Ins Gedächtnis Neuköllns abgetaucht

Es wäre schon eine bodenlose Gemeinheit, unter normalen Umständen im Hochsommer einen Besuch des Neuköllner Geschichtsspeichers zu empfehlen. Denn bei Temperaturen um die 30° und hoher Luftfeuchtigkeit ist es dort schier unerträglich. Ebenso gut könnte man zu einem Saunabesuch in Wintermantel und Fellstiefeln raten. Doch dieser Sommer ist so weit von dem entfernt, was landläufig geschichtsspeicher museum neuköllnSommer genannt wird wie die Ber- liner Bäderbetriebe (BBB) von den erwarteten Einnahmen für die aktuelle Badesaison: Lediglich „gut 30 Prozent des Vorjahresumsatzes zur gleichen Zeit“ seien bis Mitte Juli in die Kassen geflossen, erklärte BBB-Chef Klaus Lipinsky kürzlich im Interview mit der Berliner Morgenpost. Verständlicher- weise hofft er auf einen heißen Au- gust. Für die Expedition ins (barriere- freie!) Gedächtnis Neuköllns unterm Dach des Museums sollte man aus genannten Gründen besser auf das Gegenteil hoffen.

Die Tickets für den Selbstversuch in Sachen Zeitreise sind gelöst: Sie sind gratis, kosten lediglich das vorherige Grübeln darüber, welche Aspekte aus der Historie des Bezirks erforscht werden sollen. Der Wunsch einfach mal gucken zu wollen, reicht nicht, um eine Eintrittskarte zu bekommen. „Wir würden gerne im Geschichtsspeicher zu folgenden Themen recherchieren: 1. Zwangsarbeit der in der Gradestraße ange- siedelten Firmen (z. B. Pintschöl, Kasika, Efha), 2. Stadtbad Neukölln (vorrangig Bild- hauerarbeiten/Skulpturen), 3. Architekt Rossa/Genezareth-Kirche“, stand in der Mail, geschichtsspeicher museum neuköllnmit der wir uns beim Geschichtsspei- cher anmeldeten. Danach passierte erstmal lange nichts. Aus personellen Gründen, so Projektleiterin Barbara Hoffmann, sei das historische Archiv des Bezirks über Wochen geschlos- sen gewesen. Erst Ende Mai öffnete die im Oktober letzten Jahres in Be- trieb genommene Einrichtung wieder.

„Über Rossa hab ich nur wenig ge- funden“, kündigt Barbara Hoffmann mit Blick auf den großen Tisch an. Der Stapel mit Informationen über das Stadtbad Neukölln ist ein ganzes Stück höher, die bedrückenden Zeitzeugnisse über Zwangs- geschichtsspeicher museum neukölln, stadtbad neuköllnarbeit bei Neuköllner Firmen füllen mehrere Ordner.

Nach einigen Stunden des Stöberns in jahrzehntealten Dokumenten, Fo- tos, Zeitungsartikeln, Schriftverkehr und Aktennotizen sind wir um vieles schlauer, was unweigerlich zur Ge- schichte Neuköllns gehört. Wir wis- sen sogar, was sowohl bei den Ber- liner Bäderbetrieben als auch beim Berliner Landesdenkmalamt nicht be- kannt ist: Dass die Bronze-Skulpturen im Stadtbad Neukölln Arbeiten des Malers und Bildhauers Richard Guhr sind, dass sie 10 Zentner wiegen und in den 1960er Jahren im Hof des Bades statt in der Schwimmhalle standen.

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Der Wassergeist vom Körnerpark

Er macht sich ausge- sprochen rar und ist insofern dem diesjäh- rigen Berliner Sommer verblüffend ähnlich. Nass ist er außerdem – noch eine Gemein- samkeit also.

Doch sonderlich sym- pathisch dürfte die aktuelle Ausgabe der Jahreszeit zwischen Frühling und Herbst dem Wassergeist vom Körnerpark trotzdem nicht sein. Denn um sich überhaupt zeigen zu können, braucht er Sonne, weil der Bezirk Neukölln natürlich kein Geld für Kunstlicht hat. Würde der Wasser- geist samt seines Brunnens nach Britz umziehen, wo in genau sechs Wochen neben dem Museum Neukölln das Kulturzentrum Gutshof Britz eröffnet werden soll, sähe die Sache höchst- wahrscheinlich ganz anders aus.

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