In Sichtweite – und darüber hinaus

waffelkaffel-umzug_neuköllnEnttäuschung dürfte sich auf die Mienen derer legen, die nur ab und zu ins Waffelkaffel kamen. Und nun: In der Schillerpromenade, zwischen Hermann-straße und Tempelhofer Feld, wo bisher das kleine Café war, ist das Schaufenster abgeklebt. Selbst der Wegweiser zum neuen Domizil wurde inzwischen entfernt. Wobei der auch nur bedingt hilfreich war: Wer es mit detektivischem Spürsinn nach dem Tag des Sommeranfangs geschafft hat, die Herrfurthstraße 9 als Ziel zu entlarven, konnte dort, wo sich ein Gastro- nomiebetrieb an den anderen reiht, zwar auf ein offenbar neu eröffnetes Café stoßen, aber weit und breit kein Waffelkaffel sehen. Aus gutem Grund, denn Weiterlesen

Schnitzeljagd durch den Neuköllner Körnerkiez

owen_körnerschnitzel neuköllnEin bisschen peinlich ist es ihr schon: „Ich weiß zwar, was das ist, aber ich war noch nie da“, sagt die junge Frau, als sie die Fotos von Yigithan entdeckt hat, die für die Ausstellung „Neuköllner Augenblicke“ ent- standen, nun beim Owen e. V. hängen und zu den vergleichsweise leichten Rätseln gehören, die bei der Körnerschnitzel-Jagd zu lösen sind. Seit fast zwei Monaten ist die Studentin Neuköllnerin und stolze Mieterin eines WG-Zimmers, das nur wenige Minuten vom Fotomotiv entfernt liegt. Die beiden alteingesessenen Anwohner, die es sich bei Kaffee und Gebäck am Versammlungstisch in den Vereinsräumen gemütlich gemacht haben, schütteln ungläubig die Köpfe, während die Schnitzeljägerin das Wort Körnerpark in ihr Navigationsbuch schreibt. Wie man seit Wochen in der Gegend leben kann, ohne jemals das Schönste des Kiezes besucht zu haben, ist ihnen ein Rätsel der unlösbaren Art. „Ich mach es gleich morgen“, verspricht die Frau, bevor sie polsterei karsten deutschmann_neuköllnzum nächsten Ziel entlang der Route durch die Westsee aufbricht.

Für das sechste Körnerschnitzel hatten die Veran-stalter den Kiez zwischen Hermann-, Siegfried-, Tho- mas- und Karl-Marx-Straße in vier Meere eingeteilt. In jedem galt es, beim Landgang in Galerien, Läden oder sozialen Einrichtungen Rätsel zu lösen, das Navigationsbuch mit richtigen Antworten zu füllen und so einen der Schätze zu gewinnen, die am Ende des Abends bei einer Party unter den See- reisenden verlost wurden.

Auch die Polsterei Deutschmann Design ist am letz- ten Freitag wieder als Station dabei gewesen. Ortskenntnisse sind hier nicht erfor- 1_polsterei deutschmann_neuköllnderlich, um die Quizfrage zu beantworten. „Im letzten Jahr war’s leichter“, gesteht Kar- sten Deutschmann ein. Damals musste die Epoche erraten werden, für die ein Gründerzeit-Sofa Pate stand. Der Sessel, um den es diesmal geht, verlangt den Kör- nerschnitzel-Jägern mehr ab: „Klare Struk- turen, kurzer Zeitraum, klassische Moder- ne, der Name der Epoche besteht aus zwei 2_polsterei deutschmann_neuköllnWörtern.“ Deutsch- mann, dessen La- bel KarstenmitK traditionelle Stilmöbel mit frischen Impulsen aufpeppt, will ja kein Unmensch sein und hilft mit Fachkenntnissen auf die 3_polsterei deutschmann_neuköllnSprünge. Oder besser gesagt: er versucht es. Erst der Hinweis, dass es auch eine Kosmetikmarke gebe, die wie die gesuchte Epoche heißt, führt zu  Art déco  und damit zur Lösung.

Zu den Neulingen beim alljährlichen Körnerschnitzel gehörte die Thatchers Fashion Manufactory. Erst im Oktober ver- gangenen Jahres hat das seit 1995 bestehende Modelabel produktion_thatchers fashion design_neuköllnseinen Sitz in die Nogatstraße verlegt, um hinter der un- scheinbaren Fassade neue Kollektionen zu entwickeln und erste Serien zu nähen. „Ab Juni werden wir hier auch an jedem ersten Freitagnachmittag im Monat für den Ver- kauf öffnen“, kündigt Labelchef Thomas thatchers-shop_neuköllnMrozek an. Zwei weite- re Shops, wo die schnörkellos-klassischen und zugleich extra-vagant-experimentellen Thatchers-Kreationen aus fei- nen Stoffen zu haben sind, gibt es bereits in Berlin. Mit dem Atelier im Körnerkiez hat sich Thomas Mrozek den Wunsch erfüllt, seinen Arbeitsplatz näher amthatchers_neukölln Wohnort zu haben. Er wohne schon seit Jahren am May- bachufer, erzählt er. Direkt um die Ecke in den hippen Reu- terkiez wollte er jedoch nicht.

Dass hier einer am Werk war, der sich in Neukölln aus- kennt, ist den Fragen, die zur Hebung eines Körnerschnitzel-Schatzes beitragen können, deutlich anzumerken. Der Name eines „Neuköllner Milljöhjetränks“ muss einem u. a. ebenso einfallen wie der Nachname eines „Neuköllner Milljöh-Dich- ters und -Politikers“ und der der in Neukölln geborenen „Mut- ter der Nation“, um zum Lösungswort zu gelangen. Um als siebten Buchstaben ein Z thatchers fashion design_neuköllnzu erhalten, hätte Mrozek auch fragen kön- nen: Was war früher untergebracht, wo jetzt ein Modelabel ist, dessen Name  eine kürzlich verstorbene, britische Premier- ministerin ironisiert? „1919 wurde das Haus erbaut, und dann war hier erstmal lange eine Polizeiwache drin“, erzählt er und führt in die Räume hinter dem Atelier: „Geblieben sind bis heute die Ausnüch- terungszellen.“ Nicht ausgeschlossen, dass Thatchers nach denen beim nächs- ten Körnerschnitzel fragt.

=ensa=