Wenn Matthias Grön Uhrmacher wäre oder sein Geld als Dolmetscher verdienen würde, dann wäre zwar alles genauso ärgerlich, er aber wohl etwas zuversichtlicher. Doch Grön ist Inhaber einer Neuköllner Metallbau-Firma und mit der könne man leider nicht mal eben so umziehen. Da müssten tonnenschwere Maschinen bewegt
werden. Einige in Einzelteile zerlegt, was dann wiederum bedeute, dass sie tagelang nicht zu gebrauchen seien. Es wird Grön trotzdem nicht erspart bleiben.
Mit dem neuen Vermieter gehe gar nichts mehr, vermutet er. Der ist seit November letzten Jahres neuer Eigentümer des Hauses in der Altenbraker Straße 5, wo Gröns im Mai 2004 gegündete Firma ihren Sitz hat: „Rund 200 Quadratmeter hab ich für Werkstatt und Büro angemietet, für eine Bruttokaltmiete von 777,20 Euro.“ Der erste Kontakt zum neuen Hausbesitzer, einem Charlottenburger Consulting-Unternehmen, kam auf schriftlichem Weg zustande – in Form einer Mieterhöhung. „Satte 2.200,31 Euro wollen die nun bruttokalt haben. Das ist fast das Dreifache von dem, was ich jetzt zahle!“, empört sich Matthias Grön. Nachdem die erste Wut verraucht war, machte er dem Vermieter ein Gegenangebot:
300 Euro mehr als bisher, Monat für Monat. „Mehr“, sagt der Metallbauer, „ist einfach nicht drin. Vor allem wegen der verhee- renden Zahlungsmoral mancher Kunden, die ich immer wieder daran erinnern muss, dass meine Firma kein Kreditinstitut ist.“ Ständig laufe er – nach vorbildlich ausgeführten Aufträgen – Forde- rungen im vier- oder fünfstelligen Bereich für Löhne und Material hinterher. „Wenn ich Pech hab, meldet der Schuldner Insolvenz an und ich guck in die Röhre.“
Warten musste Grön auch auf die Reaktion des neuen Vermieters: Erst sei gar nichts passiert, danach hätten er oder sein als Mediator einge- schalteter Anwalt sich immer wieder „Miete zahlen oder raus!“ anhören müssen. „Und dann kam die Kündigung zum 30. September.“ Fünf Monate bleiben Matthias Grön nun also noch, um eine neue Bleibe für seine Werkstatt zu finden. Denn weitermachen will er auf jeden Fall. Muss er auch, um seine eigene Existenz und die seiner Familie zu sichern. Wie das alles – sprich:
die Arbeit an laufenden Aufträgen, das Akqui- rieren neuer, das aufwändige Bewerben auf Ausschreibungen und die Suche nach einem neuen Firmensitz – klappen soll, ist ihm aller- dings noch ein Rätsel.
Dass zwischenzeitlich zwei Angestellte gekündigt haben, die ihre berufliche Zukunft in trockenen Tüchern sehen wollten, mache die Sache nicht leichter: „Jetzt hab ich nur noch einen Mitarbeiter, und neue zu finden, ist in der momentanen Situation ziemlich unmöglich. Was kann ich denen schon bieten?“ Die Umstände zwingen Grön, sich ein ganzes Stück von dem Chef zu entfernen, der er bisher war und liebend gerne immer noch sein würde: Einer, der sozial ist, für seine Mitarbeiter ein offenes Ohr hat, übertariflich bezahlt, Praktikanten eine Chance gibt, die woanders kaum eine hätte, und zu Firmenfeiern auch die Familien seiner Angestellten einlädt. „Jetzt muss ich notfalls über Zeitarbeitsfirmen Helfer besorgen, um überhaupt Bau- oder Montagetätigkeiten ausführen zu können.“ Das hätte es bisher bei Grön Metallbau nicht
gegeben, weil der Chef wahrlich „kein Freund dieser modernen Sklaverei“ ist und bevorzugt mit eigenen Leuten Sicherheits- und Brandschutztüren, Fenster, Treppen oder Balkontürme für private oder öffentliche Auftrag- geber herstellt.
„Wo ich die bauen sollte, wenn ich keine neue Werkstatt finden würde, weiß ich beim besten Willen nicht“, muss Matthias Grön zugeben. Zu- gleich ist er keinesfalls bereit, sich von dem Trio Infernale aus raffgierigen Vermietern, ruinösen Kunden und unter- nehmerfeindlichen Rahmenbedingungen für Mittelständler in die Knie zwingen zu lassen. „Vielleicht kommt ja nächsten Dienstag durch das Gespräch mit der Wirtschaftsförderung des Neuköllner Bezirksamts Bewegung in die Sache“, hofft er.
Ideen, wo das Metallbauunternehmen von Matthias Grön eine Zukunft haben könnte, sind herzlich willkommen. Gesucht wird: ca. 150 – 200 m² Werk- statt- und Büroraum im Erdgeschoss, Mitarbeiterpausenraum, Sanitär- anlagen, Wasser- und Stromanschlüsse. Neukölln und angrenzend wäre schön, alles berlinweit akzeptabel. Die Miete sollte nicht über 1.200 Euro (inkl. Betriebskosten und Umsatzsteuer) liegen. Auch eine Werkstatt-Kooperation wäre denkbar! Kontakt-Infos: hier.
=ensa=
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