Zwischen Himmel und Erde, Vergangenheit und Zukunft

Spektakulär soll es werden. Eine „einzigartige Sinfonie aus Flugakrobatik, Licht-installation und Sounddesign“ erwartet die Schaulustigen  morgen  bei der  Fassa- denperformance am Ideal-Hochhaus, gropiusstadt berlin-neukölln, ideal-hochhausdem Höhe- punkt der Festivitäten rund um das 50-jährige Bestehen der Gropiusstadt. „Regen“, sagt Katja Richter, „würde die Show nicht gefährden.“ Schwierig könne es nur bei Sturm oder Gewitter werden. Aber die Sprecherin des aus Dramaturgen, Stuntleuten, Technikern sowie Licht- und Sound- designern bestehenden Team Wired ist zuver- sichtlich, dass derartige Wetterereignisse den Ak- teuren erspart bleiben. Und natürlich hofft sie, dass sich reichlich Zuschauer auf der Wiese vor dem Haus einfinden, um das Spektakel weit über ihren Köpfen gebannt zu verfolgen. Eines, das gewissermaßen erst durch den Bau der Mauer möglich gemacht wurde.

Hochhaus an Hochhaus, eines neben, vor und hinter dem anderen – so hatte sich Walter Gropius die Großsiedlung im Neuköllner Süden eigentlich nicht vorgestellt. Sicher, es ging dem Architekten darum, Wohnraum für zehntausende Menschen zu schaffen, aber  „bei den ersten Planungen von Gropius ging es nur um etwa 14.000 Wohnungen und eine erheblich niedrigere Bebauung“, erinnert Neuköllns Baustadtrat Thomas Blesing. Fünfgeschossig, höher sollten die Häuser nicht werden, und alle sollten von großzügen Grünflächen umgeben sein. Doch dann kam im August 1961 der  Bau der gropiusstadt, berlin-neuköllnMauer. Von einem Tag auf den ande- ren musste umdisponiert werden. Das ans Gebiet der Gropiusstadt an- grenzende Bundesland Brandenburg, das anfangs als Ausdehnungsfläche in Kalkül gezogen worden war, war plötzlich ein anderer Staat. Folglich musste höher und enger gebaut werden.

Nichtsdestotrotz bedeute das Woh- nen in der Gropiusstadt immer noch ein  Wohnen im Grünen, sagt Frank Bielka vom Vorstand der degewo, die einen gropiusstadt berlin-neuköllnBestand von rund 4.500 Wohnungen in der Groß- siedlung hält. „Der Grünflächenanteil“, so seine Er- fahrung, „wird aber oft unterschätzt.“ Vielleicht ist es aber auch ein Fakt, der nicht ins Klischee der Gro- piusstadt passt, das von Schlagwörtern wie Beton- wüste, Anonymität und Ghetto dominiert  wird. Wie so oft stehen sich auch hier die Außenwahrneh- mungen und die Empfindungen und Meinungen der Bewohner über ihren Stadtteil unvereinbar diametral gegenüber.

pk 50 jahre gropiusstadt, berlin-neukölln

(v. l.: Dr. Martin Steffens, Heike Thöne, Michael Abraham, Thomas Blesing, Frank Bielka, Falko Liecke, Dr. Franziska Giffey, Prof. Jörg Stollmann

Was beim Blick von außen ebenfalls häufig vergessen werde, sei, dass die Gropius- stadt nicht nur aus Wohntür- men bestehe, sondern auch Reihenhäuser, Einfamilien- häuser und Wohnblocks da- zugehören. Diese architekto- nische Vielfalt sei in Groß- siedlungen äußerst selten und mache die Gropiusstadt zum attraktiven Exkursionsziel für Architekten, ergänzt Michael Abraham, Mitglied des Vorstands der Ideal eG. Insbesondere das Modell des genossenschaftlichen gropiusstadt, neuköllnWohnens habe sich im Viertel als wichtiger  Sta- bilisator im sozialen Bereich  bewährt. Aspekte, die die Trabantenstadt vor allem für Familien attraktiv machen, lägen vor allem in  vielfältigen Angeboten für Kinder und Jugendliche sowie einer ambitionierten Bildungs- und Kulturlandschaft, verweisen Jugend- stadtrat Falko Liecke und Bildungs-, Kultur- und Schulstadträtin Franziska Giffey. So habe mit dem Bildungsverbund Gropiusstadt ein effektives Instrument zur Vernetzung lokaler Kitas und Schulen initiiert werden können. Zugleich solle mit dem Campus Efeuweg per- gropiushaus, gropiusstadt neuköllnspektivisch im Süden von Neukölln das Gegenstück zum Campus Rütli geschaffen werden.

Die Weichen für die Gropiusstadt sind also eindeutig in Richtung Zukunft gestellt und daran ist das 50-jährige Jubiläum alles andere als unbeteiligt. Die Vorbereitung des Festprogramms habe bei allen Akteuren  spannende Prozesse ausgelöst, die Ge- schichte und Perspektiven des Stadtteils neu zu denken, schwärmt Quar- tiersmanagerin Heike Thöne. Eine wichtige Rolle wird bei den Visionen der Akademie einer neuen Gropiusstadt zukommen. Die solle, erklärt Prof. Jörg Stollmann, nicht nur Klammer zwischen Architektur, Sozialem und Historischem sein, sondern auch zur Optimierung der Bürgerbeteiligung beitragen und sich mit der Frage  „Wie kann Stadtentwicklung stattfinden?“  beschäftigen. Also mit einer, die für ganz Berlin von enormer Wichtigkeit ist.

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