Nein, die Schuhe, die auf der Mauer neben dem Tor zum Pyramidengarten Neukölln stehen, sind keine Fund- stücke, die auf ihre Abholung warten. Die seien im letzten
Jahr für die Aktion „Grüner Kiez – Los geht’s“ be- pflanzt gewesen, erklärt Christian Hoffmann. Er ist Vorsitzender des Vereins, der den 2007 gegründeten multikulturellen Nachbarschaftsgarten betreibt. Damals gab es mit dem von griechischen Senioren initiierten Interkulturellen Garten Perivoli nur ein einziges Projekt im Bezirk, das auf ge- meinsames Gärtnern setzte und eine Alternative zum Schrebergarten bot: „Wir fanden, dass es für so etwas auch im Norden von Neukölln einen Bedarf gibt, und
pachteten vom Bezirksamt das brach- liegende Grundstück, auf dem vorher eine Friedhofsverwaltung war.“
Insgesamt 2.550 Quadratmeter ist es groß, etwa 1.000 davon nutzt der Stein- bildhauer Marcus Leicher, auf der rest- lichen Fläche rund um das Vereins-
haus mit dem pyramidenför- migen Dach grünt und blüht es. Gemüse, Obst, Kräuter und Blumen gedeihen auf den Beeten, die von den Vereinsmitgliedern bewirtschaftet werden. Wer den Garten als Mitglied nutzt, zahlt pro Jahr einen Mindestbeitrag von 60 Euro, maximal ist es das Dreifache. „Die Nachfrage ist groß“, sagt Christian Hoffmann. „Wer momentan bei uns mit dem Gärtnern anfangen will, muss auf die Warteliste, weil alle Parzellen vergeben sind.“ Mit dem Wunsch, auf einer eigenen Scholle dem Urban Gardening zu frönen, ist es allerdings im Pyramidengarten nicht getan: Wer hier einsteigt, muss auch die Bereit-

schaft mitbringen, sich um die Pflege der gemeinschaftlich genutzten Flächen und Einrichtungen zu kümmern. Das Vereinsheim, das auch für Feiern und Workshops bereitsteht, und die Gartengeräte müssen in Schuss gehalten, gelegentlich keine Reparaturen ausgeführt, Obstbäume abgeerntet und die Früchte verarbeitet werden. Bestenfalls folgen der bekundeten
Bereitschaft zum Wohle der Gemeinschaft dann auch Taten: „Das klappt natürlich leider nicht immer, ist aber normal bei der Arbeit in Vereinen.“
40 Kilogramm Weintrauben hätten die Reben auf dem Grundstück im letzten Jahr getragen, erinnert sich Christian Hoffmann. Massenweise Obst und
Gemüse sei eingekocht und als Marmeladen oder Chut- neys zubereitet worden, um sie auf Märkten und Kiez- festen zu verkaufen. Das gilt auch für den Honig, den die Bienen produzieren, die im Insektenhotel des Pyramidengartens einchecken. Ein Lern- und Lehrort sei das Kleinod bereits – nicht nur für die Vereinsmitglieder und ihre Familien. Etwa ein Drittel von ihnen bringt durch einen Migrationshintergrund Leben in den multikulturellen Ansatz. Außerdem seien oft Gruppen oder Studenten zu Gast, um sich über die praktische Umsetzung von Nachbarschaftsgärten zu informieren. Auch von Projekten aus anderen Kiezen werde der Pyramidengarten häufig genutzt: Am ersten Juli-Wochenende kommen die Coolen Kids zu Übernachtung und Klima-Frühstück, im August startet eine längerfristige Kooperation mit Marions Kochtheater und dem FABIZ Familienbildungszentrum. „Auf solche Vernetzungen haben wir schon immer großen Wert gelegt“, sagt
Hoffmann. „Davon lebt unser Projekt.“
In manchen Fällen ist das durchaus wörtlich zu neh- men: Gedüngt werde hier mit Mist aus dem Tierpark
Neukölln. In anderen wird das Networking-Engagement mit Man- power und Projektgeldern belohnt, die zur Finan- zierung des Gartens beitragen. „Schön wäre es“, findet Christian Hoffmann, „wenn der Pyramidengarten noch verstärkter als Treffpunkt genutzt werden würde.“ Aber leider wüssten viele ja gar nicht, was für eine grüne Oase sich hinter der hohen, roten Mauer am Columbiadamm versteckt.
Jeden Sonntag ist im Pyramidengarten Neukölln ab 14 Uhr Tag der offe- nen Tür. An jedem ersten Sonntag des Monats können auch Gäste nach Voranmeldung aus mitgebrachtem Teig im Lehmofen Brote backen.
=ensa=
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