Stiftung plant zwei Neubauprojekte für gemeinnützige Initiativen in Neukölln

Das Erscheinungsbild der Hermannstraße in Höhe des U-Bahnhofs Leinestraße wird sich bald stark ändern, denn für die Flächen der drei Friedhöfe St. Thomas (neu), Jerusalemskirchhof V und St. Jacobi, gab der Evangelische Friedhofsverband Berlin Stadtmitte (EVFBS) im Jahr 2015 ein Gutachten zur Nutzungsänderung, das „Integrierte Friedhofsent-wicklungskonzept“ in Autrag.

Nachdem der Bundesverband Deutscher Garten-freunde Ende Januar in der Kapelle auf dem St. Thomas-Friedhof erklärt hatte, dass er an der Hermannstraße sein Bundeszentrum bauen wird, lud die Schöpflin Stiftung jetzt an denselben Ort ein, um ihre Ambitionen Weiterlesen

Mal schon nah, mal noch fern: Welche Veränderungen stehen dem Neuköllner Schillerkiez bevor?

plakat_zukunftswerkstatt-schillerkiez_neukoellnDas Interesse an der Zukunft des Schillerkiezes, die am vergangenen Sonnabend auf Einladung des Quartiers-managements in den Räumen der Kinderwelt am Feld erörtert wurde, war eher dürftig. Die Gegenwart in Form eines milden, sonnigen Septembertages verschaffte dafür dem Tempelhofer Feld umso mehr Andrang.

Wie wird es im Kiez zwischen Columbiadamm und Silbersteinstraße, Tempelhofer Feld und Hermann-straße in fünf oder 10 Jahren aussehen? Was wird geplant, um den Engpass auf dem Wohnungsmarkt zu entzerren und die Kapazitäten der Schulen zu erweitern? „Die wichtigsten Veränderungen wird es auf den Friedhöfen an der Hermannstraße geben“, kündigte Rolf Groth. Nur noch ein kleiner Teil werde Weiterlesen

Neues Experimentierfeld für eine blühende Zukunft

Es tut sich was auf dem Jerusalem-Friedhof in der Neuköllner Hermannstraße: In der Nähe der Stelle, wo im letzten Sommer Grabungen als Vorbereitung einer Gedenk-stätte für das kirchliche Zwangsarbeiterlager stattfanden, entsteht nun eine Garten-anlage. Auf Initiative des Schlesische 27 e. V. gestalten Künstler und Gärtner zusam-men mit  jungen Geflüchteten und Menschen aus der Nachbarschaft  ein Bildungs-

die gärtnerei_jerusalem-friedhof neukölln die gärtnerei_jerusalem-kirchhof neukölln

labor und Experimentierfeld zum Aufbau einer gemeinsamen Zukunft: An jedem dritten Freitag im Monat lädt das Projekt Die Gärtnerei zum Austausch von „persön-lichen Erfahrungen aus der eigenen und fremden Kultur“ in sein Café Nana ein.

Finsteres Erbe von Berliner Gemeinden in Neukölln freigelegt

st. thomas friedhof_neuköllnRechts neben dem ehemaligen Blumenladen in der Hermannstraße durch das Portal, vorbei an der neo-gotischen Kirche, die seit inzwischen 10 Jahren von der Bulgarischen Orthodoxen Ge- meinde bulgarische orthodoxe gemeinde_jerusalem-kirchhof neuköllngenutzt wird, und dann über 300 Me- ter immer geradeaus. Wer diesen Weg hinter sich hat, steht dort, wo 39 evangelische und drei katholische Gemeinden während der NS- Zeit das einzige kirchliche Zwangsarbeiter- lager betrieben.

Für über 100 aus der damaligen Weiterlesen

Verschleppt. Getreten. Beschimpft. Bedroht.

kreuzAnlässlich des Berliner Themenjahrs „Zerstörte Vielfalt“ ist die Konfron-tation mit den immer wieder unfass- baren Gräueltaten innerhalb der Dutzend Jahre braunen Terrors groß. Dass sogar die Evangelische Kirche daran beteiligt war, indem sie ver- steckt im hinteren Teil des Fried- hofs der Jerusalems- und neuen Kir- che V an der Neuköllner Netzestraße von 1942 bis 1945 ein Zwangsarbeiterlager betrieb, ist kaum zu glauben. Über 40 christliche Gemeinden (38 evangelische und 3 katholische) waren daran beteiligt und ließen auf säulenrest_ns-zwangsarbeiter_neuköllnihren Friedhöfen über hundert aus der besetzten Sowjetunion verschlepp- te männliche Zivilisten als Totengräber schuften.

Bis vor zwei Wochen erinnerten eine Infor-mationssäule und ein Gedenkstein nahe dem Eingang dieses Friedhofs daran. Heute ist dieser Platz verwaist und nur noch der Sockel und ein Kranz aus Kieseln weist darauf hin, dass hier mehr gewesen sein muss.

Begibt man sich allerdings in den Teil, in dem die Wohn- und Wirtschaftsbaracken gestanden haben, trifft man auf eine etwas schief stehende Tafel, auf der u. a. zu lesen ist: „Hier standen von August 1942 bis April 1945 die Baracken eines hinweistafel_gedenkort zwangsarbeiterlager_neuköllnkirchlichen Zwangsarbeiter- lagers. (…) Wegen mangel- hafter Ernährung litten sie unter Hunger und Krankhei- ten. Kranken wurde in eini- gen Fällen Arbeitsverweige- rung unterstellt. Das bedeu- tete Einweisung in ein »Ar- beitserziehungslager« oder KZ. (…) Bei den häufigen Bombardements des an- grenzenden Flughafens durften die Insassen des Lagers als besonders gekenn- zeichnete »Ostarbeiter« keine Luftschutzkeller benutzen. (…) Das Lager wurde drei Mal von Bomben getroffen und brannte am 29. April 1944 nieder. Auch wenn es bei diesem Angriff, da er tagsüber erfolgte, keine Todesopfer gab, wuchs die Angst. Das Lager wurde 1944 nach der Zerstörung hinweistafel_ausstellung ns-zwangsarbeit_neuköllnnotdürftig wiederaufgebaut. Die Befreiung er- folgte am 24. April 1945 durch die Rote Armee.“

Dann ein weiteres Schild. Und wer am letzten Sonntagnachmittag diesem Hinweis folgte, traf nicht nur auf den Ausstellungspavillon, sondern auch auf Gerlind Lachenicht und eine kleine Gruppe weiterer Menschen, die der Einladung von Cross Roads gefolgt waren und ns-zwangsarbeiter-pavillon_neukölln„Berlin mit anderen Augen“ sehen wollten. Das nämlich verspricht dieses Stadtspa-ziergangsprogramm, das sich insgesamt 19 verschiedenen Themen widmet und so auch dem, der diesem Beitrag die Über- schrift gab.

Gerlind Lachenicht ist hauptamtliche Mitar-beiterin des Landeskirchlichen Archivs und dort für das Forum für Erinnerungskultur der EKBO (Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz) tätig. An diesem Tag war sie zusätzlich fürsorgliche Gastgeberin im Ausstellungspavillon auf dem St. Thomas-Friedhof und in jeder Hinsicht kompetente Spaziergangs-führerin gerlind lachenicht_crossroads_neuköllnmit großem Engagement, das nicht zuletzt daran festzumachen war, das sie die vorgesehen 1 ½ Stunden schlicht- weg verdoppelte.

Anhand der Ausstellungstafeln zeichnete sie das Schicksal derjenigen Insassen nach, die sie ausfindig gemacht und zu denen sie Kontakt herstellen konnte. Von ihr ist auch zu erfahren, dass erst im Jahr 2000 klar wurde, welche Rolle die Kirchengemeinden in diesem Zusammenhang gespielt haben, und welchen Schock das in Kirchenkreisen auslöste. Eine weitere erschreckende Erkenntnis war die, dass die Zwangsarbeiter selbst nicht wussten, dass sie für kirchliche Einrichtungen arbeiteten, was wiederum deutlich macht, dass sie keinerlei seelsorgerische Begleitung durch die Pfarrerschaft erfuhren. Es war allerdings auch das einzige Lager, das von der Kirche geplant, aufgebaut und über Jahre verantwortet wurde.

Was die Zwangsarbeiter durchmachen mussten, ist unter Anlegung heutiger Maß- stäbe unvorstellbar. Am Schlimmsten muss der Hunger gewesen sein. Und wer denkt, dass die Überlebenden durch die Rote Armee „befreit“ wurden, irrt. Denn zurück in der Heimat, wurden sie als Kollaborateure geschmäht, weil sie für Deutsche gearbeitet und nicht gegen diese die Waffe erhoben hatten. Dass dennoch die einzelnen Lebenswege ganz unterschiedlich verliefen, lässt Gerlind Lachenicht crossroads-gruppe_neuköllndurch ihre ergreifenden Schilderungen deutlich werden.

Beim anschließenden Gang über den Friedhof finden sich auch Gedenkstein und Infosäule wieder, die bewusst in die Nähe Ausstellungsraumes gebracht wurden, weil die geschäftige Hermannstraße ein zu stark trennendes Element gewesen sei. Und nun werden auch die Gestaltung und Funktion dieses Findlings erläutert:

Nachdem die oberste Ebene mit dem Sinnbild des Deckelhebens abgenommen worden war, ging es darum, einen geeigneten Sinnspruch zu finden. Man einigte sich gedenkstein_ns-zwangsarbeiter_neuköllnauf: „Der Gott, der Sklaven befreit, sei uns gnädig.“ Aus dieser zweiten Ebene ist dann für jede der beteiligten Gemeinden ein Stein mit ihrem Namen geschnitten worden, die die meisten von ihnen an einem würdigen Ort – z. B. dem Altar – aufbewahren. Jährlich am Volks-trauertrag findet eine Gedenkfeier statt, zu der Vertreter der jeweiligen Gemeinde mit ihrem Stein zusammenkommen, um ihn auf seinem Platzhalter auf der dritten Ebene zu crossroads-führung_gerlind lachenichtplatzieren. Diese Feier wird jeweils von Ange- hörigen der Evangelischen Schule Neukölln gestaltet.

Ein Schüler dieser Schule war es auch, der 2008 beim Besuch des ehemaligen Zwangs-arbeiters Wassili Miljutin, in dessen Dorf in der Ost-Ukraine einen Film mit dem Titel „Eine Reise durch die Ukraine“ gedreht hat. Dieser Film kann in der Ausstellung ange- sehen werden.

Broschüre_Erinnerungsorte gestalten_kirchliche Zwangsarbeiter NeuköllnDer NS-Zwangsarbeiter-Pavillon auf dem St. Thomas- Kirchhof in der Hermannstraße ist bis Mitte Oktober mittwochs und sonnabends zwischen 15 und 18 Uhr geöffnet. In dieser Zeit stehen Ehrenamtliche für weitere Auskünfte zur Verfügung. Dort ist auch die Broschüre „Geschichte erforschen – Menschen finden – Erinnerungsorte gestalten“ für 3 Euro zu erwerben.

Wer Authentisches zum Thema von Gerlind Lache- nicht lesen möchte, dem sei ihr Vortrag zum Tag des offenen Denkmals am 10.9. 2005  empfohlen.

=kiezkieker=

Nur ein Maschendrahtzaun zwischen Leben und Tod

jerusalems-friedhof hermannstraße neuköllnjerusalems-friedhof hermannstraße neuköllnHeute ist Volkstrauertag und die Chancen stehen gut, dass man in Berlin ohne Schal und Hand- schuhe der Kriegstoten und Opfer von Ge- waltherrschaft gedenken kann, denn es soll bis zu 18 ° warm werden. Ergo: Optimale Bedingungen, um beispielsweise den Friedhof V der Jerusa- lems- und Neuen Kirche zu erkunden, der 1872 an der Hermannstraße in Neukölln angelegt wurde – 20 Jahre nachdem Friedhof IV an der Kreuzberger Bergmannstraße eingeweiht worden war.

Fast bis ans Tempelhofer Feld zieht sich die hunderte Meter lange Allee zwischen den Grabfeldern. Einzig ein neo-gotisches, back- steinernes Kirchengebäude, das seit 2003 von der Bulgarischen Orthodoxen Kirche Berlin genutzt wird, jerusalems-friedhof 5 hermannstraße neuköllnhindert am Durchblick bis zum Horizont. Was der Fried- hof an Länge reichlich hat, fehlt ihm jedoch in der Breite: In nördlicher Richtung begrenzt ihn eine hohe Mauer vom Grünen Weg, in jerusalems-kirchhof 5 hermannstraße neuköllnsüd- licher stößt er an die Hinterhäuser  und -gärten der War- thestraße. Nur durch luftige Maschendrahtzäune sind Leben und Tod voneinander getrennt. Aber Anzeichen dafür, dass letzterer sich immer weiter zurückzieht und weitaus weniger Platz benötigt als das früher der Fall war,  sind hier allgegenwärtig: Die Zeiten, als sich eine Grabstelle an die nächste reihte, sind vorbei.  In  äußerst drastischer  Form zeigt sich das am  Ende des Grund-

jerusalems-friedhof hermannstraße neuköllnjerusalems-friedhof hermannstraße neuköllnjerusalems-friedhof hermannstraße neukölln

stücks, wo die Zeugnisse des Friedhofssterbens hüfthohe, makaber-pittoreske Wälle jerusalems-friedhof 5 hermannstraße neukölln,gedenkort zwangsarbeiterlagerbilden. Nur wenige Schritte von einer Gedenktafel an das Ba- rackenlager kirchlicher Zwangs- arbeiter, das ab August 1942 existierte und im April 1945 von der Roten Armee befreit wurde.

=ensa=