Von der Vor- bis zur Jetztzeit: Spurensuche von Christina Schwarzer und Monika Grütters im Museum Neukölln

„Sie lassen sich am besten durch die Augen lenken“, empfahl Museumsdirektor Dr. Udo Gößwald den beiden Politikerinnen, die am Anfang ihres Rundgangs durch die Dauerausstellung 99 x Neukölln, die Grundlegen-des der Bezirksgeschichte näherbringt, einen Orientierungspunkt suchten: Ein Sieben Striemer, mit dem früher Kinder an Neuköllner Schulen geschlagen wurden, liegt ebenso wie das Schach-brett, an dem einst der Maler Stanislaw Kubicki mit seinem Freund Erich Mühsam manche Partie in der Britzer Hufeisensiedlung spielte, in den Vitrinen. Die Spikes des Soziologen und Krimi-Autors Horst Bosetzky, die er bei Wettkämpfen auf der Aschenbahn trug, sind nicht weit vom über 20.000 Jahre Weiterlesen

Nadel, wem Ehre gebührt

neukoellner ehrennadelIn Neukölln wohnen muss man nicht. Entscheidend ist, dass man sich langjährig um den Bezirk verdient gemacht hat: im kulturellen, sportlichen, wirtschaftlichen, religiösen, sozialen oder gesellschaftlichen Bereich, ehrenamtlich oder im Beruf. Dann kann es passieren, blumen+urkunde_neuköllner ehrennadeldass man – so man sie denn haben will – bei einem Festakt im Schloss Britz die Neuköllner Ehrennadel ver-liehen bekommt.

Heute ist es wieder soweit. Am Abend zeichnen Dr. Franziska Giffey und der Bezirks-verordnetenvorsteher Jürgen Koglin drei Frauen und drei Männer mit dieser höchsten Ehrung des Bezirks aus. Überreichen Blumen, stecken die Weiterlesen

Mit 200 Seiten gegen „einen gewissen Geschichts-Autismus“

kys berliner jugend_bosetzky rodewill_vergangenheitsverlagHorst Bosetzky, vielen als Schriftsteller von Berlin-Krimis und einer mehrbändigen, autobiografisch angelehnten Familiensaga bekannt, hat mit „-ky´s Berliner Jugend“ ein sehr persönliches Buch über seine Kindheit in Neukölln veröffent- licht, das folgerichtig den Untertitel „Erinne- rungen in Wort und Bild“ trägt. Das Kürzel „ky“ war lange Zeit sein Pseudonym. Als gelüftet wurde, dass sich dahinter der Soziologie-professor Horst Bosetzky verbirgt, überraschte das viele Leser.

Bosetzky wurde 1938 in Neukölln geboren und wuchs in einer Hinterhauswohnung in der Ossastraße 39 auf. Hierhin ist er auch für die Arbeit am Buch zurückgekehrt. Darüber hinaus führt er die Weiterlesen

Tatort „Stolz von Rixdorf“

Mit einer Fläche von 25.718 Quadratmetern gehört sie zu den 10 größten Neuköllner Laubenpieper-Kolonien – und zu denen, die noch nicht auf der Senats-Streichliste zugunsten von Gewerbeansiedlungen oder Straßenbau stehen. Zu einer Besonder- heit geriet die  Dauerkleingartenanlage  „Stolz  von  Rixdorf“  am Dammweg  jedoch

dauerkleingartenanlage stolz von rixdorf_neukölln

durch den in Neukölln aufgewachsenen Krimi-Autor Horst Bosetzky: Im 10. Band der historischen Kettenroman-Reihe „Es geschah in Berlin“, der den Titel „Bücherwahn“ trägt, lässt er auf dem Gelände vom „Stolz von Rixdorf“ die stark verweste Leiche der wohlhabenden Unternehmerin Else Looskeim auffinden.

Es geschah in Neukölln

Hier wurde Horst Bosetzky am 1. Februar 1938, also heute vor genau 75 Jahren, geboren. Hier ging er zunächst zur Volksschule, die später als Rütli-Schule bekannt wurde, und hier machte er sein Abitur am Albert-Schweitzer-Gymnasium. Es folgten die Lehre zum Industriekaufmann bei Siemens und ein Studium der Soziologie, Psychologie, BWL und VWL an der FU Berlin. Vor genau 40 Jahren wurde er schließlich Professor für Soziologie an der Berliner Fachschule für Verwaltung und Rechtspflege – und blieb es bis zum Jahr 2000. Eine beeindruckende Karriere für jemanden, der den  Malus Neukölln  in die Wiege gelegt bekommen hatte.

horst bosetzky_lesung in neuköllnDoch diese eine reichte Horst Bosetzky nicht: In den 1970er Jahren begann er unter dem Pseudonym -ky Hörspiele, Drehbücher und Krimis zu schreiben. Etwa 20 Jahre später kamen biografische Romane sowie Spannungsromane dazu, und mit „Brennholz für Kartoffelschalen“ begann der schriftstellernde Professor aus Neukölln, der nun Wilmersdorfer war, eine mehrbändige Familiensaga.

Um den Jubilar nicht über Gebühr bei seinen Geburtstagsvorbereitungen zu stören, haben wir ihm fünf eher geschlossene Fragen gestellt – hier sind sie, samt Horst Bosetzkys sehr offener Antworten:

Nervt es eigentlich, als längst in einem anderen Bezirk Wohnender nach wie vor mit Neukölln in Verbindung gebracht oder als Ex-Rütli-Schüler tituliert zu werden?
Bosetzky: Nein, es freut mich, ich prahle geradezu damit, aus Neukölln zu kommen. Meine Mutter, geb. 1910, war sogar noch echte Rixdorferin. Die Ossastraße war mein Paradies (und das von Manfred Matuschewski in „Brennholz für Kartoffelschalen“).

Glauben Sie, dass Ihr Leben anders verlaufen wäre, wenn es nicht im damaligen Arbeiterbezirk Neukölln begonnen hätte?
Bosetzky: Ja. Wäre ich z. B. in Zehlendorf aufgewachsen, hätte ich nie die Nähe zu den sogenannten „einfachen Menschen“ haben können, zum „Volk“. Mir geht es da wie Heinrich Zille, der auch nur Zille geworden ist, weil er aus dem „Milljöh“ selbst gekommen ist. Bei mir gilt das für beide Berufe/Berufungen: die Soziologie wie das Schreiben. Und als Sportler (1. FC Neukölln, TuS Neukölln und Neuköllner Sport- freunde) wollte ich auch im sozialen Bereich siegen: Vom Neuköllner Hinterhof und der Rütlischule zum Professor und zur „deutschen Krimilegende“.

Was verbindet Sie heute mit dem Bezirk?
Bosetzky: Das Emotionale, die (verklärende) Erinnerung vor allem. Als Träger der goldenen Ehrennadel, also Ehrenbürger, werde ich oft eingeladen – und steige dann am Hermannplatz oder Rathaus Neukölln aus der U- und auf dem Bahnhof Neukölln aus der S-Bahn. Alle Jahre wieder lese oder diskutierte ich auch da, wo ich das Abitur gemacht habe, in der Albert-Schweitzer-Schule. Außerdem wohnen meine Schwie- gereltern in der Gropiusstadt, und die besuchen wir dort mindestens einmal im Monat. Stehe ich im 17. Stock auf dem Balkon, liegt mir ganz Neukölln zu Füßen.

Mit welchen drei (maximal fünf) Wörtern würden Sie Neukölln beschreiben?
Bosetzky: Neukölln ist unbeschreiblich spannend.

Was wünschen Sie Neukölln für die nächsten 75 Jahre?
Bosetzky: Dass die Neuköllner mit dem berühmten Migrationshintergrund bald so waschechte Berliner werden wie die Hugenotten nach 1700, wirtschaftlich und kul- turell ebenso bedeutend wie diese. Dann ist Neukölln unschlagbar.

Aktuell schreibt Horst Bosetzky an einem Roman über Heinrich Zille; außerdem sind neue Bände für die Krimiserien „Es geschah in Berlin“ und „Es geschah in Preußen“ in Arbeit. Gerade erschienen ist das Buch „Berliner Leichenschau“, das Bosetzky zusammen mit dem Rechtsmediziner Prof. Dr. Günther Geserick schrieb.

Wir wünschen Horst Bosetzky ein neues Jahr voller Glück, Gesundheit, Erfolg, guter Ideen und erfüllter Wünsche.

Ausgezeichnet: Neukölln hat sechs neue Ehrennadel-Träger

137 Träger der Neuköllner Ehrennadel gab es bis gestern. Seit gestern sind es sechs mehr: Bei einer Feierstunde im Schloss Britz verliehen Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky und Bezirksverordnetenvorsteher Jürgen Koglin die höchste neuköllner ehrennadel-verleihung 2012Auszeichnung für Menschen, die sich um den Bezirk verdient gemacht haben, an Soran Ahmed, Beate Hau- ke, Christian Korb, Lam-Thanh Ly, Brigitte Merten und Peter Renkl.

Aber wie kommt man überhaupt an diese Ehrung, wenn man sie denn will? „Geehrt werden besonders Per- sonen, die langjährig auf dem Gebiet des kulturellen, sozialen, religiösen, wirtschaftlichen, sportlichen, gesell- schaftspolitischen und partnerschaftlichen Bereichs im Sinne Neuköllns tätig gewesen sind“, erklärt Andrea Liedmann aus dem Büro des Bezirksbürgermeisters. Politische Funktionen und Mandate seien für eine Ehrung nicht hinreichend.

Vorschläge für Auszuzeichnende, die samt einer kurze Begründung sowie einer Biographie der betreffenden Person an das Bezirksbürgermeister-Büro zu richten sind, könnten von Vereinen, Vereinigungen oder anderen Organisationen gemacht neuköllner ehrennadelwerden. Wer letztlich die Neuköllner Ehrennadel bekommt, werde dann von einem Gremium entschieden, das sich aus dem Bezirksverordne-tenvorsteher, der stellvertretenden Bezirksver-ordnetenvorsteherin, dem Bezirksbürgermeister und dem stellvertretenden Bezirksbürgermeister zusammensetzt.

Begünstigungen sind mit der Mini-Trophäe fürs Revers, die seit 1984 einmal jährlich verliehen wird, nicht verbunden. Allein mit der Ehrennadel und einer feierlichen Zeremonie müssen sich die Ausgezeichneten aber auch nicht begnügen: Sie erhalten zusätzlich eine Urkunde, werden ins Ehrennadelbuch eingetragen und im Foyer der 2. Etage des Neuköllner Rathauses namentlich auf einer Messingtafel verewigt. So wie vor ihnen bereits Wolf Henri, der Schmied vom Richardplatz, der heute 100 Jahre alt geworden wäre, Victor Kopp, der Eigentümer der Neuköllner Passage, die ehemaligen SG Neukölln-Schwimmerinnen Cathleen Rund und Britta Steffen, der Ex-Profiboxer Oktay Urkal, die Ricam Hospiz-Gründerin Dorothea Becker, der Schriftsteller Horst Bosetzky, Konrad Tack, der ehemalige Geschäftsführer des JobCenters Neukölln, der Sprach- woche-Initiator Kazim Erdogan und Christina Rau, die Schirmherrin des Campus Rütli – um nur einige zu nennen.

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Interdisziplinäres Ausbremsen

Dass die falsche Postleit- zahl den Abschluss eines Handyvertrags verhindert und die falsche Adresse, nämlich eine in Neukölln, ei- nem Schüler die Chance nimmt, zum Vorstellungsge- spräch eingeladen zu wer- den – das soll alles schon vorgekommen sein.

Dass sich nun aber auch noch Gerüstbauer in Neu- kölln in die Riege der  Kar- rierekiller aufschwingen und entscheiden wollen, welcher Emporkömmling genehm ist und welcher nicht, das geht entschieden zu weit. Zudem sollten sie wissen, dass sich schon der gebürtige Neuköllner Horst Bosetzky nicht davon abhal- ten lassen hat, trotz seiner dafür nicht eben prädestinierten Herkunft den Aufstieg bis zur Soziologieprofessur zu schaffen.

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