Premiere innerhalb des S-Bahn-Rings

gropiusstadt-ausstellung_neukölln arcadenSo weit im Norden war sie noch nie: Nach drei Stationen im Süden des Bezirks ist die Ausstellung „Mieter, Planer, Architekten. Wer schrieb die Ge- schichte der Gropiusstadt?“ nun zum Finale in den Neukölln Arcaden angekommen. Auf der Sonderfläche im Erdgeschoss nahe dem Haupteingang, wo sonst meist Taschen, Remittenden oder Saisonartikel ver- andrea klahold+julia dilger_neukölln arcadenkauft werden, kann man jetzt in Bezirkshistorie und -kultur stöbern und sie – in Form eines Le- porellos – sogar gratis mitnehmen.

15 bebilderte Texttafeln skizzieren die Entwicklung des Neuköllner Ortsteils Gropiusstadt, der seit einem halben Jahrhundert als Hochhaussiedlung bekannt und Zuhause von rund 36.000 Bewohnern ist. Natürlich geht es in der Ausstellung auch um Architektur, „aber im Mittelpunkt stehen Menschen, die die Vergangenheit der Siedlung geprägt haben, die Gegenwart prägen und die Zukunft gestalten wollen“, sagt Julia Dilger (r.) vom Mobilen Museum Neukölln, das die Ausstellung anlässlich der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen der Siedlung gestaltete.

Sie dorthin zu bringen, wo Kulturelles nicht erwartet wird und so auch Nicht-Museumsgänger zu erreichen, ist das zentrale Anliegen der mobilen Einrichtung. „In Einkaufszentren hat man wirklich ein ganz anderes, viel breiteres Publikum als in Galerien und Museen“, bestätigt Andrea Klahold (l.), die Centermanagerin der Neukölln Arcaden. „Deshalb ist die Bündelung von Einkauf von Ausstellungsraum, die durch  die Angebote des Mobilen  Museums möglich  ist,  auch für uns  eine  sehr

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attraktive Sache.“ Schon beim Aufbau der Schautafeln, hat sie beobachtet, seien viele Menschen stehengeblieben, um sich die Exponate anzusehen.

Über 100 Besucher hat das Mobile Museum Neukölln täglich gezählt, als die Gro- piusstadt-Ausstellung zuletzt im Wutzky-Center in Rudow gastierte: „Echte Besucher. Also keine, die sich nur im Vorbeigehen die Fotos angeguckt haben.“ Das dürfte nun am nördlichsten Standort locker zu toppen sein.

„Mieter, Planer, Architekten. Wer schrieb die Geschichte der Gropiusstadt?“ ist noch bis zum 2. März in den Neukölln Arcaden (Öffnungszeiten: Mo. – Sa. 6.45 – 23 Uhr, So. 12 – 20 Uhr) zu sehen. Von dienstags bis freitags zwischen 10 und 18 Uhr ist ein Mitarbeiter des Mobilen Museums Neukölln vor Ort, um Fragen zur Ausstellung zu beantworten.

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Zwischen Himmel und Erde, Vergangenheit und Zukunft

Spektakulär soll es werden. Eine „einzigartige Sinfonie aus Flugakrobatik, Licht-installation und Sounddesign“ erwartet die Schaulustigen  morgen  bei der  Fassa- denperformance am Ideal-Hochhaus, gropiusstadt berlin-neukölln, ideal-hochhausdem Höhe- punkt der Festivitäten rund um das 50-jährige Bestehen der Gropiusstadt. „Regen“, sagt Katja Richter, „würde die Show nicht gefährden.“ Schwierig könne es nur bei Sturm oder Gewitter werden. Aber die Sprecherin des aus Dramaturgen, Stuntleuten, Technikern sowie Licht- und Sound- designern bestehenden Team Wired ist zuver- sichtlich, dass derartige Wetterereignisse den Ak- teuren erspart bleiben. Und natürlich hofft sie, dass sich reichlich Zuschauer auf der Wiese vor dem Haus einfinden, um das Spektakel weit über ihren Köpfen gebannt zu verfolgen. Eines, das gewissermaßen erst durch den Bau der Mauer möglich gemacht wurde.

Hochhaus an Hochhaus, eines neben, vor und hinter dem anderen – so hatte sich Walter Gropius die Großsiedlung im Neuköllner Süden eigentlich nicht vorgestellt. Sicher, es ging dem Architekten darum, Wohnraum für zehntausende Menschen zu schaffen, aber  „bei den ersten Planungen von Gropius ging es nur um etwa 14.000 Wohnungen und eine erheblich niedrigere Bebauung“, erinnert Neuköllns Baustadtrat Thomas Blesing. Fünfgeschossig, höher sollten die Häuser nicht werden, und alle sollten von großzügen Grünflächen umgeben sein. Doch dann kam im August 1961 der  Bau der gropiusstadt, berlin-neuköllnMauer. Von einem Tag auf den ande- ren musste umdisponiert werden. Das ans Gebiet der Gropiusstadt an- grenzende Bundesland Brandenburg, das anfangs als Ausdehnungsfläche in Kalkül gezogen worden war, war plötzlich ein anderer Staat. Folglich musste höher und enger gebaut werden.

Nichtsdestotrotz bedeute das Woh- nen in der Gropiusstadt immer noch ein  Wohnen im Grünen, sagt Frank Bielka vom Vorstand der degewo, die einen gropiusstadt berlin-neuköllnBestand von rund 4.500 Wohnungen in der Groß- siedlung hält. „Der Grünflächenanteil“, so seine Er- fahrung, „wird aber oft unterschätzt.“ Vielleicht ist es aber auch ein Fakt, der nicht ins Klischee der Gro- piusstadt passt, das von Schlagwörtern wie Beton- wüste, Anonymität und Ghetto dominiert  wird. Wie so oft stehen sich auch hier die Außenwahrneh- mungen und die Empfindungen und Meinungen der Bewohner über ihren Stadtteil unvereinbar diametral gegenüber.

pk 50 jahre gropiusstadt, berlin-neukölln

(v. l.: Dr. Martin Steffens, Heike Thöne, Michael Abraham, Thomas Blesing, Frank Bielka, Falko Liecke, Dr. Franziska Giffey, Prof. Jörg Stollmann

Was beim Blick von außen ebenfalls häufig vergessen werde, sei, dass die Gropius- stadt nicht nur aus Wohntür- men bestehe, sondern auch Reihenhäuser, Einfamilien- häuser und Wohnblocks da- zugehören. Diese architekto- nische Vielfalt sei in Groß- siedlungen äußerst selten und mache die Gropiusstadt zum attraktiven Exkursionsziel für Architekten, ergänzt Michael Abraham, Mitglied des Vorstands der Ideal eG. Insbesondere das Modell des genossenschaftlichen gropiusstadt, neuköllnWohnens habe sich im Viertel als wichtiger  Sta- bilisator im sozialen Bereich  bewährt. Aspekte, die die Trabantenstadt vor allem für Familien attraktiv machen, lägen vor allem in  vielfältigen Angeboten für Kinder und Jugendliche sowie einer ambitionierten Bildungs- und Kulturlandschaft, verweisen Jugend- stadtrat Falko Liecke und Bildungs-, Kultur- und Schulstadträtin Franziska Giffey. So habe mit dem Bildungsverbund Gropiusstadt ein effektives Instrument zur Vernetzung lokaler Kitas und Schulen initiiert werden können. Zugleich solle mit dem Campus Efeuweg per- gropiushaus, gropiusstadt neuköllnspektivisch im Süden von Neukölln das Gegenstück zum Campus Rütli geschaffen werden.

Die Weichen für die Gropiusstadt sind also eindeutig in Richtung Zukunft gestellt und daran ist das 50-jährige Jubiläum alles andere als unbeteiligt. Die Vorbereitung des Festprogramms habe bei allen Akteuren  spannende Prozesse ausgelöst, die Ge- schichte und Perspektiven des Stadtteils neu zu denken, schwärmt Quar- tiersmanagerin Heike Thöne. Eine wichtige Rolle wird bei den Visionen der Akademie einer neuen Gropiusstadt zukommen. Die solle, erklärt Prof. Jörg Stollmann, nicht nur Klammer zwischen Architektur, Sozialem und Historischem sein, sondern auch zur Optimierung der Bürgerbeteiligung beitragen und sich mit der Frage  „Wie kann Stadtentwicklung stattfinden?“  beschäftigen. Also mit einer, die für ganz Berlin von enormer Wichtigkeit ist.

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Temporärer Hochgenuss im Neuköllner Süden

Die Gropius Passagen, Berlins größtes Shopping-Center, sind für viele Nord- Neuköllner der Grund schlechthin, ab und zu mal zu einer Tour in den Süden des Bezirks aufzubrechen. Aktuell gibt es weitere gute Anlässe, es zu tun: Der spektakulärste steht seit 43 Jahren in der Fritz-Erler-Allee, hat 29. Stockwerke, auf die 228  Wohnungen  verteilt  sind, und einen  Panoramaraum  in der 30.  Etage, der mo-

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mentan  Sky-Lounge  heißt. „Normalerweise ist der Raum nicht öffentlich, sondern ein Gemeinschaftsraum für die Mieter des Hauses“, erklärt Uwe Jonas, der Pro- jektleiter der Sky-Lounge. Doch anlässlich der Festivitäten um das 50-jährige Jubiläum der Gropiusstadt  ist er nun für jedermann zugänglich.

Knapp 39 Sekunden braucht der Aufzug für die Fahrt in den 29. Stock. Dann sind es nur noch wenige Stufen, bis die Dachetage des 91 Meter hohen Ideal-Hochhauses und die Sky-Lounge erreicht sind. Von 14 Künstlern wurde der einst recht zweckmäßig gehaltene Raum in eine Kunst- und  Cocktailbar mit  Wohlfühl-Ambiente

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verwandelt. Das Grandioseste war jedoch schon vorher da: die Aussicht über Berlin und weite Teile Brandenburgs.

Die Sky-Lounge im Ideal-Hochhaus ist  noch bis zum 4. September (Mo. – ideal-hochhaus, gropiusstadt berlin-neuköllnDo. 18 – 23 Uhr, Fr. + Sa. 19 – 1 Uhr, So. 13 – 20 Uhr) geöffnet. Programm: Musik mit Mafutu (heute), Musik mit Vicious V (18.8.), Lesungen (am 19. und 26.8. sowie 2.9.), Musik mit M. Freerix (22.8.), Musik mit J. Palmtag (23.8.), Musik mit Mo Magic (24.8.), Musik mit Madame Scandaleuse (29.8.), Musik mit Subterraneans (31.8.), Musik mit Frederik (1.9.)

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Vorne und hinten Neukölln

Wäre sie ähnlich berühmt wie das Holstentor, der Kölner Dom, Bremens Roland oder Neuschwanstein, dann wäre vielleicht eine 2-Euro-Gedenkmünze der Gropiusstadt geprägt worden. So aber muss sich die Trabantenstadt im Neuköllner Süden, die in diesem Jahr das 50-jährige Jubiläum ihrer Grundsteinlegung feiert, mit einem  bezirkstaler 50 jahre gropiusstadt neukölln, münze berlinBe- zirkstaler „50 Jahre Gropiusstadt“  begnügen.

Doch auch diese Sondermünze bedeutet schon reichlich Ehre für die Großsiedlung und den Bezirk: Sieben Medaillen mit Stadtteil-Bezug hat die  Staatliche Münze Berlin bislang aufgelegt,  erst mit der nun erschienenen achten kam ein Neuköllner Motiv in die Kollektion. „Dafür bieten sich möglichst runde Jubiläen an. Das Thema  muss eine gewisse Breitenwirkung entfalten. Ein weiteres Kriterium ist, ob es im Bezirk ent- sprechende Aktivitäten gibt, das Jubiläum auch zu begehen„, erklärt Dr. Andreas Schikora, Vorstand der Staatlichen Münze Berlin, die Entscheidung für den Gropiusstadt-Taler. „Von den Kandidaten für 2012 war das Thema das attraktivste.“ Unbekannt sei hingegen gewesen, dass in diesem Jahr in bezirkstaler 50 jahre gropiusstadt neukölln, münze berlinNeukölln auch  275 Jahre Böhmisches Dorf  ge- feiert werden.

Einen Durchmesser von 40 Millimetern und ein Gewicht von etwa 22 Gramm hat die Kupfer-Nickel-Münze mit der Skyline der Gropiusstadt auf der Vorderseite. Die Rückseite der von Laura Nicklaus gestalteten Medaille zeigt das Neu- köllner Bezirkswappen nebst dem Spruch „Im Herzen ist jeder Neuköllner!“. Noch besser hätte in dem Fall aber eigentlich Heinz Busch- kowskys Lieblingsspruch „Neukölln ist vorne. Und wenn Neukölln mal hinten ist, dann ist hinten vorne!“ gepasst. Denn wen – abge- sehen von Numismatikern – interessiert bei einer als Zahlungsmittel wertlosen Münze schon, wo vorne und wo hinten ist?

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Zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten!

Wer sich nur eher oberflächlich mit Neukölln beschäftigt, dürfte etwas verwirrt sein: Wie geht die Information, dass in diesem Jahr der 100. Geburtstag Neuköllns gefeiert wird, mit der Erinnerung an bezirkliche Festivitäten zusammen, in deren Mittelpunkt die Zahl 650 stand?

Dabei ist die Sache eigentlich ganz einfach. Als das entstand, was heute als Neukölln bekannt ist, erhielt es den Namen Richardsdorp, aus dem später Rieksdorf und dann Rixdorf wurde. Dieses Richardsdorp wurde am 26. Juni 1360 erstmals urkundlich erwähnt, was dazu führt, dass man  2010 das 650. Jubiläum der Geburtsstunde des Bezirks feierte.

Rixdorf wuchs in Laufe der Jahrhunderte zu einer Großstadt heran. Und die hatte spätestens mit Beginn des 20. Jahrhunderts weit über die Stadtgrenzen hinaus mit einem äußerst miesen Image zu kämpfen. Frivole Unterhaltung, Armut und Kri- minalität waren das, was gemeinhin in einem Atemzug mit dem Namen Rixdorf genannt wurde. 1912 zogen die Stadtverordneten die Notbremse: Am 18. Januar entschieden sie, dass Rixdorf künftig Neukölln heißen soll. Nur neun Tage später silvana czech,ingrid biermann-volke,gemeinschaftshaus morus 14, neukölln,100 jahre neuköllnstimmte Kaiser Wilhelm II. dem Beschluss zu.

Deshalb wird in diesem Jahr also der 100. Ge- burtstag Neuköllns gefeiert. Den Anfang macht Silvana Czechs Ausstellung „Kleine Liebeserklä- rung an Neukölln“, die gestern im Gemeinschafts- haus Morus 14 eröffnet wurde und noch bis Ende nächster Woche (Mo. – Fr. 9 – 16 Uhr) dort zu se- hen ist. Am 25. Januar geht es dann von offizieller Stelle mit den Feierlichkeiten weiter: Das Mobile Museum des Museums Neukölln zeigt im Rathaus die Ausstellung „100 Jahre Umbenennung Rix- dorfs zu Neukölln“.

Doch damit nicht genug der Jubiläen, die in 2012 im Bezirk begangen werden. Denn da ist ja noch die Gropiusstadt im Süden Neuköllns, die ihr 50-jähriges Bestehen feiert, und das Böhmische Dorf, das vor 275 Jahren entstand und als Keimzelle der Neuköllner Einwanderungsgeschichte gilt.

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