Augenblick mal! Wie lange danach gewartet wer- den muss, hängt von verschiedenen Faktoren ab, weil so ein Augenblick – wie auch dessen Kumpel, der Moment – eben nichts ist, was sich in starre Zeitspannen pressen lässt. Selbst der Duden bleibt bei seiner Definition des Begriffs „Augenblick“ äußerst schwammig und spricht von einer „sehr kurzen Dauer“.
Was also ist zu erwarten, wenn ein Fotowett-bewerb mit dem Thema „Augenblick Neukölln“ ausgeschrieben wurde? Wie lösen Fotografen die Aufgabenstellung? Und welche Maßstäbe legen Juroren bei der Auswahl der eingesandten Aufnahmen an, um die besten sechs zu er- mitteln? Seit der Vernissage der Ausstellung, die alle Wettbewerbsbeiträge zeigt und mit der Ehrung der Gewinner einherging, können sich die Besucher des Neuköllner Leuchtturms selber ein Bild machen.
„45 Fotografen haben 147 Fotos für den Wettbewerb der Bürgerstiftung Neukölln eingereicht“, sagt Noch-Leuchtturm-Chef Bernhard Thieß. Mit einem ausgeklügelten Punktesystem und engagierten Diskus-sionen, erläutert er, seien dann von der fünfköpfigen, überwiegend mit Fotografen besetzten Jury die sechs Sieger-Bilder herausgefiltert worden, für die Geld- und Sachpreise ausgelobt waren. „Das war keine leichte Aufgabe und auch kein leichtes Thema“, ist Thieß sicher.
Beides spiegelt sich in der Ausstellung wider: Viele der Bilder zeigen zweifellos Momentaufnahmen mit Neuköllner Lokalkolorit, wirken jedoch beliebig und am Motto vorbei, weil die Motive keine Dynamik und nicht die Spur einer Ahnung von dem
vermitteln, was vor und hinter dem Augenblick liegt. Noch fragwürdiger wird die Ko- existenz von Thema und Ergebnis, wenn nicht mal der möglicherweise magische Moment des Fotografierens über das Bild transportiert wird und jeglicher Hauch des
Besonderen als Geheimnis bei dem- oder derjenigen hinter der Kamera verbleibt. Auch das mystisch anmutende Foto einer Birkenreihe vor der Brandmauer eines Hauses (l.), mit dem Anton Borck den Wettbewerb der Bürgerstiftung Neukölln gewann, schafft es – trotz des unver- kennbaren Blicks für Motiv und Stimmung – nicht ganz, diesen Eindruck zu wider- legen. Einzig der Aufnahme von Heinz Schreiber, die einen Fuchs am See im Britzer Garten zeigt und den dritten Platz ergatterte, kann ohne Wenn oder Aber der Charme eines besonderen Augenblicks bescheinigt werden. Alle anderen platzierten Bilder fallen dagegen stark ab; Augenblicke, die in plakativer Form Geschichten erzählen oder das Wettbewerbsthema wörtlich
aufbe- reiten, stießen dagegen offenbar bei den Juroren auf wenig Gegenliebe.
13 der 147 Fotos wird man in der 2014-Ausgabe des N+Kalenders wiedersehen können. Welche es sind, werde sich in den nächsten Wochen entscheiden, sagt Bernhard Thieß, der zwar nicht der Wettbewerbs-Jury angehörte, wohl aber Mitglied der Arbeitsgruppe ist, die Bilder und Sinnsprüche für den Kalender auswählt. Auch unter Marketing-Aspekten: „Schließlich machen wir den Kalender, um ihn zu Gunsten der Stiftungsarbeit zu verkaufen.“ Natürlich, meint er, seien die sechs Bilder der Gewinner normalerweise quasi gesetzt, Diskrepanzen zwischen den Geschmä- ckern der Jury und der Kalender-AG kämen aber nicht selten vor. Besonders das Siegerfoto könnte nach seinem Dafürhalten auf der Kippe stehen: „Das ist unbe- stritten eine sehr schöne Aufnahme“, lobt der Fotograf Bernhard Thieß den Foto- grafen Anton Borck. „Aber wer möchte ein so düsteres Bild einen Monat lang an der Wand hängen haben.“
Die Ausstellung „Augenblick Neukölln“ ist noch bis zum 26. Juli im Crea- tiv-Centrum Neuköllner Leuchtturm in der Emser Straße 117 zu sehen (Öff- nungszeiten: Mi. – Fr. 14 – 19 Uhr).
Schon jetzt steht das Thema für den nächsten Fotowettbewerb der Bür- gerstiftung Neukölln fest: Es lautet „Neukölln bewegt“; Beiträge können ab sofort bis zum 15. Juni 2014 eingereicht werden.
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