„Alle Achtung vor dem, was du machst, aber für mich wäre das nichts“, stellt Frank Zander an- erkennend fest. „Dit würden meine Beene nicht mitmachen.“ Gerade hat der 70-Jährige von Stefan Horvath erfahren, wel- ches Pensum der für seine Mission absolviert. Der kleine, drahtige Mann nennt sich Welt- friedenswanderer, seit er vor mehr als zwei Jahrzehnten sei- nen Job als Bauunternehmer, das geregelte Einkommen und die Vorzüge eines konventionellen Lebens in Wien hinter sich gelassen hat. Seitdem führt der heute 54-Jährige ein Nomaden-Dasein und schläft – statt im eigenen Bett – immer woanders. „Aber Berlin/Brandenburg ist schon so etwas wie
meine Homebase“, sagt er.
Die Zahlen, die Horvath nennt, beeindrucken – auch Frank Zander. Bis zu 100 Kilometern schaffe er am Tag, rund 49.000 Kilometer habe er bisher insgesamt in seiner Laufbahn als Weltfriedenswanderer zurückge- legt und dabei 42 Paar Schuhe verschlissen. „Und was machst du, wenn du neue brauchst?“, erkundigt sich Zander. Dann gehe er in ein Sportfachgeschäft und frage den Geschäftsführer, ob er das Laufen für den Weltfrieden nicht mit einem neuen Paar Wanderstiefel unterstützen will. So sammle er sich seine komplette Ausstattung, Lebensmittel und auch sein Taschengeld zusammen. Letzteres benötige er, um nicht in Parks oder unter Brücken schlafen zu
müssen: „Das wäre mir zu hart und zu gefährlich.“ Diesen Rest Komfort will der Österreicher sich in seiner selbstgewählten Askese erhalten.
Wenn es um andere Menschen geht, ist Stefan Horvath das Gegenteil von bescheiden. Genau wie Frank Zander, der sich seit 1995 für Obdachlose einsetzt, immer auf der Suche nach Sponsoren für das alljährliche Obdachlosenfest ist und jüngst die Spendensammlung für das Caritas-Arztmobil un- terstützte. Wegen dieses Engagements wollte der Weltfriedenswanderer ihn auch unbedingt kennen lernen, nicht wegen der Erfolge als Sänger und Entertainer. So entstand die Idee, für den Karfrei- tagnachmittag ein Gipfeltreffen der beiden Altruis- ten in der CBS-Rixdorf-Galerie am Richardplatz
zu organisieren, wo eine Werkschau Zanders Talent als Maler und Grafiker zeigt. Es sind vor allem die dort ausgestellten Ham- burg-Motive, die es Stefan Horvath angetan haben. „Hamburg“, erzählt er, „ist meine nächste Station.“
Das anschließende Gespräch über die Spenden- sammelei gleicht einem Crash-Kurs für angehende Fundraiser: Bei Kreativen habe man es leichter, weil die meist sozialer seien, ist Frank Zanders Erfahrung. Horvath stimmt ihm zu. Bei der Spendenakquise in großen Unternehmen greife er zu einem anderen Trick: „Denen mach ich ein schlechtes Gewissen.“ Horvath grinst. Sein Stichwort „Weltfrieden“ sei schon etwas wie eine Trumpfkarte: „Wer will den nicht?“ Abgesehen vielleicht von allen, die von einer guten
Auftragslage der Rüstungsindustrie profitieren. Zu- dem helfe ihm beim karitativen Einsatz für seine Projekte, die von Krankenhausbetten für Afrika über Kinderhilfe in Osteuropa bis hin zum Anti-Nazis-Engagement in Deutschland reichen, natürlich die Popularität, die ihm als Weltfriedenswanderer zuteil wird. Frank Zander nickt: „Aber das Wichtigste ist doch, dass man seine Ideen verwirklicht. Und das vehement.“ Wenn jeder in seiner Form helfe und alle, die etwas abgeben können, die Freude am Abgeben für sich entdecken würden, wäre schon vielen geholfen, sind beide überzeugt.
Stefan Horvath muss weiter. Stolz verstaut der Rastlose den „echten Zander im wandergepäcktauglichen Kleinformat“ mit der persönlichen Widmung, die ihm „viel
Glück beim Loofen“ wünscht, in seinem Rucksack. „Wir sehen uns wieder!“, versprechen sie sich zum Abschied.
Gesehen wurde inzwischen auch von vielen Passanten, dass der Meister höchstselbst zwischen seinen Kunst- werken anzutreffen ist. Mancher nutzt die Gelegenheit, sich eine handsig- nierte CD zu kaufen. Mit anderen entwickeln sich spannende Gesprä- che über die Vergangenheit, den Ist-Zustand und die Zukunft des Kiezes. Frank Zander, der hier seine Kindheit verbrachte, kennt ihn bestens. Nebenan in der Villa Rixdorf, erzählt er, habe er seinen 70. Geburtstag gefeiert, den er eigentlich – wegen des Bammels vor der 7 – gar nicht feiern wollte: „Dann war’s aber richtig schön und nach 10 Minuten war die Zahl vergessen.“ Sie habe schon für nachher einen Tisch reserviert, sagt seine Frau Evi. „Ohne Fleisch leben, wie Stefan, das könnte ich ja auch nicht“, gibt Frank Zander zu. Es ist also nicht nur eine Frage der Beine.
=ensa=
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