Nein, sagen sie, das Ergebnis habe sie nicht überrascht. „Fühlst du dich in Berlins U-Bahn- höfen unsicher?“ hatten Dominik Denkmann (l.), Sahiram Ravikumar (M.) und Ihab Basaleh (2. v. r.) über 50 Mitschüler gefragt. Fast 60 Prozent bejahten das und bestätigten damit das Gefühl, das auch die drei 15-Jährigen begleitet, wenn sie sich in den von den Berliner Verkehrsbe- trieben (BVG) erschlossenen Untergrund der Hauptstadt begeben. Dass ihre Schüler es nicht bei Kritik belassen, sondern nach einer praktikablen Lösung für das Pro- blem gesucht haben, sagt Klassenlehrerin Sabine Lemke (r.), das mache sie stolz –
auch vor dem Hintergrund der Vorurteile, die Neu- köllns Jugendlichen gemeinhin vorauseilen.
Jean-Philippe Laville (l.) von der Bürgerstiftung Neu- kölln kennt die ebenfalls zur Genüge: „Deshalb füh- ren wir seit drei Jahren zusammen mit Malik Ma- nagement Projekte an Schulen des Bezirks durch, die die Schüler motivieren, neue Ideen für die Gesellschaft zu entwickeln und sie Firmen und Politik zu präsentieren.“ Für die Jugendlichen habe das den Effekt, dass sie mit der Logik von Zu- sammenhängen arbeiten und die Kommunikation mit Unternehmen und politischen Entscheidungsträgern trainieren. Für die Erwachsenen wiederum bedeute es eine Chance, die Potenziale von Neuköllner Schülern zu erkennen. „Ziel ist, in dieser Konstellation die Herausforderungen der Zukunft zu denken und die Ideen einem
Realitätstest zu unterziehen“, so Lavilles Mitstreiter Henning Höhne, der die Projekt- reihe für die Bürgerstiftung koordiniert.
„Challenge Neukölln“ hieß das Motto in diesem Jahr. Dominik, Ihab und Sahiram, die drei Neuntklässler der Heinrich-Mann-Schule, griffen dafür mit der gefühlten und realen Unsicherheit in U-Bahn-Stationen ein berlinweites Dauerthema auf, stellten Nachforschungen an und brachen es schließlich auf Neukölln herunter. „Bist du für den Einsatz von HD-Kameras in U-Bahnhöfen?“ wollten sie ebenfalls von ihren
Mitschülern wissen: 57 Prozent von denen sprachen sich für die hochauflösenden 360 Grad-Winkel-Kameras aus, stellten das erhöhte Sicherheitsgefühl und die bessere Möglichkeit zur Aufklärung von Straftaten durch eine effektivere Überwa- chung vor datenschützerische Bedenken. „Das“, sagt Sahiram (r.), „sind auch in etwa die Werte, die die BVG ermittelt hatte.“
Wie die Überwachung der unterirdischen Stationen der Berliner Verkehrsbetriebe praktisch abläuft, durften sich die Jugendlichen ebenfalls ansehen. „Die Kontakt- aufnahme begann erstmal damit, dass der BVG-Mitarbeiter beim Stichwort Neuköllner Schule sofort negative Assoziationen hatte“, erzählt Alexander Ortner (l.), der
das Projekt für Malik Management begleitete. „Das hat sich aber nach dem Besuch in der Leitstelle für Sicherheit, wo die Schüler die Ergebnisse ihrer Nach- forschungen vorstellen durften, komplett gedreht.“ Mehr noch: Dominik, Ihab und Sahiram bekamen nicht nur Praktika angeboten, sondern seitens des Unter- nehmens auch die Information mit auf den Weg, dass bis zum Ende des Jahres alle Bahnhöfe entlang der U8 mit HD-Technik ausge- stattet werden sein. Das ist zwar nicht die Strecke, mit der sich die Jugendlichen vor- rangig beschäftigt hatten, beweist ihnen aber, „dass wir auf die gleiche Idee wie die Profis gekommen sind.“
Dass es mit der Umrüstung nicht zügiger gehe bzw. längst passiert ist, sei eine finanzielle Frage. Die Gelder, habe ihnen die BVG mitgeteilt, kämen vom Senat.
Mit Joschka Langenbrinck (r.), der 2011 für die SPD Neukölln ins Berliner Abgeordne-tenhaus gewählt wurde, ist auch die poli- tische Seite bei der Projektpräsentation im Neuköllner Leuchtturm vertreten. „Ich bin Joschka“, stellt er sich vor und erzählt zu- nächst, dass er mit 28 Jahren jüngster SPD-Abgeordneter im Roten Rathaus ist und dort in den Ausschüssen für Bildung, Familie und Jugend sowie Innere Sicherheit und Ort mitarbeite. „Mittelfristig wollen wir, dass alle U-Bahnhöfe auf die Über- wachung mit HD-Kameras umgestellt werden“, informiert er, weist aber auch auf die Wichtigkeit der Anwesenheit von Sicherheitspersonal in den Stationen hin: „Weil Bilder nur beim Identifizieren der Täter helfen, aber Straftaten nicht völlig verhindern können.“ Eindeutig belegt sei jedoch, so Joschka Langenbrinck, dass der ÖPNV in Berlin sicherer geworden und die Zahl der gefassten Täter – nicht zuletzt durch den Einsatz modernster Technik an inzwischen über 20 U-Bahn-Stationen – gestiegen ist.
Wie die funktioniert, muss Dominik Denkmann, Ihab Basaleh und Sahiram Ravi- kumar niemand mehr erklären. Und auch die Koexistenz von Politik und Wirtschaft ist für sie ein wenig durchschaubarer geworden. „Solche außerschulischen Projekte bringen den Schülern schon deshalb enorm viel, weil sie ihren Horizont erweitern“, ist die Erfahrung von Lehrerin Sabine Lemke. Die Jugendlichen würden zwar auch durch „Challenge Neukölln“ nicht die Welt retten, räumt Alexander Ortner ein, aber „sie können viele kleine Dinge und ihr Zusammenspiel besser verstehen.“
=ensa=
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