Überraschendes im Verborgenen

Manche tun es von sich aus, andere brauchen Anlässe, um von ausgelatschten Pfaden abzuweichen. Einen solchen Impuls will das Behind the Wall Project des Fotografen Luca Abbiento geben, das seit gestern zu „verborgenen Schätzen“ ent- lang der Karl-Marx-Straße lockt, um dort zu neuen Eindrücken zu verhelfen.

Die Verbindung zwischen Puppentheater-Museum (l.) und der benachbarten Pase- waldschen Ateliergemeinschaft, das Atrium des ehemaligen Heimatmuseums Neu- kölln  und der Hof des  gsub-Projektehauses (r.) sind drei der inzwischen von sieben

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auf sechs Stationen geschrumpften Kunstaktion. Es waren zunächst die Orte, von denen sich Luca Abbiento inspirieren ließ. „Danach“, berichtet er, „habe ich mir ein- fallen lassen, wie der Ort durch Fotos lebendiger und attraktiver werden und Pas- santen überraschen könnte.“ An jedem Ort werde nun durch die Abbildung der Prota- gonisten eine Geschichte oder Lebensszene erzählt. Zum Teil gebe es dabei – wie z. B. im Falle des Architekten Kay und des Projektehaus-Hofs –  eine reale Verbindung zwischen Person und Ort. An anderen Stationen – so auch in der Passage zwi- schen Karl-Marx- und Richardstraße – wurde ein Zusammenhang inszeniert: „Annet- te, die Schmiedin“, erklärt Luca Abbiento, „arbeit seit langem in einer Werkstatt gegenüber der Chemischen Reinigung.“ Der Kontrast von dreckig und sauber ist hier der prägende Moment. Das  Miteinander von alt und jung bestimmt dagegen die

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Foto-Installation am zweiten nicht verborgenen Ort, der alten Post. Julian, der Prota- gonist, verjüngt die alte Fassade des seit Jahren leerstehenden Gebäudes. Durch seine Blickrichtung, so Abbiento, solle der Eindruck entstehen, dass die Fassade auf die vorbeilaufenden, das alte Gemäuer ignorierenden Menschen schaut.

behind the walls project_luca abbiento_sparkasse platz-der-stadt-hof_neuköllnNoch unauffälliger als Julian fügen sich die beiden fotografierten Akteurinnen im düsteren Foyer des Spar- kassengebäudes am Platz der Stadt Hof (l.) in ihre Um- gebung ein. Insbesondere die Mutter ist auf Anhieb kaum zu sehen. „Dort spielt die Imagination bei mir die Hauptrolle“, führt der Fotograf aus. Die Mutter werde förmlich vom dunklen Marmor aufgesaugt, während behind the walls project_luca abbiento_donaustraße 110_neuköllnihre 16-jährige Tochter in strenger, stolzer Haltung nach außen tritt.

Gar nicht erst suchen muss man indes nach der entlegendsten Foto-Instal- lation auf der Route der von der [Aktion! Karl-Marx- Straße] geförderten Behind the Wall-Ausstellung: Das Bild am Haus in der Donaustraße 110 durfte nur kurz aufgehängt werden, um es dort zu Dokumentations- zwecken zu fotografieren. „Echt schade“, findet Luca Abbiento, „aber wir werden es  in der Galerie auf unse- rem Blog  zeigen.“ Die anderen Stationen warten noch bis zum 28. Mai darauf, entdeckt zu werden.

=ensa=

Muttifunktional

projekt "nur mut für mütter in neukölln", ajb gmbh, neuköllnDer Weg nach oben ist tückisch und steil. „Passen Sie auf der Treppe auf!“, rät Rita Spanner, die sich längst an die abgewetzten, knarzenden Stufen gewöhnt hat. Den 15 Frauen, die seit Mitte März am  Projekt „Nur Mut für projekt "nur mut für mütter in neukölln", ajb gmbh, neuköllnMüt- ter in Neukölln“ teilneh- men, geht es inzwischen genauso. Und der Weg zu den Projekträumen im 1. Stockwerk in der Karl- Marx-Straße 50 war mit Sicherheit die kleinste Herausforderung, die sie zu meistern hatten.

Stundenlang aus dem Haus zu sein und das regelmäßig, war für alle eine vollends verlernte oder gar gänzlich unbekannte Situation. Den Lebensrhythmus hatten lange projekt "nur mut für mütter in neukölln", ajb gmbh, neuköllnZeit die Kinder und die Aufgaben innerhalb der eigenen vier Wände bestimmt. „Genug zu tun hatte ich immer“, blickt eine der Frauen zurück. Trotzdem war sie – wie alle anderen Projektteilnehmerinnen – das, was landläufig als „arbeitslos“ bezeich- net  wird.

Durch das von der ajb GmbH initiierte Beschäftigungsangebot „Nur Mut für Mütter in Neukölln“ wird den JobCen- ter-Kundinnen nun die Möglichkeit gegeben, sich in den Bereichen Hauswirtschaft projekt "nur mut für mütter in neukölln", ajb gmbh, neuköllnund  Nähen  zu qualifizieren und den  Wiedereinstieg ins Berufsleben  zu trainieren, wobei neben fach- lichen Fähigkeiten auch die sozialen Kompetenzen projekt "nur mut für mütter in neukölln", ajb gmbh, neuköllngeschult werden. „In Sachen Teamwork, Kommunikation und  Streitkultur hatten die Frauen schließlich im Laufe der Zeit einige Defizite angesam- melt“, so die Erfah- rung von Projektleiterin Rita Spanner. Schon deshalb beginne jeder Tag mit einer Gesprächsrunde, bei der projekt "nur mut für mütter in neukölln", ajb gmbh, neuköllnOrganisatorisches und Zwischenmenschliches erörtert wird: „Oft sind es ja kleine Missver-ständnisse oder nicht angesprochene Proble- me, die zu großen Hürden werden.“ Ebenso oft stelle sich zudem bei den Meetings heraus, wie sehr sich die Frauen untereinander helfen und projekt "nur mut für mütter in neukölln", ajb gmbh, neuköllnvoneinander pro- fitieren können.

Täglich von mon- tags bis freitags sind sie in der neu gegründeten Einrichtung, je- weils fünf Stunden lang. „Schon die tägliche Dauer bedeutete für die meisten, dass sie, um am Kurs teilnehmen zu können, erstmal eine  Bewilligung für die längere Kitabetreuungszeit  brauchten“, berichtet Rita Spanner. Sich durch solche Formalitäten kämpfen zu wollen, Unsicherheiten abzulegen und Selbstbewusstsein aufzubauen, gehöre zu den ersten Schritten in die richtige Richtung.

„Ich bin wirklich tief beeindruckt, mit wie viel Stolz, Einsatz und Konzentration die  Mütter  inzwischen bei der  Sache  sind und wie sie es schaffen, ihren  Alltag  neu  zu

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regeln“, freut sich die Projektleiterin. Der Fotograf Luca Abbiento, der Portraitfotos von den Frauen machte, die nun im langen Flur der Projektetage hängen, erlebte es ähnlich. Am Anfang seien sie sehr zögerlich und unsicher gewesen. „Aber nachdem wir uns etwas kennen gelernt haben und sie Vertrauen zu mir aufbauen konnten, war es für projekt "nur mut für mütter in neukölln", ajb gmbh, neuköllnalle selbstverständlich, bei der Fotoaktion mitzumachen.“ Nicht zuletzt durch das gegenseitige Ermuntern untereinander.

Schon zur Halbzeit der Projektlaufzeit ist aus den 15 Müttern ein Team ge- worden, in dem die Schwächen jeder einzelnen ausgeglichen und die Stär- ken gefördert werden. In dem mitein- ander gearbeitet wird und der respekt- volle Umgang oberste Priorität hat. „Sonst würde das Projekt auch kaum klappen“, vermutet Rita Spanner angesichts des heterogenen Gruppengefüges. Die jüngste Teilnehmerin ist 28, die älteste 56; nicht minder unterschiedlich sind die Herkunftsländer, Biographien und Zukunfts- pläne der Frauen. Ihr entscheidender gemeinsamer Nenner ist, dass sie Kinder haben und wieder ins Berufsleben einsteigen wollen.

=ensa=