Zwei Ereignisse in meinem Leben haben mich derart beeindruckt, dass ich noch heute dankbar bin, diese miterlebt zu haben. Das eine war 1969: Neil Armstrong betrat als erster Mensch den Mondboden, und ich durfte damals bis nach Mitter- nacht aufbleiben, was mir schon allein deswegen unvergesslich geblieben ist. Das andere war, als Rainer Bonhof 1974 von rechts auf Gerd Müller passte. Der drehte sich und Deutschland wurde Fußballweltmeister. Beide Ereignisse kann man sich heute auch auf DVD ansehen, doch dies kann niemals an das Gefühl herankommen, damals am Fernseher live dabei gewesen zu sein.
Für ein weiteres Ereignis bin ich leider etwas zu spät geboren. Doch selbst wenn ich – statt 1958 – ein paar Jahre früher zur Welt gekommen wäre, mein Vater mit seinem gänzlich anderen Musikgeschmack hätte mir sicher nicht erlaubt, ein Konzert der Beatles zu besuchen. Ich weiß, jetzt wird die Hälfte der Leserschaft meiner Altersklasse mit dem Lesen aufhören: Viel Spaß weiterhin beim Hören der Rolling Stones. Ich war und bin dagegen ein Beatles-Fan. Und als solcher möchte ich vom Besuch des Beatles-Musi- cals „all you need is love!“ im Estrel Festival Center in Neukölln berichten.
Zuerst der Rahmen: Ein großer Saal mit runden Tischen, an denen jeweils vier Personen Platz nehmen konnten. Darauf Sektkübel mit weißen Tüchern. Ein Publikum mit etwa 200 Zuschauern, von denen vermutlich die meisten meine zwei anfangs geschilderten Ereignisse auch miterlebt haben. Und ich, der nach einem Blick in den Raum mit dessen Bestuhlung und auf das Publikum dachte: „Es ist gut, dass die Beatles 1970 aufgehört haben. Man muss zur rechten Zeit den Abgang schaffen.“ (Schade, dass das die Stones-Fans jetzt nicht mehr lesen.)
Schließlich traten sie auf, die vier ame- rikanischen Musiker, die die Songs der Fab Four coverten: Tony Kishman als Paul McCartney, Gary Gibson als John Lennon, Carmine Grippo als Ringo Starr und John Brosnan als George Harrison. Mithilfe weiterer Protagonisten ließen sie die Geschichte der Beatles Revue passieren.
Es wurden viele unvergessene Songs der Beatles gespielt und zumeist auch gut gesungen. Dabei gewann – wie schon bei den Originalen – der John Lennon-Imitator um Längen gegenüber dem von Paul McCartney. (Sorry Paul, aber darüber brauchen wir nicht diskutieren.) Zu den Liedern wurde auf drei Großleinwänden überwiegend historisches Bildmaterial zu den Beatles eingespielt. Zwischen den Liedern erzählte ein Hamburger Junge aus der Perspektive eines Roadies von den Anfängen der Beatles in der Hanse- stadt. Ein weiterer Mitspieler, Ian Wood, stellte den Sänger Tony Sheridan dar, der damals in Hamburg von einer jungen, unbekannten Band – nämlich den Beatles – begleitet wurde. Dieser spielte in einer spä- teren Szene außerdem Brian Samuel Epstein, den Manager der Beatles. Beides machte er so lebendig, dass ich ihn auch gerne noch in der Rolle des mich wenig überzeugenden Roadies gesehen hätte. Mit diesem Gedanken und weiteren dramaturgischen Ideen ging ich in die
Pause.
Danach begannen die Musiker mit „Ticket to Ride“, natürlich von John Lennon/Gary Gibson gesungen. Und jetzt fing für mich die Show richtig an: Die Videoleinwände zeigten Szenen von den Auftritten der Beatles 1965 in den USA, mit kreischenden Fans und ohnmächtig gewordenen Mädchen. Dann folgten „A Hard Day´s Night“ und „Help“. Als die vier schließlich in den Phantasieuniformen der Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band auftraten, war es um mich geschehen. Die live gespielten Lieder und die psychedelischen Filme auf den Leinwänden wurden für mich zu einer Einheit. Mir kamen die merkwürdigsten Gedanken, zum Beispiel die Idee eines Konzerts der Beatles-Coverband in den Sgt. Pepper’s-Uniformen mitten in Neukölln bei der Einweihung des neuen Platzes der Stadt Hof nach dessen Umgestaltung.
Dann ging es Schlag auf Schlag, über 30 Songs waren es am Ende: „Yesterday“, „Something“, „All You Need Is Love“, “Ob-La-Di, Ob-La-Da”, “Hey Jude”. Zu “Twist and Shout” tanzten wir im Stehen und forderten eine Zugabe. Die kam folgerichtig mit „Day Tripper“, und „Back in the U.S.S.R.“ und „Let It Be“. Hätte ich jetzt ein Feuerzeug gehabt, hätte ich es wie die Raucher geschwenkt. So blieb mir nur, das weiße Tuch aus dem Sektkübel zu nehmen und dieses wie ein Lasso über meinem Kopf zu schwingen.
Der mitreißende Schwung dieser zweiten Showhälfte hätte auch in die erste gehört, die leider vergleichsweise behäbig daher gekom- men war. Dabei wäre es ein Leichtes, ihr durch wenige dramaturgische Änderungen mehr Pep zu geben. Hier meine Überlegungen dazu: 1) Zu Beginn: Der Manager-Darsteller kommt auf die Bühne und fragt das Publikum: „Wollt ihr die Beatles hören?“ … „Ich kann euch nicht hören!“ Unter 110 Dezibel „Jaaaaa!“ wird gar nicht erst angefangen. 2) Musik lauter: Leute, das sind die BEATLES! 3) Wenn man ein Tonstudio zeigen will und das Publikum zwei Tonbänder sieht, dann müssen diese sich auch drehen. Es reicht nicht, dass allein eine rote Lampe leuchtet! 4) Das Publikum mehr einbeziehen, zum Beispiel indem man ein paar Takte anspielt und das Publikum raten lässt, welches Beatles-Lied so beginnt. (Für das Inszenieren von Abba-, Johnny Cash- und Peter Alexander-Revivalshows wäre ich übrigens auch der richtige Ansprechpartner.)
Sie waren auch schon einmal in der Show und haben gänzlich andere Eindrücke davon gewonnen? Nun, es gibt auch Menschen, die behaupten, dass Neil Armstrong nie die Mondoberfläche betreten hat und die Aufnahmen in einer abgedunkelten Halle auf der Erde nachgestellt worden sind. Kann alles sein, auch dass Sie finden, dass der Ringo Starr-Imitator Carmine Grippo im Beatles-Musical „all you need is love!“ mehr wie Leslie Mandoki ausgesehen hat. Aber über eines lässt sich wirklich nicht diskutieren: Das 2:1 für Deutschland im Endspiel der Fuß- ballweltmeisterschaft 1974. Danke, Gerd Müller!
Das Beatles-Musical „all you need is love!“ gastiert noch bis zum 29. Juli im Estrel Festival Center (Sonnenallee 225, Berlin-Neukölln) und beginnt mittwochs bis samstags um 20.30 Uhr sowie sonntags um 19 Uhr. Karten kosten von 20 bis 48,50 € und sind bei der Ticket-Hotline 030 – 6831 6831 sowie unter www.stars-in-concert.de erhältlich.
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