Kommt Zeit, kommt Gras

Millionenbeträge für das Ausbessern von Straßenschäden ausgeben, das muss nicht sein – so denkt  man offenbar in Neuköllns Ortsteil  Britz. Völlig kostenlos repariert sich dort die  rumpelige Straße  Alt-Britz selber, indem sie unermüdlich neue

alt-britz_neukölln

Grashalme durch die Ritzen zwischen den Großkopfpflastersteinen schiebt. Nicht mehr lange, dann wird sich parallel zum asphaltierten Britzer Damm ein grüner Teppich ausgebreitet haben und beweisen, dass es sehr hübsch sein kann, einfach Gras über eine Sache wachsen zu lassen.

Viel stop und wenig go in Neuköllns Hermannstraße

Wer momentan mit vier oder mehr Rädern in der Neuköllner Hermannstraße unterwegs ist, braucht vor allem Zeit und starke Nerven. Zuweilen ist außerdem die Benutzung einer Atemschutzmaske ratsam, denn die Feinstaubwolken hüllen gerne

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mal den stehenden oder zähfließenden Verkehr in dichte, stinkende Nebelbänke.

Dank eines katastrophalen Baustellenmanagements reihen sich derzeit auf der Her- mannstraße zwei Nadelöhre aneinander: In Höhe der U-Bahnhof-Station Leinestraße wird seit Wochen der U-Bahn-Tunnel saniert,  dazu schlägt seit einigen Tagen zwischen Thomas- und Emserstraße das Anti-Schlaglochprogramm zu. Infolgedessen steht für den Verkehr auf dem gesamten Streckenabschnitt nur eine Fahrspur pro Richtung zur Verfügung, was wiederum zur Konsequenz hat, dass die Stauung tagsüber bereits meist an der Werbellinstraße bzw. der Silbersteinstraße beginnt.

Ein gutes Nervenkostüm brauchen auch Autofahrer, die an den Kreuzungen vor und im Staubereich oder – nach Ausweichmanö- vern durch die angrenzenden Kieze – aus Seitenstraßen in die Hermannstraße ein- biegen wollen. Letztere dürfen dann häufig feststellen, dass auch viele andere die gleiche Idee hatten.

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Fein gemacht

Nicht nur für Autofahrer, sondern vor allem für Radfahrer sind viele Straßen in Neukölln eine wahre Zumutung. Insbesondere die kopfsteingepflas- terten Verkehrswege sind im Laufe der Jahre zu Teststrecken für Stoß- dämpfer und Armmuskulatur mutiert. Vergleichsweise komfortable Bedin- gungen bieten dagegen die meisten asphaltierten Straßen. So auch die Böhmische Straße, die der Donau- straße entspringt und unweit vom Richardplatz in die Richardstraße mündet. Dank des Anti-Schlagloch-Programms des Berliner Senats, das 1,7 Millionen Euro in den Bezirk geschaufelt hat, bekommt sie derzeit eine neue Asphaltdecke, die direkt vor der Haustür der Psychosozialen Dienste, einer bezirklichen Erziehungs- und Familien- beratungsstelle, endet.

südliches kiehlufer, neukölln, neukölln ans wasserAuch für den Umbau des südlichen Kiehlufers wird aktuell ordentlich Geld in die Hand genommen. Das Pro- gramm „Neukölln ans Wasser“ macht es möglich, dass der Trampelpfad am östlichen Ufer des Neuköllner Schiffahrtskanals nun zu einem be- quemen Bürgersteig wird. Dass in der Gegend kaum Fußgänger unter- wegs sind, weil das von Gewerbe- betrieben  geprägte Gebiet im Rücken des Estrel Hotels nicht eben zum Flanieren animiert, scheint irrelevant. Sonst wären die Investitionen weiter nördlich ins Kiehlufer geflossen.

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Die Katastrophe vor der Haustür

„Wenn Buschkowsky hier wohnen würde, wären die längst fertig“, ist der Rentner überzeugt. Mit „hier“ meint er die Lahnstraße und mit „die“ die Bauarbeiten. Seit nun- straßenbauarbeiten lahnstraße neuköllnmehr 1 1/2 Jahren gleicht die Verbin- dung zwischen der Neuköllnischen Allee und der Karl-Marx-Straße einem Ausstellungsgelände für Absperr- schranken, Signalleuchten, Sicher- heitsbaken und Baumaschinen. „Na- türlich“, sagt der Mann, der seit fast 30 Jahren an der Lahnstraße lebt, „musste mal was gemacht werden. Die Straße und die Bürgersteige wa- ren ja in einem fürchterlichen Zu- stand. Aber dass das so lange dauert, ist wirklich eine Frechheit.“

Für andere Anlieger der Lahnstraße ist es mehr als das. „Die Bauarbeiten treiben straßenbauarbeiten lahnstraße neuköllnuns alle in den Ruin“, befürchtet Ro- bert Berridge, der seinen Laden „Bri- tain in Neukölln“ im Haus mit der Nummer 85 hat. Umsatzeinbrüche von 50 Prozent, weiß er aus Gesprä- chen mit anderen Betroffenen, seien eher die Regel als die Ausnahme in den Geschäften entlang der Lahn- straße, die schon von der Schließung der JobCenter-Zweigstelle im letzten Jahr arg gebeutelt wurden. Das be- stätigt auch die Inhaberin vom „Copy-Center Neukölln“. Parallel zum Kundenrückgang hat sie ein zusätzliches Problem: „Unseren empfindlichen Geräten setzt der Bau- copy-center lahnstraße neuköllnschutt- und Sandstaub enorm zu.“ Der sei immer da – im Gegensatz zu Arbeitern, die das Ende der Bauzeit vorantreiben. „Die tun mal einen Tag lang was und dann wieder drei Tage nichts“, so ihre Beobachtungen. Weshalb nicht zügig durchgearbeitet wird, ist ihr völlig unver- ständlich, Erklärungen und Informationen von offizieller Seite gäbe es nicht. Ihre Geduld ver- ringert sich in dem Maß, in dem sich die Exis- tenzangst vergrößert. Die Fähigkeit zu Empathie ist der Frau dennoch nicht abhanden gekom- men: „Glücklicherweise musste noch nie der Strom abgestellt werden. Beim Wasser kommt das schon ab und zu mal vor, und das bringt für die Leute vom Imbiss nebenan jedes Mal große Probleme mit sich.“ Da gehe es um mehr als darum, dass es dann eben für ein paar Stunden keinen frischen Kaffee gibt und die Klospülung nicht funktioniert.

„Das Ende der Straßenbauarbeiten in der Lahnstraße ist für Ende 2011 geplant“, teilte Neuköllns Baustadtrat Thomas Blesing Anfang Mai in einer Presseinformation mit. Dann sollen die Straße und die Bürgersteige in einem ansehnlichen und funktionalen Zustand sein. Einige sind verhalten optimistisch, andere skeptisch, dass der Zeitplan funktioniert.

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Auf Neukölln kommt was zu

Die gestern von der Abteilung Bauwesen des Neuköllner Bezirksamts verschickte Pressemeldung verheißt nichts Gutes – wenn auch die Ankündigung in der Konsequenz Gutes bedeu- tet: bessere Straßenver- hältnisse nämlich. Doch bis die Gegenwart sind, steht Vier- und Zweirad- fahrern vor allem im Nor- den Neuköllns einiges bevor.

Noch bis Ende nächsten Jahres sind wegen der Sanierung der U-Bahn-Tunneldecke auf der Karl-Marx-Straße zwischen Lahn- und Thomasstraße erhebliche Behinderungen zu erwarten. Parallel dazu wird „demnächst“ wegen Bauarbeiten am U-Bahntunnel die Hermannstraße im Bereich des U-Bahnhofs Leinestraße auf eine Spur pro Fahrt- richtung verschlankt. Um einen Verkehrskollaps im Schillerkiez zu verhindern, verkündet das Bauamt, habe „der Bezirk bei der Verkehrslenkung Berlin und der BVG darauf  gedrungen, dass die zuführenden Straßen wie u. a. die Okerstraße und die Leinestraße während der Bauzeit zu Sackgassen erklärt werden“.

Zusätzlich schlägt das Anti-Schlagloch-Programm des Berliner Senats im Bezirk kräftig zu. Auch auf der Hermannstraße. Zwischen Emser- und Thomasstraße soll zwischen Juli und September der Fahrbahnbelag erneuert werden. Damit dürfte die Benutzung der beiden Neuköllner Magistralen im Sommer einem Parallelslalom gleichkommen.

Von den 1,7 Millionen Euro, die zur Optimierung des Fahrspaßes von der Stadt- in die Bezirkskasse fließen, profitieren jedoch auch diverse andere Straßen in Nord-Neukölln: Die Silbersteinstraße wird zwischen Hermann- und Oberlandstraße entschlaglocht und die Donau-/Böhmische Straße zwischen Rosegger- und Thiemannstraße schick gemacht. Außerdem erhält die Hertzbergstraße von der Sonnenallee bis zur Böhmischen Straße  ebenso einen neuen Fahrbahnbelag wie die Geygerstraße zwischen Sonnenallee bis Donaustraße.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Tiefbauamts, so Baustadtrat Thomas Blesing, würden jedoch ihr Bestes geben, um „möglichst viele Arbeiten in den Sommerferien durchführen“ zu können.

Schon vorher ist es mit den Unannehmlichkeiten fürs fahrende Volk am Rathaus Neukölln vorbei: In der Erkstraße, wo 14 Monate lang zwischen Karl-Marx-Straße und Donaustraße gebuddelt wurde, soll der Verkehr spätestens am 23. Mai wieder uneingeschränkt rollen können.

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Verkehrsberuhigung leicht gemacht

Eigentlich gehört die Kienitzer Straße gar nicht zu dem Bereich im Schillerkiez, der nach einem Beschluss der Bezirksver- ordnetenversammlung (BVV) Neukölln vom 8. Dezember 2010 zur verkehrsberuhigten Zone werden soll. Diese auf Antrag der Neuköllner CDU beschlossene Maßnahme wird lediglich die Schillerpromenade von der Okerstraße bis zum Herrfurthplatz betreffen, nicht aber die Seitenstraßen. Unklar ist derzeit noch, wann sich die Bezirks- haushaltskasse öffnet, entsprechende Schil- der aufgestellt und Aufpflasterungen oder Bremsschwellen installiert werden.

Indes wird in der Kienitzer Straße bereits demonstriert, dass verkehrsberuhigende Verfahren auch zum Nulltarif möglich sind. Einige dieser Fahrbahnabsenkungen kreuz und quer über die Straße verteilt, dürften selbst sportlichste Raser zur Räson bringen. Man muss eben nur aufpassen, dass sich die Fallgruben nicht zu einem großen Ganzen vereinigen, in dem statt eines Reifens gleich das komplette Auto verschwindet. Das wäre dann doch vielleicht ein bisschen zu viel der Verkehrsberuhigung.

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