Lokalpatriotismus ist es nicht, der Prof. Dr. Paul Sigel zum Schwärmen bringt und Sätze wie „Neukölln hat unheimliche Schätze“ sagen lässt. Nein, der Wis- senschaftler mit den Forschungsschwerpunkten Ar- chitektur- und Städtebaugeschichte sieht den Bezirk vor allem aus der fachlichen Perspektive. Mit 16 Stu- denten des Masterstudiengangs Historische Urba- nistik des Centers for Metropolitan Studies der TU Berlin hat er ihn nun mit dem Fokus auf bemer- kenswerte Siedlungs- und Gebäudekonzepte hin untersucht. Ergebnis des Projektseminars ist die Ausstellung „Neues Wohnen Neukölln – Wohnquar-
tiere von 1900 bis heute“, die in Kooperation mit dem Mobilen Museum Neukölln entstand und gestern im Rathaus eröffnet wurde.
Zeitlicher Aufhänger ist der 100. Todestag von Reinhold Kiehl, an dessen Wirken eine Sondertafel erinnert. In „affenartiger Geschwindigkeit“ habe der erste Neuköllner bzw. Rixdorfer Stadtbaurat seine Bauwerke geschaffen, stellte Bezirksbürgermeister
Heinz Buschkowsky fest. Da möge man überhaupt nicht daran denken, „wie lange wir heute brauchen, um ein Pförtnerhaus zu bauen“. Wenn „Papa Kiehl“ nicht so früh gestorben wäre, ist er überzeugt, würde man nun in der ganzen Welt über den sprechen, der in Neukölln sichtbarste Spuren hinterlassen hat. Einerseits in Form öffentlicher Gebäude, andererseits aber auch, wie der
amtierende Baustadtrat Tho- mas Blesing hinwies, durch die Planung und Anlage von Ensembles wie dem Richard- und dem Reuterplatz.
Von den 11 Wohnquartieren, die die Ausstellung porträtiert, hat Kiehl allerdings nur noch drei im Werden beobachten können: Die Schillerpromenade, die als „bessere Wohn- gegend“ geplant war, dann aber überwiegend von Arbei-terfamilien bezogen wurde, die Ideal-Passage, wo 203 Wohnungen entstanden, die höchsten technischen und hygienischen An
sprü- chen genügten, und die zwischen 1912 und 1937 erbaute Kolonie Ideal in Britz, eine nach dem Vorbild einer Gar- tenstadt entworfene Reihenhaussiedlung.
„Es geht uns darum, auf innovative Wohn- konzepte in Neukölln hinzuweisen, die Antworten auf Aufgaben und Bedürfnisse des Wohnungsbaus
der Zeit gegeben haben, in der sie errichtet wurden“, erklärte Prof. Sigel. Aber allein dabei wollten es die Studenten bei ihrem Projektseminar ab- seits des „universitären Lernens im Elfenbeinturm“ nicht belassen: „Das Augenmerk lag immer auf der histo- rischen und der gegenwärtigen Perspektive und der Frage, ob die Konzepte der Quartiere noch heute
funk- tionieren.“ Außer- ordentlich beeindru- ckend sei die Viel- falt der Wohnfor- men, die man im Bezirk insbesondere ob der topographischen Möglichkeiten zwischen In- nenstadt und Peripherie vorfinde. Auf sehr prominente Quartiere wie die Hufeisensied- lung oder die Gropiusstadt, so Sigel, habe man bei der Auswahl ganz bewusst verzichtet.
Stadtrandsiedlung Neuland I-IV. Nie gesehen! Grüne Häuser in Britz. Wo sollen die denn sein? Pilotprojekt Ortolanweg und Siedlung am Schlierbacher Weg. Noch nie
von gehört! Nur wenige Besucher der Vernissage stehen mit wissender Miene vor allen 11 Text-Bild-Tafeln. Für die meis- ten wird hier das eine oder andere Rätsel rund um das breite Spektrum des Woh- nens im Bezirk gelöst.
Die Ausstellung „Neues Wohnen Neu- kölln – Wohnquartiere von 1900 bis heute“ ist noch bis zum 26. April in der 2. Etage des Neuköllner Rathauses zu sehen. Öffnungszeiten: Mo. – Fr. 8 – 18 Uhr.
=ensa=
Filed under: berlin, neukölln | Tagged: ausstellung "neues wohnen neukölln - wohnquartiere von 1900 bis heute", center for metropolitan studies (tu berlin), dr. franziska giffey (spd neukölln), grüne häuser britz, gropiusstadt, heinz buschkowsky (spd neukölln), high-deck-siedlung neukölln, hufeisensiedlung, ideal-passage neukölln, karl bonatz (hochbauamt neukölln), kolonie ideal britz, mobiles museum neukölln, prof. dr. paul sigel (tu berlin), rathaus neukölln, reinhold kiehl, rollbergviertel neukölln, siedlung schlierbacher weg buckow, stadtrandsiedlung neuland britz, thomas blesing (spd neukölln), weiße siedlung neukölln, wohnheim teupe (teupitzer straße), wohnprojekt ortolanweg britz, wohnquartier schillerpromenade | Kommentare deaktiviert für „Neukölln hat unheimliche Schätze“