Erfolgreich, aber prekär: Mentoringprojekt Neukölln

Mit ihrem Mentoringprojekt für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe setzt die Bürgerstiftung Neukölln sich seit über anderthalb Jahrzehnten für mehr Bildungsgerechtigkeit im Bezirk ein. Obwohl der Nutzen von Mentorings inzwischen allgemein anerkannt ist, bleibt die Finanzierung der hauptamtlichen Betreuung prekär. Aktuell klafft bei der Bürgerstiftung eine Finanzierungslücke  für das Vorhaben. „Unser Mentoringprojekt war eines der ersten dieser Art in Neukölln. Inzwischen haben wir über 300 Mentoring-Tandems zusammengeführt und begleitet“*, sagte mir Dr. Simone Rajilić, mit der ich kürzlich über das Projekt sprach, das sie leitet und gemeinsam mit zwei Koordinatorinnen hauptamtlich betreut. Ehrenamtliche Mentorinnen und Mentoren aus ganz Berlin unterstützen seit 2006 Neuköllner Jugendliche, die sich in der 9. und 10. Klasse auf den Übergang aus der Schule in das Berufsleben vorbereiten. Sie begleiten die Schülerinnen und Schüler bei der Prüfungsvorbereitung ebenso wie bei der beruflichen Orientierung. Auch bei allen alltäglichen Fragen oder persönlichen Sorgen der Jugendlichen stehen die erwachsenen Mentoren ihren Mentees beim Projekt der Bürgerstiftung Neukölln auf Wunsch helfend zur Seite.

Wesentliche Gründe, weshalb auch talentierte Schülerinnen und Schüler beim Übergang in die Ausbildung oft scheitern, sind schwierige soziale Rahmenbedingungen wie geringes Familieneinkommen, beengte Wohnverhältnisse sowie ein eher niedriger Bildungsabschluss der Eltern. Bildungsbiografien hängen in Deutschland vor allem vom Bildungsstand des Elternhauses ab. Die Mentorinnen und Mentoren können in dieser Situation als Vorbilder dienen und den Jugendlichen ganz praktisch mit Ratschlägen bei der Berufsorientierung helfen. In regelmäßigen Treffen, die zunächst im Büro der Bürgerstiftung stattfinden, lernen sich beide Seiten kennen und können gemeinsame Ziele für die Bereiche Schule, Beruf und Freizeit festlegen.

Wichtigster Kooperationspartner des Mentorings ist bislang eine integrierte Sekundarschule (ISS) in der Köllnischen Heide gewesen. Die Eltern der Schülerinnen und Schüler sind meist als Arbeitsmigranten oder Geflüchtete nach Berlin gekommen und konnten deshalb kaum Erfahrungen mit dem deutschen Bildungssystem machen. Dementsprechend können sie ihren Kindern in der Schule oft keine ausreichende Unterstützung geben. Die positiven Erfahrungen mit dem Mentoringprojekt veranlassten die Bürgerstiftung bald dazu, zusätzlich das Projekt Neuköllner Talente  ins Leben zu rufen. Es vermittelt Freizeitpatenschaften zwischen Neuköllner Grundschulkindern und ehrenamtlichen Paten aus ganz Berlin. Während die Finanzierung für die hauptamtliche Begleitung der Neuköllner Talente derzeit gesichert ist, fehlen Projektleiterin Rajilić aktuell Mittel für das Mentoring, die bis vor kurzem aus dem Bonus Programm der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie flossen. Eigentlich unverständlich, oder wie schon John F. Kennedy feststellte: „Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung.“

*Update 20.04.2023 / 12.00 Uhr: Die Zahl der begleiteten und zusammengeführten Mentoring-Tandems wurde auf „über 300“ berichtigt.

=Christian Kölling=