SPD-Fraktion in der BVV Neukölln: „Unsere Gedanken sind bei der Zivilbevölkerung in Gaza“

„Das Leid der Menschen im Gazastreifen ist unbeschreiblich, die humanitäre Lage katastrophal.“ Mit diesen wenigen Worten leitet das Auswärtige Amt auf seiner Internetseite einen Artikel über die aktuelle humanitäre Hilfe Deutschlands für den Gazastreifen ein. UN-Generalsekretär António Guterres sagte erst kürzlich vor dem Sicherheitsrat in New York: „Die Palästinenser in Gaza leiden unter schrecklichem Hunger und Leid.“ Er erinnerte zudem daran, dass die drohende Hungerkatastrophe -englischer Fachbegriff: Famine- im nördlichen Gazastreifen ausschließlich von Menschen verursacht sei. Die Hungerkatastrophe erschüttert weltweit auch die palästinensische Diaspora, zu der in Berlin über 70.000 Menschen gehören, darunter viele Einwohnerinnen und Einwohner Neuköllns. Die Neuköllner Linksfraktion brachte deshalb im Februar und März zwei in weiten Teilen identische Entschließungsanträge (Drucksachen 1191/XXI und 1236/XXI) in die Bezirksverordnetenversammlung ein. Beide Anträge wurden jedoch von allen anderen Fraktionen einstimmig abgelehnt, was zu lautstarken Protesten auf den Zuschauerrängen der BVV führte. Die SPD-Fraktion in der BVV Neukölln hat nun öffentlich ihr Mitgefühl mit der Zivilbevölkerung in Gaza bekundet, sich aber gleichzeitig scharf von den Anträgen der Neuköllner Linksfraktion und deren Verhalten in der Bezirksverordnetenversammlung distanziert.

„Die SPD-Fraktion Neukölln wünscht allen Feiernden einen besinnlichen Ramadan. Unsere Gedanken sind in dieser Zeit bei der Zivilbevölkerung in Gaza und auch bei allen Neuköllner*innen, die Angehörige in Israel und Gaza haben“, geben die Sozialdemokraten über den Kurznachrichtendienst X (l.) sowie in einer Pressemitteilung bekannt.

„Den Entschließungsanträgen der Linksfraktion (Drs. 1191/XXI und 1236/XXI) können wir als SPD-Fraktion in der BVV Neukölln uns aus verschiedenen Gründen nicht anschließen“, teilte mir die Fraktion auf Anfrage mit. Die SPD-Verordneten hätten vielmehr in ihren Redebeiträgen im BVV-Saal deutlich gemacht, dass vor allem das friedliche Zusammenleben im Bezirk an oberster Stelle stehen müsse, nicht aber außenpolitische Angelegenheiten der Bundesrepublik, für die die BVV und das Bezirksamt nicht zuständig sind. Deutliche Worte findet die Neuköllner SPD-Fraktion zum politischen Stil der Linken und kritisiert wörtlich: „Die Linksfraktion versucht nicht, eine gemeinsame Entschließung mit anderen Fraktionen zu entwickeln, sondern nutzt die Nicht-Annahme der Entschließung durch die anderen Fraktionen als Grund, ein angebliches Nicht-Interesse an der Zivilbevölkerung in Gaza zu vermitteln.“ Die Entschließungsanträge der Linksfraktion seien jedoch undifferenziert. Exemplarisch verweisen die Kommunalpolitiker der SPD darauf, dass die israelischen Geiseln im Antrag der Linken nur in einem Halbsatz erwähnt werden. Im zweiten Entschließungsantrag der Linksfraktion aus dem März (Drucksache – 1236/XXI, Ramadan bedeutet Frieden!) heißt es -wie auch schon im ersten Antrag- apodiktisch: „Einen dauerhaften Frieden und Sicherheit für alle Menschen in der Region kann es nur durch Verhandlungen, das Ende der völkerrechtswidrigen israelischen Besatzung und eine Freilassung der israelischen, aber auch der palästinensischen Geiseln geben.“ Im Gegensatz dazu betont die Neuköllner SPD-Fraktion: „Die demokratischen Fraktionen von SPD, CDU und den Grünen stehen weiterhin geeint an der Seite aller Menschen, die unter dem Terror der Hamas leiden. Für uns ist nicht hinnehmbar, dass die Linksfraktion öffentlich versucht, diese Tatsache zu verdrehen.“

Wann beginnt eine katastrophale Hungersnot (Famine)?

Hungerkatastrophe (Famine) ist im Wesentlichen ein technischer Begriff. Er bezieht sich auf eine Bevölkerung in einem begrenzten geografischen Gebiet (Dorf, Stadt, Region, Land), die aufgrund mangelnden Zugangs zu Nahrungsmitteln unter katastrophaler Unterernährung und hungerbedingten Todesfällen leidet. Die Expertinnen und Experten des UN World Food Programme (WFP) sprechen von einer katastrophalen Hungersnot, der Alarmstufe Rot in ihrem fünf Grade umfassenden Krisenkatalog,  sofern drei Bedingungen erfüllt sind:
– Mindestens 20 Prozent der Bevölkerung in einem bestimmten Gebiet leiden unter extremem Hunger
– 30 Prozent der Kinder in diesem Gebiet sind ausgezehrt oder zu dünn für ihre Körpergröße
– Die Sterblichkeitsrate im Gebiet hat sich gegenüber dem Durchschnitt verdoppelt und liegt bei mehr als zwei Todesfällen pro 10.000 Personen täglich bei Erwachsenen und vier Todesfällen pro 10.000 Personen täglich bei Kindern.

Erklärvideo in Englisch: The 5 Phases of Food Security / UN Story
https://youtu.be/HSup86qC3zg

=Christian Kölling=