Sie habe absolut nichts gegen Neukölln, das möchte die Enddreißigerin unbedingt festgestellt wissen. „Aber“, sagt sie, „ich hab eben auch jahrelang keinen Grund gehabt, mich im Kiez rund ums Rathaus aufzuhalten.“ Auf dem Türkenmarkt am May- bachufer sei sie manchmal, ab und zu auch im Süden des Bezirks in den Gropius Passagen, doch ansonsten kenne sie – abgesehen von der Medienberichterstattung – vor allem das Souter- rain von Neukölln. Ihre Wohnung nahe der Jannowitzbrücke im Bezirk Mitte liege nur einen Katzensprung von der Station der U8 entfernt. Auf dem Weg in die Gropiusstadt steige sie dann am Hermannplatz in die U7 um und rausche unter Neukölln hindurch.
Vorgestern wurde das Gesetz der Serie erstmals durchkreuzt – wegen des Katers einer Freundin, die kürzlich vom Wedding in die Boddinstraße gezogen war und am Vortag wegen eines Blinddarmdurchbruchs ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Dunja B. erklärte sich daraufhin spontan bereit, solange bei ihr einzuziehen, um das Sitten des Wohnungstigers zu übernehmen. An der Station Rathaus Neukölln aus der U-Bahn zu kommen und plötzlich vor den gläsernen Neukölln Arcaden zu stehen, das sei schon ein Schock gewesen: „Da wurde mir schlagartig klar, wie lange ich schon nicht mehr in dieser Ecke von Neukölln gewesen bin, obwohl ich nur ’ne Viertelstunde entfernt wohne. Als ich zuletzt hier war, stand noch das Turnschuh-Haus.“ 13 Jahre ist es inzwischen her, dass das Gebäude an der Ecke Karl-Marx-/Flughafenstraße, auf dessen Seitenwand Gert Neuhaus sein Fassadenbild mit dem offiziellen Namen „Verschnürung“ gemalt hatte, abgerissen wurde.
Sie werde künftig weniger U-Bahn fahren, um mehr von den Veränderungen in Berlin mitzukriegen und sie selber zu erleben, hat die Interims-Neuköllnerin beschlossen.
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