Angolanisches Flair im Herzen Neuköllns

Rund 50 entwicklungspolitische und migrantisch-diasporische Organisationen aus aller Welt -von kleinen ehrenamtlichen Vereinen über größere Nichtregierungsorganisationen bis hin zu Landes- und Bundesdachverbänden- arbeiten im Berlin Global Village (BGV) zu den Themen globale Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Diversität. Mitten in Neukölln sind sie seit September 2022 auf dem ehemaligen Kindl-Gelände in einem repräsentativen Neubau mit moderner Fassade und in einem sanierten historischen Altbau aus rotem Backstein beheimatet. Hier leisten nicht nur Fachleute hinter verschlossenen Türen in ihren Büros entwicklungspolitische Arbeit. Vielmehr bietet das Berliner Eine-Welt-Zentrum auch Raum für Begegnungen, wie ich kürzlich selbst erfahren durfte. Joaquim Francisco Joao (r.), Gründer des Afrika Yetu e.V., kam 1987 mit einem Ausbildungsstipendium aus Angola in die damalige DDR, um für fünf Jahre Maschinenbau zu studieren. Die deutsche Wiedervereinigung durchkreuzte seine Studienpläne und Joao, der wegen seines Vornamens Joaquim von allen nur „Kim“ genannt wird, gründete 1994 in Eberswalde den Verein Palança für Kultur, Bildung und Integration. Kim, der unweit der angolanischen Hauptstadt Luanda aufwuchs, zog um die Jahrhundertwende nach Berlin. Hier baute er zunächst in Lichtenberg und später in Prenzlauer Berg den Verein Afrika Yetu auf und gründete das Afro-Kulturzentrum Kubata. Auf Kimbundu, einer Sprache, die im Norden Angolas von rund vier Millionen Menschen gesprochen wird, heißt Kubata „Zuhause“, während Afrika Yetu Unser Afrika“ bedeutet.

Im Kubata,  das heute im Neubau des BGV ist, finden mittwochs und freitags Salsa-Tanzkurse und ab 21 Uhr eine Tanzparty statt. Kizomba wird donnerstags, samstags und sonntags für Anfänger und Fortgeschrittene unterrichtet, bevor ab 21 Uhr das Kizomba-Fest mit einem DJ beginnt. Kizomba, was aus dem Kimbundu mit „Vergnügen“, Treffen der Freundschaft“ und „Zusammensein“ übersetzt werden kann, ist wie Salsa sowohl ein Tanz als auch ein Musikstil. Kizomba gilt als ein harmonischer und sinnlicher Paartanz, der aus fünf verschiedenen Grundschritten besteht. Eine heimliche Hymne ist das Lied Gata Morena“, das von einer begehrenswerten Frau, Zauberei und Magie handelt. Die Musik wird von luso-afrikanischen Künstlern gespielt, die aus afrikanischen Staaten kommen, in denen Portugiesisch eine Amtssprache ist. Neben Angola sind dies die Inselstaaten Kap Verde sowie São Tomé und Príncipe, das westafrikanische Guinea-Bissau und Mosambik in Südostafrika. Die Tanzgruppe von Afrika Yetu Dança de Coração, Kizomba Semba de Angola“ nimmt seit 2014 am Karneval der Kulturen teil und war dieses Jahr wieder  Pfingsten auf den Straßen von Kreuzberg und Neukölln zu sehen. Unser Ziel ist es, das kulturelle Verständnis, die Toleranz und die Kunst in Musik und Tanz zu fördern. Gleichzeitig wollen wir Kizomba in Deutschland bekannter machen“, sagte mir Kim.

Der Verein beschränkt sich jedoch nicht nur auf Kulturarbeit, sondern bemüht sich auch um Initiativen für nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in Afrika und Brasilien sowie für Bildung und Integration in Berlin. Montags bieten die Mitglieder ehrenamtlich Beratung und Begleitung bei Behördengängen, Arzt- und Anwaltsterminen speziell für portugiesischsprachige Klienten an. Afrika Yetu ist Mitglied des Vereins Move Global,  der ebenfalls im Global Village angesiedelt ist und als Dachverband für Berliner Migrantenorganisationen öffentliche Räume schaffen will, in denen ihre Anliegen Gehör finden. Einmal im Jahr präsentieren sich die Organisationen des Eine-Welt-Zentrums gemeinsam auf dem BGVestival. Das nächste Straßenfest findet am 28. Juni von 15 bis 21 Uhr  vor dem Berlin Global Village statt und ist erstmals Teil der 48-Stunden-Neukölln. Eine gute Gelegenheit, um Kim, der Ende Mai bei der Langen Tafel auf dem Ex-Kindl-Gelände die Musik auflegte (r.), Afrika Yetu, Kizomba und das Kubata näher kennenzulernen.

=Christian Kölling=

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