Er stand vor dem Abgrund – nun hat er sich umgedreht und ist wieder einen Schritt zurück gegangen. „Ausruhen können wir uns nicht, aber wir haben erstmal etwas festeren finanziellen Boden unter den Füßen“, schätzt Wolfgang Rühlmann, der 1. Vorsitzende des Morus 14 e. V. die Lage realistisch ein. Er sei eben kein Träumer, sondern Kaufmann, sagt er mit einem Unterton, der fast ein wenig entschuldigend klingt. Und müde. Die letzten Wochen hätten die Vorstandsmitglieder an ihre Grenzen gebracht, weil bis zum Stichtag 29. Oktober sämtliche Register zur Rettung des Vereins gezogen werden mussten. „Hätten wir heute bei dieser außerordentlichen Mitgliederversammlung keine Lösung für unsere Geldprobleme präsentieren können,
wäre das Jahresende auch das En- de von Morus 14 gewesen“, ist Wolf- gang Rühlmann sicher.
Vor einer guten Stunde hatte er den anwesenden Mitgliedern mitgeteilt, dass es mit dem Verein, der durch Projekte wie das Netzwerk Schüler- hilfe Rollberg und Mieter kochen für Mieter über die Neuköllner Bezirks- grenzen hinaus bekannt wurde, weitergehen kann. Die Bemühungen zum Erhalt des Vereins seien zwar längst nicht abgeschlossen, hätten aber innerhalb kürzester Zeit zu bemerkenswerten Ergebnissen geführt, ergänzte Rühlmanns Vorstandskollegin Angelika Forck: „Durch unseren Hilferuf konnten wir im September Kleinspenden in Höhe von rund 6.000 Euro für die Vereinsarbeit im laufenden Jahr einwerben.“ Das sei das Zehnfache der Summe des Vormonats. Entscheidender für die Zukunft von Morus 14 ist jedoch, dass die Zusage für eine Spende von 40.000 Eu- ro für 2013 vorliegt und es aussichtsreiche Kontakte zu weiteren potenziellen Spen- dern gibt. „Damit“, so Forck, „stehen wir wesentlich besser als im Vorjahr um
diese Zeit da.“ Auch personell wirke sich das aus: Der einzige hauptamtliche Mo- rus 14-Mitarbeiter Frank Bourgett, dessen Vertrag vorsorglich gekündigt wor- den war, könne nun in 2013 weiterbeschäftigt werden. „Über weitere Personalien entscheidet der Vorstand noch“, ließ Angelika Forck die Mitglieder wissen und damit im Unklaren, ob zusätzlich der gerade auf eigenen Wunsch ausgeschiedene Geschäftsführer Gilles Duhem wieder ins Boot geholt werden könnte.
Beschlossene Sache ist hingegen, dass der Verein künftig mehr auf die Ressour- cen seiner Mitglieder bauen will. Nicht nur finanziell, d. h. durch Spenden zusätzlich zum Mitgliedsbeitrag von 24 Euro pro Jahr, sondern auch durch Tatkraft sollen die sich engagieren. Post einkuvertieren, Flyer verteilen, Telefondienst im Büro, Unter- stützung beim Fundraising, Schlüssel ausgeben, Ausflüge vorbereiten. „Wenn wir die tägliche Arbeit auf mehrere Schultern als bisher verteilen könnten, wäre das sehr hilfreich“, vermutet Wolfgang Rühlmann. Bei anderen Ausgaben als bei Honorar- mitteln lasse sich nicht sparen; für das vom Verein genutzte Gemeinschaftshaus werden nur Betriebs- und Energiekosten fällig, ebenso für die Räume, die für das kostenlose Angebot der Schülerhilfe nötig sind. „10.000 Euro“, überschlägt er, „brauchen wir trotzdem monatlich zur Deckung unserer laufenden Ausgaben.“
Einen nicht unbeträchtlichen Batzen machen dabei die Aufwendungen für das Netzwerk Schülerhilfe aus. Ob des rechnerischen Teufelskreises, der „Je mehr Schüler, desto mehr Kosten“ heißt, gebe es aktuell eine Warteliste, auf der rund 40 Kinder stehen. Etwa 100 Kinder haben das Glück, das Mentoringangebot in Anspruch nehmen zu dürfen. Bei deren Eltern, schlug eine Frau während der Mitglieder- versammlung vor, könne man doch zu mehr Engagement für den Verein appellieren. Auch Rühlmann ist die Überlegung nicht fern, gleichwohl sieht er keine Chancen auf Erfolg: „Die nehmen das Angebot als Selbstverständlichkeit hin und sind fast durch die Reihe nicht bereit, dafür auch nur einen kleinen Obolus zu bezahlen.“ Ganz anders eine Rentnerin aus den Reihen der Mitglieder. Sie werde im nächsten Jahr pro Schülerhilfe-Kind einen Euro zahlen, um den Verein und das Projekt zu unterstützen, kündigte sie an.
„Noch mehr solcher Leute und regelmäßige Spender“, rechnet der erste Vorsitzende von Morus 14, „und wir haben uns nicht nur erstmal etwas Luft verschafft, sondern wieder festen Boden unter den Füßen.“ Vorausgesetzt, dass auch alle andere Bemühungen zur Sicherung der Zukunft des Vereins wie erwartet fruchten. Für die Mitglieder bestehen daran keinerlei Zweifel: Ohne Gegenstimme beschlossen sie, dass die Arbeit des Vereins über den 31.12.2012 hinaus weitergeführt werden soll.
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