„Die Bundesregierung muss den Kommunen wieder ein Vorkaufsrecht an die Hand geben, das nicht nur bei kaputten und leeren Häusern greift“

„Neukölln übt Vorkaufsrecht für Weichselstraße 52 aus“, teilte gestern die Pressestelle des Bezirksamtes mit.  Die Städtische Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land solle das Haus mit 21 Wohnungen und zwei Gewerbeeinheiten übernehmen. Der ursprüngliche Käufer habe die Unterzeichnung einer Abwendungsvereinbarung mit dem Bezirk abgelehnt, könne diese aber noch bis zum Fristende abgeben, hieß es aus dem Neuköllner Rathaus weiter. Jochen Biedermann, Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr, freute sich in der Pressemitteilung ausdrücklich mit den Mieterinnen und Mietern, die mit großen Transparenten an den Balkonen auf ihr Anliegen aufmerksam gemacht hatten. „Mein Dank gilt den Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung und für Finanzen, der Stadt und Land sowie allen am Verfahren Beteiligten“, so Biedermann wörtlich. Die Ausübung des Vorkaufsrechts sei jedoch in erster Linie den engagierten Kolleginnen und Kollegen im Neuköllner Stadtentwicklungsamt zu verdanken. Sie hätten jene kleinen Spielräume genutzt, die ihnen das Gesetz noch lasse, betonte der Stadtentwicklungsstadtrat und verlangte gleichzeitig von der Bundesregierung eine Reform des Mietrechts.

Im November 2021 beendete ein Urteil des Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 09.11.2021, Az. 4 C 1.20) die bis dahin in Berlin -ebenso wie in Hamburg und München- bei den Stadtplanungsämtern übliche Auslegung des Paragraf 24.1. Nr. 4 Baugesetzbuch. Zuvor wurde allein in Neukölln zwischen 2017 und 2021 nach Angaben des Bezirks das Vorkaufsrecht für mehr als 800 Wohnungen ausgeübt. Zusätzlich wurden in dieser Zeit mit Hauskäufern in Milieuschutzgebieten 76 Abwendungsvereinbarungen abgeschlossen, die ebenso wie der Vorkauf die Bewirtschaftung des Hauses im Sinne der sozialen Erhaltungssatzung (Milieuschutz) sichern sollten.

Der Staat müsse eingreifen können, wenn Mietshäuser den Eigentümer wechseln und allen völlig klar sei, dass aus bezahlbaren Wohnungen in ein paar Jahren möblierte Appartements mit befristeten Mietverträgen gemacht würden, forderte der Grünen Kommunalpolitiker und sagte: „Wir dürfen nicht nur zuschauen, wenn sich im Bestand nach und nach kein Normalverdiener und keine Normalverdienerin mehr eine Wohnung leisten kann.“ Deshalb müsse die Bundesregierung handeln und das Mietrecht reformieren sowie den Kommunen wieder ein Vorkaufsrecht an die Hand geben, das nicht nur bei kaputten und leeren Häusern greife, erklärte Biedermann.

=Christian Kölling=