Niklas für Neukölln

vorlesewettbewerb2014_stadtbibliothek neuköllnEr war als Letzter dran, weil er die Start-nummer 12 gezogen hatte. Vor ihm konnten bereits 11 Schülerinnen und Schüler vor fünf Juroren und viel Publikum ihr Talent als Vor- leser beweisen. Zuerst durften sie drei Minuten lang aus einem selbstgewählten preise_vorlesewettbewerb2014 neuköllnBuch vorlesen, an- schließend wiede- rum drei Minuten aus einem, das sie nie zuvor in der Hand gehalten hatten. „Wenn ihr in dem an schwierigen Fremdwörtern wie ‚intergalaktisch‘ oder engli- schen Ausdrücken wie ‚Bed and Breakfast‘ hängenbleibt, macht das nichts“, hatte Monika Koch die Kinder beruhigt, die vorgestern am Bezirksentscheid des Vorlesewettbe- werbs für Grundschüler teilnahmen. „Solche Wörter“, versicherte die Mitarbeiterin der Stadtbibliothek Neukölln, „werden nicht bewertet.“

finalisten bezirksentscheid vorlesewettbewerb2014 neuköllnEin willkommener Hinweis für manche der Sechstklässler; andere hätten ihn nicht ge- braucht und meisterten die sprachlichen Stolperfallen perfekt. Zu ihnen gehörte auch Niklas Fischer. „Der Tag, an dem ich cool wurde“ hieß das Buch, aus dem er zuerst vorlas – laut und deutlich, fehlerfrei, flüssig, mit pointierter Betonung und unterschied- lichen Stimmlagen bei wörtlicher Rede. Sogar an den Blickkontakt zum Publikum dachte der 11-Jährige in dieser Stress- situation. Und auch beim anschließenden Vorlesen des Fremdtextes war ihm die Aufregung kaum anzumerken. Lediglich die Tatsache, dass er anfangs, genau wie die meisten Konkurrenten, beim Lesen den rechten Zeigefinger zuhilfe nahm, verriet den franziska giffey_vorlesewettbewerb2014_stadtbibliothek neuköllnDruck, alles richtig gut machen zu wollen.

Bis Niklas erfuhr, dass er es sogar am besten gemacht hatte, dauerte es. Die Jury – bestehend aus Schulstadt- rätin Dr. Franziska Giffey (l.), einer Grundschullehrerin, einem Bibliotheksmitarbeiter, einer Lesepatin und einem Schriftsteller – brauchte Zeit für ihre Entscheidung. „Von den Teilnehmern wissen sie nur den Namen und das Alter. Die Schule wird den Juroren bewusst nicht ge- nannt“, erklärte Monika Koch im Vorfeld. „Um zu verhin- dern, dass deren Lage oder Ruf in die Bewertung ein- fließt.“ Einzig die Leistung sollte darüber entscheiden, wer das Neukölln-Finale gewinnt, den Bezirk beim Berlin-Entscheid vertritt und da- nach womöglich als Landessieger in den deutschlandweiten Vorlesewettbewerb des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels einzieht.

„Es war hervorragend, was hier geboten wurde, und ich bin stolz auf euch alle“, lobte Franziska Giffey die gespannt auf die Entscheidung wartenden Titelaspiranten. Als Balsam für ihre Seele bezeichnete die Stadträtin das Erlebte: „Im Alltag habe ich mehr mit Kindern mit sprachlichen Problemen zu tun, aber auch das, was ihr heute geleistet habt, ist Neukölln.“ Schon bei der Auswahl der Bücher, stellte sie fest, hät- ten sich die Kinder viel Mühe gegeben und Texte ausgesucht, die nicht nur zu ihnen siegerehrung_vorlesewettbewerb2014_bezirksentscheid neuköllnpassten, sondern auch vielfältige gesellschaft- liche und jugendrelevante Themen zum Inhalt hatten. Es sei ein knappes Ergebnis gewesen, sagte sie, bevor sie zunächst den elf zweiten Gewinnern Glückwünsche, Buchgeschenke und Urkunden überreichte – und somit Niklas Fi- scher als Bezirkssieger feststand.

Gehofft, ja, das habe er auf diesen Ausgang, „aber die anderen waren auch richtig stark“, sagte der Schüler der Bruno-Taut-Schule im Neuköllner Ortsteil Britz, als ihm nach Franziska Giffey (l.) und Monika Koch (2. v. l.) auch endlich seine niklas fischer_bezirkssieger vorlesewettbewerb2014_stadtbibliothek neuköllnLehrerin (r.) und seine Mutter gra- tuliert hatten. Zusätzlich zu den Geschenken, die auch die zweiten Sieger bekommen hatten, wurde er mit Blumen, einem Büchergutschein und einer Einladung zum Karussellfahren bei den demnächst beginnen- den Neuköllner Maientagen belohnt. Noch wichtiger aber war ihm eine andere Einladung: Die zur Teilnahme am Landesentscheid des Vorlesewettbewerbs am 14. Mai in der Berliner Landesbibliothek. Dort wird Niklas Fischer auf die Sieger aller anderen Bezirke treffen.

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