Anpassung statt Umbau

insek tempelhofer freiheit-verflechtungsgebieteNach einer Stunde geduldigen Zuhörens reichte es manchem aus dem Publikum. Lange genug hatten Stadtplaner des Ber- liner Senats und der Planergemeinschaft Kohlbrenner eG ihre Mischung aus Wahr- scheinlichkeitsrechnung und Mengenleh- re rund um das Tempelhofer Feld zum Besten gegeben. „Beim ersten Treffen gab es noch den Ansatz, dass die Kieze besser miteinander vernetzt werden sollen. Davon ist jetzt nichts mehr zu sehen! Stattdessen deutet alles darauf hin, die größten sozialen Verwundungen stillen zu wollen“, empörte sich ein Mann. „Die aktuelle Planung macht den Kiez um die Silberstein- straße zum Vakuum! Was ist aus der Idee geworden, da ein Familienzentrum einzurichten? Wurde die gestrichen?“, monierte eine Frau.

2.Stadtwerkstatt_INSEK Tempelhofer FreiheitEtwa 50 Leute waren zur 2. Stadtwerkstatt in die Zollgarage des ehemaligen Flug- hafens Tempelhof gekommen, die meisten von ihnen Anwohner der Kieze rund um das Tempelhofer Feld. Verflechtungsge- biete werden die nun genannt, weil der Senat nicht nur auf der Freifläche in Form eines Masterplans Großes vorhat, sondern durch ein Integriertes Stadtentwicklungs- konzept (INSEK) auch in den Anrainerbe- reichen strukturelle und bauliche Veränderungen geschaffen werden sollen. Auf Neuköllner Grund und Boden wird davon das Quartier um die Schillerpromenade dirk böttcher senstadt_2. insek tempelhofer feldund die Silbersteinstraße betroffen sein.

Diese beiden Kieze sollen durch das Programm Stadt- umbau West gefördert werden. Wobei man nicht von einem Stadtumbau sprechen könne, betonte Senats- mitarbeiter Dirk Böttcher (r.): „Es ist eine Anpassung, bei der mehr Verbindungen zum ehemaligen Flugfeld ent- stehen und die Infrastruktur in den Gebieten gestärkt werden soll.“ Über 10 Jahre solle sich der Förderzeit- raum etwa belaufen und jährlich um die 3 Millionen Euro in jeden der Verflechtungsbereiche fließen lassen – für Wegbegrünungen, Querungsmaßnahmen und die Sa- nierung von Kitas, Schulen und Jugend-Freizeitein- richtungen. „Dass es mit dem angeregten Umbau des Kindergartens in der Silber- steinstraße zum Familienzentrum nicht klappen wird“, begründete Böttcher, „hat udo dittfurth planergemeinschaft_corinna borch senstadt_2. insek tempelhofer felddamit zu tun, dass  Sanierungen in gemieteten Räumen nicht förderfähig  sind.“

Das wollte auch Udo Dittfurth (l.) von der Planergemeinschaft nicht dementieren, grundsätzlich verwies er aber darauf, dass man sich zunächst erst in der Phase befinde, „strategisch an den Raum zu gehen“. Das sei in etwa mit der Entschei- dung für eine Region für die nächste Urlaubsreise vergleichbar: „Vor den nächsten Schritten ist noch Zeit zum Nach- denken.“ Die Grundlagen für dieses Nachdenken, so Dittfurth, würden die Anregungen bilden, 2. insek tempelhofer freiheit_maßnahmenplandie im Bürgerbeteiligungs- verfahren geäußert wurden oder noch werden. Aus ihnen sei einerseits ein 112 einzelne Punkte umfassender Maßnahmenplan entwi- ckelt worden, und andererseits habe man eine kommentierte, bereits mit Prioritäten versehene Maßnahmenliste erstellt.

Im Bereich der Hasenheide liegt die höchste Dringlichkeit auf straßenbaulichen Projekten, im Schillerkiez auf Gehwegausbes- serungen, einer Umgestaltung des entwidmeten St. Thomas-Friedhofs zur Grün- fläche, der Sanierung von Spielplätzen sowie einer geregelten Querungsmöglichkeit ursula flecken planergemeinschaft_2. insek tempelhofer feldüber die Hermann- in Höhe der Thomas- straße. Im Silbersteinkiez ist es die Sanierung der Kita Rappelkiste, die die aktuelle Prioritätenliste anführt. „Außer- dem“, erklärte Dittfurths Kollegin Ursula Flecken (l.), „soll mit einer Parksuchver- kehr-Analyse herausgefunden werden, welche Maßnahmen unter diesem Aspekt in den Kiezen notwendig werden.“ Alles in allem, meinte die Architektin, gehe es darum, durch die Bündelung von Projekten in räumlich erkennbaren Gebieten Impulse für die Entwicklung der Verflechtungsbereiche zu schaffen.

Wenn alles wie geplant verläuft, werde der Berliner Senat die laut Dirk Böttcher im August zum Stadtentwicklungsgebiet erklären. Ab 2014 gebe es dann Geld. Dass sich die Folgen des Zensus – sprich die Rückzahlungen und Kürzungen beim Länderfinanzausgleich – auf die Höhe der Fördermittel  auswirken, hält der Stadt- planer für unwahrscheinlich. Auch wegen des hohen Drittmittelanteils, der von den Schulverwaltungen als Beteiligung für die Sanierung von Bildungseinrichtungen erwartet werde. „Aber letztlich“, sagt Böttcher, „ist natürlich alles vom Haushalts- beschluss im November oder Dezember abhängig.“ Erst mit dem entscheidet sich, wohin die Reise für die Kieze rund ums Tempelhofer Feld geht.

Anregungen für das Integrierte Stadtentwicklungskonzept können noch bis zum 20. Juni 2013 an mail[at]planergemeinschaft.de geschickt werden (Stichwort: INSEK Tempelhofer Freiheit und Umfeld).

=ensa=