Nicht bewacht, sondern beschützt

albert-schweitzer-gymnasium neuköllnGestern endeten nicht nur die Herbstferien für Berlins Schüler und Lehrer, auch die  Zeit ohne Wachschutz-Personal ist nun an 11 von 65 Neuköllner Schulen vorbei. „Damit entfällt für uns auch endlich wieder die permanente Beschäftigung mit dem Schutz der Schüler und der Schule“, stellte Georg Krapp (r.), Rektor des Albert-Schweitzer-Gymnasiums, gestern beim podium pressegespräch "wiedereinsetzung des wachschutzes an neuköllner schulen", albert-schweitzer-gymnasium, dr. franziska giffey, georg krappPressege- spräch fest, zu dem Neuköllns Schulstadträtin Franziska Giffey (l.) an- lässlich der bezirksweiten Wiedereinsetzung des Wach- schutzes eingeladen hatte.

Vor einem Dreivierteljahr hatte die Maßnahme aus Kostengründen eingestellt werden müssen, dank einer Nachschlagszahlung des Berliner Senats an die Bezirke kann sie jetzt fortgesetzt werden. Bis Ende 2013, so Giffey, laufe der Vertrag mit den Rheinischen Sicherheits Diens- ten (RSD), die sich bei der europaweiten Ausschreibung durch das beste Preis-Leistungs-Verhältnis sowie die podium pressegespräch "wiedereinsetzung des wachschutzes an neuköllner schulen", albert-schweitzer-gymnasium, dr. franziska giffey, georg krapp, burkhard emonds, afif abbassiEinhaltung des vom Bezirk vorgegebenen Krite- rienkatalogs hervor getan hatten. Ein Mindeststundenlohn von 8,50 €, eine mindestens dreijährige Erfahrung beim Schutz öffentlicher Gebäude, ein Mit- arbeiterstab von mindestens 50 Perso- nen, ein Augenmerk auf die Frauen- und Ausbildungsförderung – all das seien Punkte gewesen, die es neben der Qualifikation, einwandfreien Führungszeugnissen und Sachkundeprüfungen der Mitarbeiter zu erfüllen gegeben habe. Auch deren Alter sei ein Kriterium gewesen: Weder zu jung noch zu alt dürfen sie sein. Die gänzlich unbewaffneten Wachschützer dürften bei Schulfremden, die ins Gebäude wollen, nicht den Eindruck erwecken „Den Opa renn ich um und geh rein!“, erklärte Burkhard Emonds (2. v. r.), der beim RSD für das Qualitätsmanagement zuständig ist. Zu jugendliche Wachschützer hingegen könnten leicht zu Verbrüderungs-Ambitionen führen: „Die wollen wir auch nicht, albert-schweitzer-gymnasium neuköllnsondern ein freundliches Verhältnis.“ Afif Ab- bassi (r.) guckt zwar nicht gerade freundlich, nickt aber bestätigend. Er ist einer der beiden Einsatzleiter für das neue Betätigungsfeld albert-schweitzer-gymnasium neuköllnder RSD an Neu- köllner Schulen und koordiniert die 24 multieth- nischen Doppel- streifen, die durch Springer verstärkt werden können. Dass die meisten Mitarbeiter außer der deutschen mindestens eine weitere Sprache beherrschen, sei zwar bei Einsätzen in einem Bezirk wie Neukölln nicht unwichtig, ergänzte Emonds, wichtiger als die Sprache sei aber das Gefühl für einen Migrationshintergrund.

Einer, der all diese Qualitäten besitzt, ist Mostafa Mou- savi. Der 53-Jährige ist am Albert-Schweitzer-Gymnasium kein Unbekannter. „Ich war schon für die Firma tätig, die hier vorher den Wachschutz stellte, und bin nun nach neun Monaten Arbeitslosigkeit ins Team des RSD geholt worden“, erzählt der gebürtige Iraner. Zu seinem alten, neuen Arbeitsplatz hat er schon insofern ein besonderes Verhältnis, als auch seine Tochter hier zur Schule ging. Acht seiner albert-schweitzer-gymnasium neuköllnKollegen wurden ebenfalls auf Empfehlung von Schulleitern vom RSD angeheuert.

„Was man aber ganz klar sagen muss, ist, dass wir den Wachschutz nicht für die innere Sicherheit unserer Schule und Störfälle unter Schülern brauchen“, beton- te Schulleiter Krapp mehrfach. Derartige Probleme würden mit pädagogischen Mit- teln gelöst. Es gehe einzig und allein darum, Schulfremde am Zugang zum Gebäude und so daran zu hindern, es nach möglichem Diebesgut auszukundschaften oder in den Schulklos Drogen zu konsu- mieren: „Unsere Schüler fühlen sich durch den Wachschutz also nicht bewacht, sondern beschützt.“

Etwa eine Million Euro kostet die Maßnahme den Bezirk bis Ende nächsten Jahres. „Zum Idealbild einer Schule passt sie sicher nicht“, hielt auch Franziska Giffey fest, aber die Effektivität spreche für sie und sie trage entscheidend dazu bei, dass Eltern ihre Kinder in einer sicheren Schulumgebung wüssten. Die Alternative einer techniklastigen Lösung, sprich: die Ausstattung der Schulen mit Drehkreuzen, Chipkarten und Gegensprechanlagen, wäre jedenfalls nicht günstiger gewesen, wie ein von der Firma Bosch erstelltes Modellkonzept ergeben habe.

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Heute ganz offen!

Es hat schon eine gewisse Komik: Ausgerechnet das Neuköllner Albert-Schweitzer-Gymnasium, das gerade durch eine Maßnahme zur Verhinderung des Zugangs für Schulfremde in den Fokus der Öffentlichkeit geriet, lädt in diesen Stunden zum Tag der offenen Tür ein.

Dass Besucher der Veranstaltung nicht an Ein-Euro-Wachschützern vorbei müssen, ist Klaus-Peter Hansen (M.) zu verdanken. Der noch recht neue Mann an der Spitze des pressekonferenz schulstreifen wachschutz neukölln,margareta langner (antares it ggmbh),klaus-peter hansen (gf jobcenter neukölln), franziska giffey (schulstadträtin neukölln)JobCenters Neukölln, der vor einem halben Jahr die Geschäftsfüh- rer-Position von Konrad Tack über- nahm, beendete nach nur eintägi- gem Einsatz das Gastspiel der MAE-Kräfte des Beschäftigungsträ- gers Antares vor dem Gymnasium an der Karl-Marx-Straße. Daraus, dass das gar nicht stattgefunden hätte, wäre er im Vorfeld darüber informiert worden, machte Hansen bei einer eilig von Neuköllns Schulstadträtin Franziska Giffey einberufenen Pres- sekonferenz  keinen Hehl. Erst durch die Medien hatte er von der Maß- nahmeänderung erfahren, die Giffey und die Antares-Geschäftsführerin Margareta Langner (l.) unbürokratisch und -autorisiert in die Tat umgesetzt hatten.

Sie hätten dem Albert-Schweitzer-Gymnasium, das schon am zweiten Tag ohne professionellen Wachschutz den ersten Vorfall registrieren musste, auf die Schnelle helfen wollen. So sei die Idee entstanden, MAE-Kräfte, die bislang rund um die Richard-Grundschule als Schulstreifen tätig waren, künftig vor dem Gymnasium zu stationieren. Aus Sicht des Beschäftigungsträgers habe diese „Erweiterung der Begehungsräume“ im Rahmen des Möglichen gelegen, so Giffey: „Wettbewerbs- verzerrende Probleme haben wir darin auch nicht gesehen.“

Das allerdings sieht Klaus-Peter Hansen gänzlich anders: Dass Ein-Euro-Jobber als Teilnehmer einer Maßnahme Grundschülern über die Straße helfen oder für Sauberkeit und Ordnung auf Kinderspielplätzen sorgen,  sei legal. Außerhalb des ge- setzlichen Rahmens liege es jedoch, wenn sie Wachschutz-Aufgaben über- nähmen. Tätigkeiten mit Mehraufwandsentschädigung (MAE) müssten im öffentlichen Interesse und zusätzlich zum regulären Arbeitsmarkt sein und dürften nicht zu einer negativen Wettbewerbsbeeinflussung führen. Letzteres sei jedoch bei der Maß- nahmeänderung gegeben gewesen, deshalb sei sie mit sofortiger Wirkung wieder eingestellt worden. Die Schulwegsicherung rund um die Richard-Grundschule laufe indes wie geplant bis Ende Februar weiter.

Wie es an den 16 Neuköllner Schulen weitergeht, bei denen seit Jahresbeginn die Finanzmittel für den Wachschutz fehlen, wird sich zeigen. Glücklicherweise habe es bisher außer an der Albert-Schweitzer-Schule keine Vorfälle gegeben, sagte Franziska Giffey. Einerseits läge das am Engagement von Lehrern und Rektoren, andererseits aber auch an den unterschiedlichen standortbedingten Gefähr- dungslagen. Da bis zum Ende des laufenden Schuljahres de facto keine Ausschreibung für professionelle Wachschützer möglich sei, werde man sich an der Albert-Schweitzer-Schule vorerst mit technischen Vorkehrungen behelfen. Die werden das Gegenteil von offenen Türen bedeuten.

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