„Wer einen Pinsel in der Hand hat, haut nicht!“

ausstellung "paper unlimited", jugendkunstschulen berlin, galerie im körnerpark neuköllnausstellung "paper unlimited", jugendkunstschulen berlin, galerie im körnerpark neuköllnElf Jugendkunstschulen gibt es in Berlin, jeden- falls bis zum nächsten Mittwoch. Dann kommt die zwölfte hinzu: Am 28. März eröffnet im einstigen Fernmelde- amt in der Donaustraße Neuköllns Jugendkunstschule, die Young Arts NK. Doch was leisten die in Berlin größtenteils von den Bezirken finanzierten Jugendkunstschulen überhaupt? Wen erreichen sie und wen nicht?

ausstellung "paper unlimited", jugendkunstschulen berlin, galerie im körnerpark neukölln, podiumsdiskussion, dr. angelika tischer, harald fricke, peter kamp

v. l.: Dr. Angelika Tischer (Sen.verw. BiJuWi), Harald Fricke (Musikschule Reinickendorf), Peter Kamp (BV der Jugendkunstschulen)

Was ihre Teilnehmer zu leisten imstande sind, zeigt noch bis übermorgen die Ausstellung „Paper Unlimited“ in der Galerie im Körner- park. Um obige Fragen ging es kürzlich bei einer von Shelly Kupferberg moderierten Podiumsdiskussion mit Experten aus dem Bereich der kulturellen Bildung Jugendlicher.

Ende der 1960er Jahre wurden die ersten Jugend- kunstschulen in Deutschland eröffnet, so Peter Kamp, inzwischen seien es bun- desweit etwa 400 Einrichtungen. Angesiedelt in der Schnittmenge von Jugend-, Kultur- und Bildungsarbeit bieten sie Kindern und Jugendlichen durch die Beschäftigung mit Kunst neue Möglichkeiten zur Persönlichkeitsentwicklung. Zwar gebe es noch keine Untersuchungsmethode für die Effekte kultureller Bildung auf schulische Leistungen oder den Reifeprozess per se, bedauerte Angelika Tischer, aber eines lasse sich doch sagen: „Wer einen Pinsel in der Hand hat, haut nicht!“ Entsprechend wichtig sei es, die Investition in Bildung als Investition in die Zukunft zu begreifen und derartigen Präventiv-Maßnahmen den Vorzug gegenüber der Finanzierung von Reparaturzahlungen zu geben. Das untermauert auch die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ in ihrem Schlussbericht: Kulturelle Bildung, stellt der fest, fördert Lebensqualität und befähigt zur besseren Bewältigung der Zukunft. Schule allein könne dies jedoch nicht leisten, weshalb der Bereich der außerschulischen kulturellen Bildung ausgebaut werden müsse.

ausstellung "paper unlimited", jugendkunstschulen berlin, galerie im körnerpark neukölln, podiumsdiskussion, shelly kupferberg, werner schaub, wilfried müller-maurer

v. l.: Shelly Kupferberg, Werner Schaub (Berufsverband BBK), Wilfried Müller-Maurer (LAG Berliner Jugendkunstschulen)

Jugendkunstschulen leisten hier – da sind sich die Enquete-Kommission und die Exper- ten auf dem Podium einig – einen wichtigen Beitrag. Aber das Engagement von Künstlern, die von den Trägern der Schulen als Lehrkräfte eingesetzt werden, hat auch seine Tücken, wie der Maler Werner Schaub betonte. Einer- seits hätten Befragungen involvierter Künstler ergeben, dass das Gros die Unterstützung beim Betreten des Neulands – sprich: der Arbeit im pädagogischen Bereich – als recht dürftig empfindet: „Etwa 80 % der Künstler wünschen sich da mehr Förderung.“ Anderer- seits, berichtete Schaub, habe er häufig erlebt, dass die pädagogische Tätigkeit für Jugendkunstschulen für die Künstler zum Ausschluss von der Künstlersozialkasse führt, da diese nur durch künstlerische Arbeiten erzielte Einnahmen akzeptiere.  „Das ausstellung "paper unlimited", jugendkunstschulen berlin, galerie im körnerpark neuköllnist völlig absurd!“, kritisierte Schaub.

Ein weiteres Problem sprach hingegen ein Künstler aus dem Publikum an: „Jugend- kunstschulen stellen definitiv eine beträcht- liche Konkurrenz für Künstler dar, die jetzt Kunstunterricht auf dem freien Markt an- bieten.“ Er bekomme keine Fördermittel und könne es sich deshalb nicht leisten, Kurse zum Nulltarif abzuhalten, sondern müsse einen marktüblichen Monatsbeitrag verlangen. In der Konsequenz werde das dazu führen, dass Schüler von ihm zur Neuköllner Jugendkunstschule abwandern. „Machen wir uns doch nichts vor“, appellierte er an die Expertenrunde, „es ist die komplette Mittelschicht, die sich des Angebots bedient, und nicht die Sozial- ausstellung "paper unlimited", jugendkunstschulen berlin, galerie im körnerpark neuköllnschwachen!“

„Wir haben in der Tat in den Berliner Jugendkunst- schulen das Problem, dass wir oft nicht die Kinder erreichen, die wir erreichen wollen würden“, stimmte Angelika Tischer ihm zu. Insbesondere bildungs- ferne Eltern und solche aus der dritten Migranten- generation würde man kaum für die kulturelle Bildung ihres Nachwuchses interessieren und gewinnen können: „Ich hoffe aber, dass wir noch gute Ideen entwickeln, um das zu ändern.“ Auch für die vom Kulturnetzwerk Neukölln betriebene Young Arts NK wird die Einbindung schwer erreichbarer Gruppen mitentscheidend für den Erfolg sein.

=ensa=