Neukölln ist „stark überversorgt“, soll es aber nicht bleiben

st.thomas kirchhof_neukölln„Gestorben wird immer“ war nicht nur der deutsche Untertitel der preisgekrönten amerikanischen TV-Serie „Six Feet Under“. Es ist auch ein Bonmot der Be- statterbranche, die allerdings in Berlin schon bessere Zeiten erlebt hat: Lag die Sterberate, d. h. die Quote der Sterbefälle pro 1.000 Einwohner und Jahr, vor 40 Jahren in der Hauptstadt noch bei 18,1 ‰, so hat sie sich heute bei 9 ‰ eingependelt.  Das und der Wandel der Bestattungskultur, die gegenwärtig 80 % Urnen- bestattungen verzeichnet, führten dazu, dass sich der jährliche Friedhofsflächenbedarf gegenüber 1980 um mehr als die Hälfte verringert hat. Infolgedessen entwarf der Berliner Senat vor acht Jahren einen Friedhofsentwicklungsplan und beschloss, dass 290 Hektar der insgesamt 1.037 Hektar messenden Friedhofsflächen in der Stadt kurz-, mittel- oder langfristig „einer anderen Nutzung zugewiesen werden“ Weiterlesen

Es geht um die Wurst

Heute dürfte es für die Bewohner der Neuköllner Oderstraße noch mal richtig dicke kommen. Bei Sonne und Temperaturen über 20° Grad wird es die Berliner in Scha- ren  aufs Tempelhofer  Feld ziehen, um dort  die  Grillsaison 2014 abzuläuten, wo  der

tempelhofer feld_berlin-neukölln

künftige Ex-Stadtentwicklungssenator und seit gestern designierte Wowereit-Nach- folger, Michael Müller, gerne Wohnhäuser gebaut hätte. Bis zum nächsten Sommer ist dann das olfaktorische Emissionsproblem für die Anrainer passé. Was aber bleibt, ist die Parkplatzmisere, da das Tempelhofer Feld bekanntlich nicht nur Griller anzieht.

Spät, aber nicht zu spät? Bürgerinitiative will den Abriss des Neuköllner Kiehlstegs verhindern

kiehlsteg neuköllnWas wird aus dem Kiehlsteg? Das sei Sache des Berliner Senats, teilte Horst Evertz vor gut fünf Monaten auf Anfrage mit. Deshalb könne die [Aktion! Karl-Marx-Straße], die auch für das Sanierungsgebiet Sonnenallee zuständig ist, „leider nicht mehr machen, als die Wünsche weiterzuleiten.“ Die Wünsche nach dem Erhalt der historisch bedeutsamen, hölzernen Fuß- gängerbrücke wohlgemerkt, um die sich bereits damals das Gerücht rankte, dass der Senat ihren Abriss plane.

Schon bei einer Bürgerbeteiligungsveranstal- tung im Dezember 2012, bei der drei Entwürfe für die Umgestaltung des Lohmüh- len-/Weichselplatzes vorgestellt wurden, zu dem auch der Kiehlsteg gehört, wurden Sorgen um dessen Erhalt geäußert. Diese wurden offenbar auch vom Weiterlesen

„Wir sind nicht mehr die lieben Omis und Opis, sondern auch sehr streitbar“

1_seniorenwohnanlage rollbergkiez_neuköllnWas von außen wie ein x-beliebiger Neuköllner Häuser- block aussieht, kann sich auf den zweiten Blick durchaus als etwas Besonderes herausstellen. So ist es zumindest im Abschnitt  zwischen Hans-Schiftan- und Morusstraße in  der  Rollbergstraße. Deshalb fand sich dort gestern Nachmittag reichlich Polit-Prominenz ein, um das Haus 2_seniorenwohnanlage rollbergkiez_neuköllngenauer unter die Lupe zu nehmen.

157 Mieter zählt die Wohn- anlage für Senioren aktu- ell, die zum Bestand des städtischen Wohnungs- bauunternehmens Stadt und Land gehört. Wer berech- tigte Hoffnungen haben will, in eine der 108 Wohnungen zu ziehen, muss mindestens 60 Jahre alt sein. Bei Sylvia-Fee Wadehn war es 2011 soweit, genau zum richtigen Zeitpunkt. „Eine wie Frau Wadehn hat hier Weiterlesen

Die Angst vor dem Flächenfraß der A100 geht weiter um

a100-baufläche neuköllnAn der Sonnenallee zwischen Arbeitsamt und Hotel Estrel klafft gegenüber der Ruine von Hütter‘s Zentrallager eine große Lücke. Zahlreiche alte Bäume  wurden hier letzte Woche gefällt, und das Magna-Gebäude ist bis auf den letzten Stein ab- gerissen. Freier Blick von der Sonnenallee bis a100-bauarbeiten_neuköllnzum Treptower Park!

Der Erhalt und die Sa- nierung von Straßen-, Schienen- und Schiff-fahrtswegen werden  immer wichtiger, denn für den Aus- und Neubau der Verkehrswege  fehlt dem Bund das Geld. Doch in Berlin ticken die Uhren wohl anders. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Weiterlesen

Ungemütliche Aussichten

winterfester fahrradsattel_neuköllnBei Autos gehören Sitzheizungen zum Standard oder können problemlos nachgerüstet werden, wenn Rücken, Hintern und Oberschenkel nach Wär- me verlangen. Radfahrer können die- sem Bedürfnis nur sehr viel einge- schränkter nachkommen. Entspre- chend ungemütlich ist es in der kalten Jahreszeit für sie.

Ungemütlicher wird es auch in Neu- kölln, wenn nicht jetzt gehandelt wird. Denn: Bewahrheitet sich die Bevölkerungsprognose für Berlin und die Berliner Bezirke 2011 – 2030, die Stadtentwicklungssenator Michael Müller gestern in einer Sitzung des Senats vorstellte, wird die Zahl der Neuköllner  bis 2030 auf rund 338.000 (+ 6,5 %) angewachsen sein und etwa 20.000 Menschen mehr als aktuell werden Wohnraum brauchen. Andere Bezirke trifft es noch härter: Bei Spitzenreiter Pankow wird für die nächsten 18 Jahre sogar ein Wachstum von 16,3 % erwartet.

Deutsch-Amerikanisches Volksfest vor dem Aus?

Autorennen, Nachbarschaftsgärten mit Dorfplatz, öffentliche Gebäude, Townhouses oder einfach nichts: Die Vorstellungen, wofür künftig auf dem Tempelhofer Feld Platz sein soll, gehen weit auseinander. Auch der Schausteller und Volksfeste-Organisator Thilo-Harry Wollenschlaeger hat da so seine Ideen.

Er würde gerne im kommenden Sommer für etwa vier Wochen die Fläche am Tempelhofer Damm neben der Stadtauto- bahn mieten, bat Wollenschlae- ger den Stadtentwicklungssena- tor Michael Müller Ende August in einem Brief und teilte auch gleich mit, was er dort vorhat: Auf dem Gelände, das während der Olympischen Spiele in London dem Event Die Spiele in Berlin  zur Verfügung gestellt wurde, solle das 53. Deutsch-Ame- rikanische Volksfest stattfinden. Dessen ehemaliger Standort an der Heidestraße nahe dem Berliner Hauptbahnhof werde bebaut, erklärte Wollenschlaeger dem Senator und verwies zugleich auf die „lange amerikanische Tradition des Standorts Tempelhof“ sowie zahlreiche Umfragen, die ergeben hätten, dass das ehemalige Flugfeld „in breiten Teilen der Bevölkerung“ als Location für das Volksfest gewünscht werde. Zudem war dem Schreiben zu entnehmen, dass der Antrag sowohl von der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika als auch vom „Alliiertenmuseum Berlin, das ja ebenfalls nach Tempelhof umzieht“ unterstützt werde. „Wir würden uns freuen, Ihnen unser Konzept persönlich vorzustellen“, ließ Thilo-Harry Wollen- schlaeger den Senator außerdem wissen.

Aber dazu kam es gar nicht erst. Statt einer Einladung zu einem vertiefenden Gespräch über das Anliegen erhielt Wollenschlaeger von einer Sachbearbeiterin aus Müllers Ressort eine Absage für das temporäre Anmieten der Fläche, die gerade mal ein Fünfzigstel des gesamten Tempelhofer Feldes ausmacht: „Wir halten eine Nutzung oder teilweise Nutzung der Tempelhofer Freiheit durch Volksfest für unangemessen und es widerspricht den erarbeiteten Nutzungskonzepten für dieses Areal und ist der langfristigen Adressbildung nicht zuträglich. Das Areal soll künftig seiner historischen Bedeutung und seiner besonderen Lage in der Stadt ent- sprechende Nutzungen aufnehmen.“ Wenn das Deutsch-Amerikanische Volksfest keinen Bezug zur historischen Bedeutung des Ortes habe, der Luftbrücke und zu West-Berliner Zeiten Airport der amerikanischen Streitkräfte war, was dann?, fragt sich Wollenschlaeger nun. Ebenso unbegreiflich ist ihm, dass „der Senat, der bei seinen eigenen volksfestähnlichen Veranstaltungen komischerweise immer Schausteller engagiert“, jetzt ein Volksfest ablehnt – und damit auch Einnahmen im fünf- bis sechsstelligen Bereich.

Doch so schnell will Thilo-Harry Wollenschlaeger nicht aufgeben. Einen Alternativort zum Tempelhofer Feld gibt es für das traditionsreiche Deutsch-Amerikanische Volksfest ob des Baubooms in Berlin nicht; die Kapazitäten des zentralen Festplatzes am Kurt-Schumacher-Damm sind erschöpft. Dann, ist Wollenschlaeger entschlos- sen, müsse das Thema eben im Berliner Abgeordnetenhaus behandelt werden. Oder auf Bundesebene, wo längst erkannt wurde, dass Volksfeste in Deutschland zum  schützenswerten Kulturgut  gehören.

=ensa=

An die Tafeln!

Der Anfang ist gemacht: Letzten Mittwoch enthüllten Michael Müller, Berlins Senator für Stadtentwicklung, und der Staatssekretär für Kulturelle Angelegenheiten, André Schmitz, die  ersten drei Infotafeln zur Geschichte des Tempelhofer Felds. Eine klärt infotafeln zur geschichte des tempelhofer felds, zwangsarbeiterlager, berliner forum für geschichte und gegenwartüber das ehemalige Zwangsarbeiterlager auf dem Gelände auf, die beiden anderen über das KZ Columbia-Haus. „Am Ende werden es  etwa 20 Tafeln sein, die  an geschichtsträchtigen Stellen Einblicke in die Historie geben“, kündigt Daniela Augenstein von der Pressestelle der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung an. Da- bei solle ein  zeitlicher Bogen von der Rodung des Feldes bis zur zivilen Luftfahrt  im geteilten Berlin gespannt und der Zeit zwischen 1933 und 1945 besondere Aufmerksamkeit gewid- met werden.

Aber nicht nur deshalb traf man die Ent- scheidung, mit den ersten Stationen Themen der NS-Vergangenheit aufzugreifen. Ein weite- rer Grund war, dass  vom KZ Columbia-Haus wie auch vom Zwangsarbeiterlager oberirdisch längst nichts mehr zu sehen  ist.  Folglich müsse, so Michael Müller, das Leiden vieler KZ-Häftlinge und Zwangs- arbeiter an diesem Ort erst wieder in Erinnerung gerufen werden. „Die Informations- tafeln“, hofft der Senator, „werden dazu beitragen.“ Andererseits steckt auch die Forschung über das Zwangsarbeiterlager auf dem Tempelhofer Feld noch in einem Stadium, das  Fragen nach den Ausmaßen des Lagerkomplexes offen  lässt. radarturm flughafen berlin-tempelhofBodenspuren, hält die Infotafel nahe dem TIB- Softball-Feld fest, würden „erst demnächst ge- nauer untersucht“  werden.

Weitgehend erforscht ist hingegen die Ge- schichte des  Konzentrationslagers Columbia- Haus. 1896 erbaut, diente es knapp 30 Jahre als Gefängnis. In den frühen Jahren der national- sozialistischen Herrschaft, ist den Edelstahltafeln vor dem Hangar 2 des Flughafengebäudes zu entnehmen, war das Columbia-Haus eine der schlimmsten Folterstätten und das einzige offizielle KZ der SS auf Berliner Stadtgebiet. Insgesamt  seien im Columbia-Haus mindestens 8.000 Männer ein- gesperrt gewesen. Im infotafeln zur geschichte des tempelhofer felds, columbia-haus, berliner forum für geschichte und gegenwartNovember 1936 wurde das KZ Columbia-Haus schließlich aufgelöst, im Zuge des Flughafenneubaus erfolgte zwei Jah- re später der Abriss.

Das Tempelhofer Feld sei  Brenn- punkt Berliner und Deutscher Zeit- geschichte, sagte Staatssekretär An- dré Schmitz anlässlich der Enthüllung der ersten drei Infotafeln und erin- nerte: „Bevor es mit der Luftbrücke zum Symbol der Freiheit wurde, war es  lange Jahre ein Ort der Unterdrückung, und der Unfreiheit. Wir werden unserer widersprüchlichen Geschichte im 20. Jahrhundert nur dann gerecht, wenn wir sie in ihrer Gesamtheit in den Blick nehmen, gewichten und bewerten.“

Wann und wo die nächsten der deutsch-englischen Text-Bild-Tafeln aufgestellt werden, die inhaltlich vom Berliner Forum für Geschichte und Gegenwart (BFGG) in enger Kooperation mit Historikern erarbeitet wurden, lässt sich laut Daniela Au- genstein momentan noch nicht sagen. Sicher sei jedoch, dass der Gedenkpfad zur Geschichte des Tempelhofer Felds peu à peu wachsen werde.

=ensa=