drehorte in der Umgebung zu finden.

Im Dezember 2023 wurde der Film Muscha in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand uraufgeführt. Ein Jahr zuvor hatte die Filmklasse mit ihrem Kurzfilm Du, ich, wir Alle an den Filmtagen Bayerischer Schulen in Holzkirchen bei München teilgenommen. Über ihre Erfahrungen in der ungewohnten bayerischen Umgebung drehten die Schülerinnen und Schüler eine Dokumentation, die unter dem Titel Die Reise im Juni 2023 während des Festivals 48 Stunden Neukölln im Young Arts in der Donaustraße erstmals gezeigt wurde. Nun ist die Alfred-Nobel-Schule gespannt, wie Muscha im Juli beim Deutschen Jugendfilmpreis in Duisburg abschneiden wird.

=Christian Kölling=