„Wie schneidet man denn Würfel?“ Es sind Fragen wie diese, die Profi- Koch Matthias Buchholz verraten, dass er es mit Amateuren am Herd zu tun hat. „Immer abwärts schälen! Das geht leichter als aufwärts, wie beim Radfahren“, rät er und zieht den Sparschäler über eine Petersilienwurzel. Hannah Gloger, Benedikt Schuh und Marco Boest sehen ihm aufmerksam zu, denn gleich sollen sie es nachmachen.
Während ihre Klassenkameraden im Unterricht sitzen, stehen die drei Zehntklässler der Evangelischen Schule Neukölln – verstärkt durch Schulleiter Klaus-Randolf Weiser und Schulstadträtin Franziska Giffey – in der Küche des Buchholz Gutshof Britz. „Dass wir als Schü- lerbischöfe so viele Termine haben und der zeitliche Aufwand so groß ist, hätte ich vorher nicht gedacht“, gesteht Benedikt. Seit dem vergangenen Niko
laustag sind er und Marco (beide 15) sowie die 16-jährige Hannah im Amt. Beim Ein- führungsgottesdienst in der St. Marienkirche verteil- ten sie Äpfel an alle An- wesenden, zum Treffen mit Heinz Buschkowsky brachten sie ihre 10 Gebote für eine bewusste Ernährung mit. Der Neuköllner Bezirks- bürgermeister habe denen Alltagstauglichkeit attes-tiert, weil es nicht um einen totalen Verzicht z. B. auf Fleisch, sondern um machbare Einschränkungen und das Nachdenken übers Essen an sich geht, sagt Hannah. Der achtsame Umgang mit Lebensmitteln ist das Leitthema der drei Schülerbischöfe, die sich mit dem Bedürfnis, dieses Anliegen unter Gleichaltrige und in die Öffentlichkeit zu bringen, zur
Wahl gestellt haben – und gewählt wurden.
„Aus den Würfeln machen wir ein Apfel-Petersilien-wurzel-Ragout. Dazu wird es Grießklöße in einem Sud aus den Resten geben“, erklärt Matthias Buchholz, der sich in seinem vor 1 1/2 Jahren eröffneten Restaurant einer leichten Landhausküche verschrieben hat und bevorzugt fri- sche, regionale, saisonale Produkte verarbeitet. Dass sich junge Leute für eine gesunde Ernährung einsetzen, gefällt ihm sehr. Mit seiner 10-jährigen Tochter erlebe er das genaue Gegenteil, verrät er und erzählt von den Dramen, die sich früher im Hause Buchholz-Elm abspielten, wenn gesundes Selbstgekochtes auf den Tisch kam. Inzwischen sei die Ablehnung ledig- lich etwas gemäßigter und artikulierter, hinzu gekommen sei eine ausgeprägte Weiße-Tischdecken-Antipathie.
„Die Petersiliestängel nicht wegschmei- ßen!“, bittet Buchholz Franziska Giffey (l.). „Die kommen in den Sud.“ So lernen die drei Schülerbischöfe nicht nur, wie leicht sich Gutes mit Produkten aus der Region kochen lässt, sondern auch, dass nicht alles in der Biotonne landen muss, was dafür prä- destiniert scheint.
Benedikt macht sich mit Matthias Buchholz ans Kochen des Grießbreis. Wie anstrengend die Rührerei in der immer kompakter werdenden Masse aus Hartweizengrieß ist, wundert ihn: „Da braucht man ja richtig Oberarme!“ Buch- holz grinst. Er weiß, dass der Alltag als Koch harte körperliche Arbeit bedeutet. In der Regel ist er mit drei Mitarbeitern in der Küche be- schäftigt, um Vorspeisen, Hauptgerichte und Desserts für bis zu 50 Gäste täglich zu kreieren. Am 1. Weih- nachtsfeiertag waren es sogar 77. Danach wisse man dann schon, was man getan hat. Zudem werde auch das Kochen durch unterschiedlichste Allergien stän- dig herausfordernder. „Immer gleich wegräumen, was ihr nicht mehr braucht!“, ermahnt der 45-Jährige seine
Beiköche. „Ordnung ist das oberste Ge- bot in der Küche, ohne die geht das größte Genie den Bach runter.“ Es gibt Bemerkungen, die Jugendliche im Alter der Schülerbischöfe lieber hören.
Mit einem Eisportionierer, Suppenkellen und den Händen werden aus der mit gehackter Petersilie bestreuten Grieß- masse Knödel. Etwa 10 Minuten Kochzeit, dann seien sie fertig, schätzt Buchholz. Wer noch nach einem Paradebeispiel dafür sucht, dass Männer durchaus multi- taskingfähig sein können, ist bei ihm an der richtigen Adresse: Er würzt, rührt, erzählt und hat nebenbei noch
alles im Auge, was auf dem Herd köchelt.
Eine gute Stun- de, dann ist aus wenigen Zutaten eine raffinierte kulinarische Komposition ge- worden. „Schmeckt’s?“, erkundigt sich Mat- thias Buchholz und erntet einhelliges Nicken. Doch, findet er, das sei ein Gericht, das mit dem Namen „Petersilienknödel auf Ragout von Apfel und Petersilienwurzel“ auch auf die Karte des Restaurants passen würde. „Ich maile euch das Rezept zu“, verspricht er den Schülerbischöfen.
Schon am 20. Januar wird deren Amtszeit wieder vorbei sein. „Viel länger“, vermutet Rektor Klaus-Randolf Weiser, „ließe sich das auch kaum mit dem Schulalltag ver- einbaren.“ Schließlich sollen die Leistungen nicht unter den zusätzlichen Verpflich- tungen leiden. Marco Boest, Hannah Gloger und Benedikt Schuh wollen das Privileg, diese etwas anderen Erfahrungen zu machen, bis zum letzten Tag genießen.
Die Tradition der Kinder- oder Schülerbischöfe kommt aus dem Mittelalter. In Berlin wurde die Idee, Kinder und Jugendliche zu Bischöfen zu machen, 2010 vom damaligen Generalsuperintendenten Ralf Meister wieder belebt. Ziel ist es, dem Anliegen von Jugendlichen auch öffentlich eine Stimme zu geben. Neben Berlin gibt es u. a. auch in Hamburg und Göttingen Schüler- bischöfe.
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