10 von 13 von 27: Enthüllung neuer Infotafeln zur Geschichte des Tempelhofer Feldes

flughafengebäude_tempelhofer freiheitEs herrschte Segelwetter gestern Vormittag am Platz der Luftbrücke. Hier, vor dem Gebäude des ehemaligen Flughafens Tempelhof,  sollen zwei Tafeln des Infor- mationspfades feierlich enthüllt werden – stellvertretend für 10 Tafeln, die an diesem Tage der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Genau genommen sind es 13, für die rund 60.000 Euro in die Hand ge- nommen wurden. „Wegen der Grabungen auf dem Areal des ehemaligen KZ Columbia mussten aber zwei Tafeln vorübergehend wieder eingelagert werden“, sagt Monica Geyler-von Bernus vom Berliner Forum für Geschichte und Gegenwart e.V. (BFGG). „Und die Logistikflächen der Bread & Butter verhindern zurzeit noch die Aufstellung der 13. Tafel.“ Bereits vor einem Jahr wurden Informationstafeln über das Gestapo-Gefängnis und spätere Konzentrationslager Columbia eingeweiht; insge- samt sollen es 27 solcher Tafeln auf dem Tempelhofer Feld werden.

Nun wäre ein Festakt ohne Ansprachen kein Festakt und so treten nach einleitenden Worten von Martin Pallgen, Leiter Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit der Tempelhof Projekt GmbH, Prof. Dr. Andreas Nachama, Direktor der Topographie des Terrors sowie Monica Geyler-von Bernus, Prof. Dr. Stefanie Endlich und Beate Rossié martin pallgen_infotafeln thf_berlinvom BFGG hinter das Rednerpult.

Martin Pallgen (l.) macht deutlich, dass die Arbeit der Tempelhof Projekt GmbH im Spannungsfeld des Bewahrens und des Entwickelns steht – sowohl in die Zukunft schauend, als auch die Geschichte im Blick habend. Dabei sei die Fach- kompetenz der Mitglieder des „Runden Tisches Geschichte“ unter Vorsitz von Prof. Dr. andreas nachama_infotafeln thf_berlinNachama (r.) unabdingbar.

Er ist dann auch der nächste am Rednerpult und äußert den Wunsch, dass dieser Pressetermin genau solche Resonanz finden möge wie in letzter Zeit Ter- mine an anderen Flughäfen. Jedenfalls verdiene dieses Projekt das verstärkte Interesse der Öffentlichkeit. Denn es gehe um die Geschichte unserer Stadt, die Verantwortung um die Zukunft des authentischen Ortes und um die Erinnerung an Menschen, deren Schicksal mit diesem Areal prof dr andreas nachama_infotafeln thf_berlinver- bunden ist. Da die Steine der vorhan- denen Bauwerke „nicht von selbst reden“, müsse dieses Gelände für den interessierten Besucher mar- kiert werden, und die Erschließung sei eben mit diesen Tafeln zu er- zielen. Nachdem er noch einmal im Schnelldurchgang die Geschichte des Tempelhofer Feldes, des Flug- hafens und seiner Gebäude umreißt, gibt er der Hoffnung Ausdruck, einer der künftigen Nutzer möge die jetzt mit den Informationstafeln begonnenen Schritte einer umfassenden Geschichtsdokumentation fortsetzen.

Monica Geyler-von Bernus berichtet, dass sich ein kleines Team des Berliner Forums für Geschichte und Gegenwart e.V. seit 2004 mit der historischen Kommentierung des Olympiastadions beschäftigt. Da hätte es monica geyler-von bernus_infotafeln thf_berlinnahe gelegen, meint sie, sich auch über das Tempelhofer Feld Gedanken zu machen. Daraufhin hätten sie ein dreistufiges Konzept vorgeschlagen. Das sind zum einen die Tafeln, dann eine „Vertiefung“ genannte Stufe, die noch vom „Runden Tisch Geschichte“ zu beraten sein wird, und eine Ausdehnung des Informations- pfades auf das umliegende Stadtgebiet, z. B. auf das Zwangsarbeitslager der Kirche und auf Häuser, in denen Zwangsarbeiter gewohnt haben. Sie freue sich sehr darüber, so Geyler-von Bernus, dass die „Stufe 1“ nunmehr realisiert worden ist. Von ihr ist auch zu erfahren, dass die Tafelinhalte über das Gestapo-Gefängnis/Konzentrationslager wegen der Grabungen am Colum- biadamm derzeit nur im Internet zu sehen sind und die Archäologen ihre Grabungs- ergebnisse am 14. Juli präsentieren werden.

Prof. Dr. Stefanie Endlich erläutert anschließend die Philosophie ihrer gemein- samen Arbeit, die darin besteht, die erarbeiteten historischen Materialien nicht in Form einer prof dr stefanie endlich_infotafeln thf_berlinAusstellung zu präsentieren sondern am authentischen Ort. Wichtig dabei sei ihnen die Erinnerung an unterschiedliche Zeitschichten, z. B. an die frühere, zum Teil vergessene Vorgeschichte eines Ortes oder den späteren Umgang mit einer schwie- rigen, oft lange verdrängten politischen Geschichts- etappe, wie hier der nationalsozialistische Entste- hungs- und Nutzungszusammenhang der gesamten Flughafenanlage. Sie hätten sich folgende Fragen gestellt: Wie werden heute die NS-Monumental- bauten wahrgenommen, welche Merkmale lassen sie als spezifisch nationalsozialistisch erscheinen und wie können und sollen sie in ihrer einstigen Funktion kenntlich gemacht werden? In ihrem Bemühen um die sachliche und komplexe Weise der Darstellung, die sie dabei anstreben, unter- beate rossie_infotafeln thf_berlinscheide sich ihre historische Kommentierung von Gedenktafeln und Gedenkzeichen.

Auf die Tafeln selbst geht dann Beate Rossié ein: „Im Berliner Themenjahr 2013 haben wir besonderes Augenmerk auf NS-Themen gerichtet. Deshalb beziehen sich acht der Tafeln auf die NS-Zeit und ihre unmittelbaren Folgen.“ Eine erinnert an einen der größten Massenaufmärsche anlässlich des 1. Mai 1933 und wurde in der Nähe der von Albert Speer gestalteten Großtribüne aufgestellt. Damit stehe sie ebenso am authen- tischen Ort wie die die Tafeln des KZ Columbiahauses, des Zwangsarbeiterlagers mit Rüstungsproduktion (Stukas), des Airlifts für Holocaust-Überlebende, des US- enthüllung infotafeln thf_berlinLuftwaffenstützpunktes, des Fluchtpunktes Tau- sender ausgeflogener DDR-Flüchtlinge, des Schauplatzes der Kinder-Luftbrücke (1953-1957) und nicht zuletzt die beiden heute zu ent- hüllenden Tafeln zum Thema Luftfahrtgeschichte.

Der gesamte fertige Infopfad wird sich als Kulturgeschichte des Tempelhofer Feldes lesen lassen – von den Anfängen als Exerzierplatz der Berliner Garnison über die 1920er Jahre, in der die Gartenstadt Neu-Tempelhof und der erste Flughafen auf dem Gelände entstanden, über die NS-Zeit, als das Tempelhofer Feld Schauplatz nationalsozialistischer Masseninszenierungen und Verfolgungen wurde sowie die darauf folgende Zeit des Kalten infotafeln-enthüllung_tempelhofer freiheit_berlinKrieges bis hin zur Schließung des Flughafens Tem- pelhof  vor wenigen Jahren.

Dann folgten die Enthüllung der Tafeln und das Bergen der baumwollenen Abdeck-tücher. Da sich diese wie Segel blähten, war das bei der herrschenden Brise nicht ganz einfach.

=kiezkieker=