Auf den ersten Blick sieht alles wie in den Vorjahren aus. Marktstände und Verkaufswagen reihen sich auf dem abgemähten Acker im äußersten Süden Neuköllns anein- ander, das Kin- derriesenrad ragt über die Buden hinaus. So sind es die Besucher des Buckower Strohballen- festes gewöhnt, das in diesem Jahr zum 18. Mal stattfindet und sich aus der Idee entwickelte, Großstädtern die Landwirtschaft näher zu bringen. Es wird zugleich das letzte Mal sein, denn die von Bauer Werner Mette gepachtete Ackerfläche wurde vom Liegenschaftsfonds Berlin für den Wohnungs- bau umgewidmet. Laut der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt soll hier, kurz vor der Stadtgrenze, eine „aufgelockerte und durchgrünte Siedlung mit hohen ökologischen Standards zu bezahlbaren Preisen“ entstehen.
Dass so wenige Stände und Besucher beim Strohballenfest sind, hätten sie noch nie erlebt, stellt ein Ehepaar fest, das lange in der Nachbarschaft von Mettes Acker ge-
wohnt hat, vor ein paar Jahren aber in den Norden Neuköllns umgezogen ist. Eine Frau, die ebenfalls Stammgast der ländlichen Festivität war, bemängelt, dass es in diesem Jahr nur noch eine sehr kleine Bühne gibt. Ein Mann, der sich am Ein- gang zum Gelände erkundigt, wo man diesmal einen Plan bekommt, der über das Musik-Programm informiert, muss erfahren, dass es den leider nicht gibt. Der 80er-Jahre-Hit „Live is Life“ dröhnt vom Band aus den Lautsprechern über das Feld am Buckower Damm.
Auch Wolfgang Petzold gehört hier zu den Stammgästen. Schon zum 16. Mal hat der Schausteller sein nostalgisches Ketten- karussell auf Mettes Festplatz aufgestellt. 91 Jahre ist es inzwischen alt, „Baujahr 1922 und das größte seiner Art in Berlin“, sagt Petzold stolz, während er den Was- seranlasser betätigt, der die Kuppel samt der 36 Sitze für die 2 1/2-minütige Fahrzeit
antreibt. Das hölzerne Podest des Kettenfliegers vibriert mehr als dezent. Wenn der Motor unten und der Antrieb oben und Mechanik statt Hightech im Spiel ist, lasse sich das nicht vermeiden, erklärt Petzold. Das betagte Fahrgeschäft, das früher eine Attrak- tion für die ganze Familie auf Rummelplätzen war, sei inzwischen „nur noch so etwas wie ein größeres Kinderkarussell“. Jugendliche könnten mit dem Charme des Oldtimers nur wenig anfangen.
Weil für die Generation Breakdancer auch sonst beim Buckower Strohballenfest kaum etwas gebo- ten wird, sind es überwiegend Familien mit Kin- dern, die zwischen länd- lichem Markttreiben, Tie- ren zum Angucken oder Anfassen sowie Buden mit Leckereien in flüssi- ger und fester Form über das Feld flanieren.
Heute öffnet Bauer Mette seinen stoppeligen Acker an der Gerlinger Straße um 13 Uhr. Morgen be- ginnt der letzte Tag des Buckower Strohballenfests schon um 10 Uhr mit einem ökumenischen Open Air-Gottesdienst zweier benachbarter Gemeinden.
=ensa=
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